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Methoden

Das Innere Team in der Praxis des Management-Coachings

Die fachlichen Ansprüche an Manager sind bekanntlich hoch. Immer stärker halten jedoch auch soziale Kompetenzen Einzug in die Qualifikationsprofile. Manager sind längst mehr als Entscheider: Sie sollen motivieren, inspirieren, Mitarbeiter in ihrer Entwicklung unterstützen. Was aber, wenn situationsbedingtes Verhalten eines Managers von Vorgesetzten, Kollegen oder Mitarbeitern – entgegen dieser Anforderungen – häufig als unangebracht oder gar demotivierend wahrgenommen wird? Das Modell des Inneren Teams eignet sich zur Steuerung der eigenen Verhaltensweisen in kritischen Situationen.

16 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2015 am 18.11.2015

Ausgangssituation

Nicht selten begegnet man Menschen, die exzellente Aufgaben-Manager sind. Sie sind strukturiert, dynamisch, umsetzungsstark. Im Umgang mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern haben sie jedoch Probleme: Sie zeigen in bestimmten Situationen Verhaltensweisen, die für eben jene zumindest irritierend, wenn nicht sogar ärgerlich und häufig auch frustrierend und demotivierend sind.

Allerdings werden neben den funktionalen Fähigkeiten eines Managers dessen soziale Kompetenzen immer wichtiger, denn Unternehmen haben erkannt: Betriebsklima, Mitarbeitermotivation und Arbeitszufriedenheit hängen mit Mitarbeiterbindung und -produktivität zusammen – letztere Faktoren wiederum mit Kundenbindung, Kundenzufriedenheit und letztendlich mit Wachstum und Gewinn. (Heskett et al., 1997). Unternehmensführungen fragen sich demnach, was zu tun ist, um diesen aufgabenstarken Managern notwendige soziale Kompetenzen zu vermitteln, damit diese sich in bestimmten Situationen „adäquat“ zu verhalten wissen.

„Situationsadäquates“ Verhalten

 „Situationsadäquates“ Verhalten wird manchmal auch als „funktionales“ oder im Umkehrschluss als „dysfunktionales“ Verhalten bezeichnet (Schulz von Thun, 2011). Grundsätzlich deutet der Ausdruck „situationsadäquat“ darauf hin, dass Verhaltensweisen immer in Abhängigkeit einer Situation, des Kontexts, in dem das Verhalten stattfindet, zu bewerten sind.  

Im Coaching-Prozess geht es daher zunächst darum, die Problemstellung, d.h. das nicht situationsadäquate, dysfunktionale Verhalten zu identifizieren, zu sortieren und zu strukturieren. Als Input dient häufig Feedback von Vorgesetzten, das idealerweise zuvor während eines Gesprächs zwischen ihm und dem Mitarbeiter gegeben wurde. Auch Feedback von HR-Abteilungen kann wichtige Hinweise liefern. Idealerweise liegen Beschreibungen konkreter Verhaltensweisen in bestimmten, kritischen Situationen vor. Hilfreiche Ergänzungen bietet eine 360-Grad-Beurteilung.

Diesen Input reflektiert der Klient, identifiziert die wesentlichen Problemstellungen und formuliert auf dieser Basis die Ziele, d.h. das für bestimmte Situationen adäquate Verhalten. Das ist in der Regel ein herausfordernder Prozess, der vom Klienten viel Mut, Offenheit und Selbstbewusstsein erfordert, jedoch auch die Grundlage für eine erfolgreiche Veränderung von Verhaltensweisen darstellt.

Die Veränderung zu situationsadäquatem Verhalten kann nicht bedeuten, dass der Manager sich einer Situation nur äußerlich anpasst, dass er wie ein Schauspieler agiert, aber sein Inneres eine andere Verhaltensweise verlangt. Ziel ist nicht die chamäleonhafte Anpassung an bestimmte Anforderungen einer Situation, sondern die Erweiterung des Verhaltensrepertoirs, das es ermöglicht, in Übereinstimmung mit sich selbst und den Anforderungen der Situation agieren zu können (Schulz von Thun, 2011). Die Anwendung des Konzepts des „Inneren Teams“ ist dazu eine geeignete Vorgehensweise.

Das Modell vom Inneren Team

Der Ausgangspunkt des Modells des Inneren Teams nach Schulz von Thun (2011) ist, dass jeder Mensch eine innere Pluralität hat. Jeder Mensch hat auf Basis seiner Persönlichkeit, seiner Erziehung und Sozialisation verschiedene Stimmen in sich, die sich je nach Kontext und eigener Verfassung lauter oder leiser melden und sich in ihrer Meinung ergänzen oder widersprechen können. Diese Stimmen, Aussagen oder Vorschläge werden durch verschiedene Mitglieder eines Inneren Teams zum Ausdruck gebracht.

Um Entscheidungen treffen zu können, muss der Betroffene aus dem Mit- und Gegeneinander der Aussagen der verschiedenen Teammitglieder, die die jeweilige Situation hervorruft, eine Lösung herausarbeiten. Dies gelingt nur mit einem Teamleiter (Schulz von Thun nennt ihn „Oberhaupt“). Der Betroffene selbst übernimmt die Rolle des Teamleiters und versetzt sich in eine Meta-Perspektive. Er hat die Aufgabe, zusammen mit den Mitgliedern die bestmögliche Entscheidung herbeizuführen. Dazu hat er verschiedene Ansatzpunkte:

  • Personalauswahl: die richtigen Leute für die Aufgabenstellung in das Team holen
  • Teamentwicklung: die Förderung und Weiterentwicklung einzelner Teammitglieder
  • Moderation: die Teambesprechungen strukturieren
  • Integrierte Lösung: die Interessen hinter den Positionen der Teammitglieder herausfinden und gemeinsam eine (nach innen und außen) stimmige Lösung finden

Ist das (Innere) Team komplett, so kann der Teamleiter eine „Teamkonferenz“ abhalten. Diese lässt sich in folgende Schritte gliedern:

  • Ausführlichere Anhörung der Teammitglieder
  • Moderation durch den Teamleiter: wesentliche Fragen zusammenfassen, Suche nach Lösungsideen durch gezielte Fragestellungen, Vorschläge für eine integrierte Lösung
  • Formulierung einer integrierten Lösung

Um eine integrierte Lösung zu finden, muss der Teamleiter über ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ hinaus nach Handlungsspielräumen suchen. Das kann er, indem er z.B. eine Zusage gibt und diese mit einer Bedingung verknüpft oder ein Gegenangebot macht.

Fallbeispiel

In dem Fallbeispiel geht es um einen erfahrenen Manager aus dem Mittelmanagement eines internationalen Unternehmens. Auf der Basis des vorhandenen Feedbacks von Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern, einer 360-Grad-Beurteilung und seiner eigenen Einschätzung konnten folgende Stärken festgehalten werden:

  • Zielorientierung
  • Umsetzungsstärke
  • Einbringung neuer Ideen
  • Systematisches, strukturiertes Lösen von Problemen
  • Flexibilität
  • Offenheit für Wandel

Zugleich wurden Schwächen offenbar, die den Anlass zum Coaching gaben:

  • Verliert leicht die Fassung
  • Wenn er sich ärgert, wirkt er manchmal unbeherrscht, impulsiv in seinen Reaktionen
  • Verhaltensweisen wie nicht Zuhören oder demonstriertes Desinteresse werden teilweise als arrogant wahrgenommen

Der Klient beschrieb auch die spezifischen Situationen, in denen dieses dysfunktionale Verhalten am ehesten zum Vorschein kam. Die Ziele für das Coaching wurden durch den Klienten wie folgt formuliert:

  • In den beschriebenen Situationen behalte ich meine Fassung
  • In den beschriebenen Situationen höre ich aktiv zu, zeige Aufmerksamkeit durch entsprechende Körpersprache und Mimik und adressiere von mir wahrgenommene Mängel in adäquater Art und Weise

Die Messung der Zielerreichung erfolgt durch eine neue 360-Grad-Beurteilung in bestimmten Verhaltenskategorien – ca. sechs Monate nach der ersten Coaching-Sitzung.

Diese Schritte und Zielformulierung durch den Klienten bilden einen wichtigen Beitrag zum Erfolg eines Coaching-Prozesses. Erreicht ist damit natürlich noch nicht viel. Was sind also im nächsten Schritt mögliche Lösungen und Maßnahmen zur Erreichung der in den Zielen formulierten Verhaltensweisen?

Der Mangel an Aufmerksamkeit, demonstriert durch despektierliches Benehmen, wurde häufig in Meetings wahrgenommen. Dazu gab es konkrete Beobachtungen und Beschreibungen:

Ein Meeting mit internationalen Führungskräften war für den Vorgesetzten des Klienten der endgültige Anlass, diesem ein Coaching anzubieten. In einem formalen Feedback-Gespräch mit dem Vorgesetzten wurden folgende Verhaltensweisen des Klienten angesprochen: Er machte während des Meetings einen gelangweilten Eindruck, was er durch seine Mimik und Körperhaltung zum Ausdruck brachte. Trotz der klaren Aufforderung, während des Meetings keine E-Mails zu lesen und zu schreiben und weder Laptops noch Smartphones zu nutzen, tat er dies immer wieder.

Am zweiten Tag lehnte er sich zeitweise im Stuhl weit zurück und schien vollkommen desinteressiert. In Bemerkungen zur Seite kommentierte er Teile des Meetings als „Kindergarten“. Das wahrgenommene Verhalten zeigt starke Parallelen zu dem vorhandenen Feedback weiterer Vorgesetzter in ähnlichen Situationen.

Der Klient erklärte sich einverstanden, das oben beschriebene Meeting als Modell und Diskussionsgrundlage für die weitere Aufarbeitung zu nehmen. Zunächst beschreibt er die Vorgänge in dem Meeting aus seiner Sicht.

Er sieht seine Verhaltensweisen nicht ganz so krass und drastisch wie seine Vorgesetzten. Er erklärt, warum ihn das Meeting zunehmend genervt hatte. Das Meeting sei nicht strukturiert abgelaufen, die Teilnehmer hätten irrelevante Beiträge geliefert, das Ziel des Meetings sei ihm nicht klar geworden, einige Teilnehmer hätten sich unvorstellbar lange vorgestellt, es sei durcheinander gesprochen worden. Als er sich meldete, sei er nicht zu Wort gekommen. Die Themen, die besprochen wurden, seien schon mehrfach in anderen Meetings durchgekaut worden. Dennoch sah er aufgrund der vorausgegangenen Diskussion und Analyse ein, dass sein Verhalten in einigen Situationen nicht angemessen war und er sich auch selbst damit schadete.

Aber wie kam es dazu, dass er sich in bestimmten Situationen immer wieder in dieser Weise benahm und wie konnte er sich so steuern, dass er sich in diesen Situationen adäquat verhalten kann? Um diese Fragen zu beantworten, schlug der Coach die Nutzung der Methode des „Inneren Teams“ vor.

Das Innere Team aufstellen und moderieren

Es ist sinnvoll, das Konzept des „Inneren Teams“ und die Vorgehensweise mit dem Klienten zuvor zu besprechen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass Manager oftmals skeptisch und zurückhaltend sind, sich auf solche „psychologischen Methoden“ einzulassen. Wenn der Prozess jedoch für sie transparent und praktisch greifbar ist, dann fällt es ihnen leichter, sich zu öffnen und aktiv mitzumachen.

Im ersten Schritt geht es darum, herauszufinden, was in dem Manager vor sich geht, wenn es in diesen Situationen immer wieder zu solch dysfunktionalem Verhalten kommt.

Die Eingangsfragen lauteten in etwa „Was ging in Ihnen vor als Sie in dem Meeting waren? Was hat Sie dazu getrieben, sich so zu verhalten? Welche inneren Stimmen oder Impulse waren zu hören oder zu spüren?“ Es kamen folgende Stimmen (unsortiert) zum Vorschein:

  1. Gibt es hier auch noch etwas Interessantes?
  2. Motiviere dich, dranzubleiben.
  3. Das ständige Gemurmel geht mir auf den Wecker!
  4. Die Dame mit dem Laptop neben mir stört.
  5. Können wir uns bitte auf das Thema/Meeting konzentrieren!
  6. Dieses Meeting ist nicht effektiv, da kommt nichts bei raus.
  7. Bespreche die Organisation und die Disziplin im Meeting mit dem Meeting-Leiter.
  8. Ich bin enttäuscht, dass keiner einschreitet.
  9. Das Gequatsche und die Unruhe gehen mir auf die Nerven.
  10. Es fehlt an Disziplin, die Leute halten sich bei ihren Beiträgen nicht an die Zeitvorgaben.
  11. Warum tut hier keiner was dagegen und schafft Ordnung?
  12. Steh auf und setz dich zurück an die Wand oder stell dich an die Wand, um dich besser zu konzentrieren!
  13. Geh raus, das hältst du nicht mehr aus!
  14. Sag den anderen, „seid still“!
  15. Das zieht sich wie Kaugummi!
  16. Das ist langweilig und nicht so wichtig, dass ich hier zuhöre.
  17. Ich könnte meine Zeit besser nutzen.
  18. Sitze hier nicht nur rum, ergreife die Initiative!

Während der Klient versucht, das auszudrücken, was in seinem Inneren während des Meetings zu hören war, hilft der Coach immer wieder mit Fragen, um eine ausreichende Anzahl von inneren Stimmen zu erhalten, um den nächsten Schritt sinnvoll gestalten zu können: Die Identifikation und die Konkretisierung der Teammitglieder, die diese Bemerkungen von sich geben. Der Klient sah folgende Teammitglieder hinter den von ihm identifizierten Stimmen:

  • Ein Interessierter/Konzentrierter: Stimme 1, 5 und 12
  • Ein Ordnungsliebender: Stimme 3, 4 und 11
  • Ein Enttäuschter: Stimme 8, 9 und 13
  • Ein Ergebnisorientierter/Effizienter: Stimme 6, 10, 15 und 17
  • Ein Gelangweilter: Stimme 16
  • Ein Mitteilungswilliger: Stimme 7 und 14
  • Ein Motivierter: Stimme 2
  • Die Führungskraft: Stimme 18

Der Coach hält die identifizierten Teammitglieder auf einem Flipchart fest, um das Bild des Inneren Teams zu visualisieren und dem Klienten die Aufstellung des Teams zu verdeutlichen.

In einer nächsten Stufe begibt sich der Klient in die Rolle eines „Teamleiters“. Coach und Klient besprechen vorab nochmals die Rolle eines Teamleiters. Die Manager können sich in diese Aufgabe aufgrund ihrer Erfahrungen mit tatsächlichen Arbeitsteams relativ gut einbringen.

Zunächst bittet der Coach den Klienten, die einzelnen Teammitglieder auf jeweils eine Karte zu schreiben und auf dem Boden so zu platzieren, dass die eindringlichsten und lautesten Teammitglieder ihm am nächsten sind, wenn er vor dem Team steht. Nach ganz vorne legt er den Enttäuschten, den Gelangweilten und den Ergebnisorientierten/ Effizienten. Das sind die Teammitglieder, die sich nach seinem Empfinden in dem Meeting am lautesten und eindringlichsten gemeldet haben.

Es folgt der Ordnungsliebende. Dann kommen die anderen. Dann bittet der Coach den „Teamleiter“, zunächst zu überprüfen, ob er noch jemanden in sein Team aufnehmen möchte, der bei der Bewältigung der Situation hilfreich sein könnte. Der Coach bittet den Klienten, nochmals seine Stärken in anderen beruflichen Situationen zu reflektieren, denn hier könnten Ressourcen (Teammitglieder) vorhanden sein, die auch in dieser Meeting-Situation hilfreich sein könnten.

Nach einer Diskussion schlägt der Klient das Teammitglied „Problemlöser“ vor. Der Klient beschreibt den Problemlöser als jemanden, der systematisch, strukturiert und sachlich an die Probleme herangeht. Er platziert den Problemlöser in der vorderen Reihe. Dann bittet der Coach den Klienten, zu überprüfen, welche Teammitglieder er etwas stärker in den Vordergrund rücken möchte. Er holt die Karten des Interessierten/Konzentrierten, des Motivierten und der Führungskraft nach vorne. Diese möchte er im Dialog stärker einbringen. Den Enttäuschten und Gelangweilten setzt er nach hinten.

Der Coach fragt den Klienten in seiner Rolle als Teamleiter, wie er die Äußerungen seiner Teammitglieder und seine Interessen zu wesentlichen Anliegen zusammenfassen würde. Der Klient kommt zu folgenden Punkten:

  • Struktur und Effektivität des Meetings
  • Disziplin aller Teilnehmer
  • Wie kann ich die Meeting-Situation auf positive Art und Weise ändern?

Diskussion im Inneren Team

Nachdem der Teamleiter (Klient) die Aufstellung seines Inneren Teams an die Aufgabenstellung angepasst und sein Anliegen geklärt hat, bittet der Coach den Klienten, mit seinem Inneren Team eine Diskussion zu führen, die das Ziel hat, seine Anliegen in situationsgerechter Weise zu realisieren.

Es entwickelte sich – vereinfacht dargestellt – folgender Dialog:

Der Teamleiter (Klient) gibt dem Ordnungsliebenden und dem Ergebnisorientierten zunächst Recht: „Ich stimme Euch zu. Hier wäre etwas mehr Struktur und Effizienz erforderlich.“

Sogleich melden sich der Gelangweilte und der Enttäuschte laut und ungefragt: „Ja, das ist ziemlich großer Mist. Es lohnt sich nicht, zuzuhören. Mache was anderes oder schalte einfach ab. Du solltest Deiner Enttäuschung Ausdruck verleihen.“

Der Teamleiter hat den Gelangweilten und Enttäuschten schon zuvor bei der Aufstellung des Teams mit den Karten nach hinten verschoben, weil er diese beiden Teammitglieder als ziemlich vorlaut und dominant empfand. Dagegen war bisher vom Motivierten und vor allem vom Problemlöser kaum etwas zu hören. Er hat diese deshalb nach vorne gebracht und möchte sie für einen konstruktiven Dialog stärker einbeziehen. Teamleiter: „Gelangweilter und Enttäuschter, ich verstehe Eure Frustration. Aber nur destruktiv zu reagieren bringt uns nicht weiter. Motivierter und Problemlöser, was schlagt Ihr vor?“

Motivierter: „Ich will das Meeting gerne aufmerksam verfolgen, aber wenn das so weitergeht, verliere selbst ich die Motivation.“

Problemlöser: „Es bringt doch nichts, nur abzuschalten und Enttäuschung zu demonstrieren. Das löst doch das Problem nicht.“

Führungskraft: „Wie können wir das Problem lösen?“ 

Problemlöser: „Eine Möglichkeit wäre, in der Pause den Meeting-Leiter anzusprechen und ihn auf die Mängel aufmerksam zu machen und ihn zu bitten, für mehr Ordnung zu sorgen.“

Führungskraft: „Ja, das übernehme ich.“

Der Enttäuschte und der Gelangweilte sind jedoch noch nicht zufrieden. Beide melden sich: „Bis zur Pause ist es noch lang. Das bringt doch sowieso nichts. Zeige Deine Enttäuschung und Deinen Frust. Vielleicht merken die dann, dass sich hier was ändern muss.“

Teamleiter: „Problemlöser, was denkst Du? Kann das die Sache beschleunigen?“

Problemlöser: „Nein, das glaube ich nicht. Die anderen werden das nicht verstehen. Ich halte es für vernünftiger und zielführender, das Thema sachlich in der Pause zu adressieren.“

Teamleiter: „Enttäuschter und Gelangweilter, ich verstehe Euren Frust und Eure Ungeduld. Aber ich gebe dem Problemlöser Recht. Wir verschlechtern die Situation vielleicht zusätzlich. Das wollt Ihr doch auch nicht. Am Ende wollen wir alle ein effektives und geordnetes Meeting.“

Enttäuschter und Gelangweilter: „Ja, das wollen wir natürlich auch.“

Teamleiter: „Dann lasst uns dem Vorschlag des Problemlösers folgen.“ 

Während der Klient in seiner Rolle als Teamleiter versucht, eine Teamkonferenz abzuhalten, hilft der Coach ihm immer wieder mit Fragen und Hinweisen auf einzelne Teammitglieder, um den Dialog aufrechtzuerhalten. Ganz so geordnet wie im obigen Dialog lief die Teamkonferenz nicht ab. Am Ende hatte sich jedoch über die Herausarbeitung des gemeinsamen Interesses, ein strukturiertes und effektives Meeting haben zu wollen, ein guter Konsens gebildet. Der Klient hatte einen Lösungsweg für diese und ähnliche Situationen in der Zukunft. 

Nach einer Diskussion muss der Teamleiter wie in einem Arbeitsteam eine Entscheidung treffen. Dabei ist es möglich, dass nicht jedes Teammitglied mit der Entscheidung vollauf zufrieden ist. Wichtig ist jedoch, dass die Teammitglieder in der Diskussion zu Wort kommen und ihre Meinung wertschätzend entgegengenommen wird. Das hilft dem Teamspirit und fördert die Unterstützung des gesamten Teams. Wenn man sich nicht mit jeder Stimme auseinandersetzt, besteht die Gefahr, dass die ignorierten Stimmen später wieder versuchen, eine Entscheidung zu boykottieren.

Es wäre also keine Lösung gewesen, den Enttäuschten einfach aus dem Team zu drängen. Im Gegenteil, der Enttäuschte ist ein durchaus wichtiges Teammitglied, das dem Klienten signalisiert, da läuft was schief.

Schluss

Der Klient hat über die Zusammensetzung des Teams, durch die Moderation der Teamkonferenz und -Diskussion eine innerlich stimmige wie auch nach außen situationsgerechte Lösung gefunden.

Eine wesentliche Erkenntnis für den Klienten war, dass der Enttäuschte und der Gelangweilte sein Inneres Team in Situationen wie der dargestellten stark dominieren. Sie bringen ihre Frustration mit inadäquatem Verhalten zum Ausdruck. Am Ende ist niemandem dabei geholfen. In Zukunft will der Klient dem Problemlöser und der Führungskraft mehr Bedeutung beimessen, denn: Er selbst sieht seine Stärken im Lösen komplexer Aufgaben und als Führungskraft, die Veränderungen voranbringt. Diese Teammitglieder sind als Ressourcen vorhanden und können zum Finden situationsadäquater Lösungen beitragen.

In der nächsten Coaching-Sitzung berichtet der Klient, wie er in einem Meeting auf langatmige Beiträge und mangelnde Zeitdisziplin reagiert hat. In der Pause habe er seinen Chef darauf angesprochen. Der Problemlöser und die Führungskraft hätten die Initiative ergriffen.

Nach einigen Tagen hält der Coach Rücksprache mit dem Chef des Klienten. Der Chef begrüßte einerseits, dass der Manager ihn auf die Defizite des Meetings ansprach, andererseits empfand er dessen Ton als unpassend. Daran wird der Klient in den nächsten Sitzungen arbeiten müssen.

Literatur

  •  Heskett, James L.; Sasser, W. Earl & Schlesinger, Leonard A. (1997). The service profit chain. New York: Free Press.
  • Schulz von Thun, Friedemann (2011). Miteinander Reden, Band 3. Hamburg: Rowohlt.

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