Coaching-Tools

Das Dreieck der Zusammenarbeit

Ein Coaching-Tool von Axel Janßen

11 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2017 am 22.11.2017

Kurzbeschreibung

Das Modell bietet den Zusammenhang von Vertrauen, Identifikation und Strukturen als Rahmen zur Reflexion an, um daraus Ableitungen für eine Verbesserung der Zusammenarbeit des Klienten mit seinem bzw. innerhalb seines Teams, mit seinen Mitarbeitern, Kollegen oder Vorgesetzten zu ermöglichen. Dabei greift das Dreieck der Zusammenarbeit die Idee des „magischen Dreiecks“ (Zeit – Kosten – Qualität) auf. Die Begriffe im Dreieck stehen in einem Zusammenhang. Wird ein Eingangswert geändert, wirkt sich das auf beide anderen aus. Nur sagt das Dreieck nicht wie. Es ist eine Reflexionsstruktur, die ihre Wirkung erst im konkreten Kontext entfaltet.

Anwendungsbereiche

Das Dreieck ist im Einzel-, Team- und Gruppen-Coaching anwendbar: überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten bzw. dort, wo es zu Konflikten kommen kann oder gekommen ist, weil Zusammenarbeit „nicht funktioniert“. Das Modell ist für jede Zielgruppe geeignet. Auf der methodischen Ebene ist eine Anpassung des Abstraktionsniveaus an die Zielgruppe in der Regel sinnvoll. Zusammenarbeit wird nicht alleine durch dieses Modell beschrieben, doch kann es exzellent mit anderen Strukturen kombiniert werden, z.B. Teamphasen (Tuckman), Konflikttreppe (Glasl/Schwarz), Johari-Fenster (Luft & Ingham).

Effekte

Aus der Erarbeitung faktisch richtigen Wissens zum Modell (Wie ist es gedacht? Wie funktioniert es?) resultiert dessen eigenständige Anwendbarkeit durch den Klienten bzw. das Team. Es folgt die Reflexion der Erkenntnisse aus der eigenständigen Anwendung des Modells: Handlungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit werden abgeleitet. Letztlich wird der Transfer des Modells auf andere Kontexte (außerhalb des Coaching-Anliegens) und somit die Förderung der Nachhaltigkeit im Umgang mit dem Modell ermöglicht.

Ausführliche Beschreibung

Zusammenarbeit ist, vereinfacht gesagt, ein Idealzustand. Die Frage „Was verstehen Sie konkret unter Zusammenarbeit?“ zu stellen, lohnt sich in jedem Fall, um nicht Opfer eigener Deutungen zu werden. In der Regel erfordert Zusammenarbeit vereinbarte Spielregeln, eine gemeinsame Ergebniserwartung und einen vereinbarten Ablauf, um das erwartete Ergebnis zu erreichen. Aus der Vereinbarung und dem Ausleben des „Gemeinsamen“ sowohl im menschlichen Umgang miteinander als auch in fachlich-methodischer Hinsicht entsteht die Identifikation. Aus diesen Vereinbarungen, die selten schriftlich fixiert sind, leiten sich die Strukturen (Aufbau und Ablauforganisation der Gruppe/des Teams) in der Zusammenarbeit ab. Vertrauen entsteht, wenn jeder Einzelne sich mit den Strukturen und Vereinbarungen der Gruppe identifiziert und sich darauf verlassen kann, dass jeder andere ebenfalls entsprechend danach handelt. 

Werden z.B. Vereinbarungen in der Zusammenarbeit nicht eingehalten, so kann sich das im Sinne des Dreiecks (siehe Abb.) möglicherweise wie folgt auswirken: Das Vertrauen wackelt. In der Folge, d.h., resultierend aus auf andere Teammitglieder oder die gesamte Gruppe gerichteten, negativen Emotionen wie Enttäuschung oder Misstrauen, die eine (innere) Abkehr vom Team auslösen können, sinkt möglicherweise die Identifikation mit dem Team. Die Strukturen werden im Hinblick auf eine verstärkte Kontrolle geändert. Die geänderten Strukturen wirken sich wiederum auf das Vertrauen aus, was wiederum die Identifikation beeinflusst. Funktioniert Zusammenarbeit nicht, kann dies somit mit der Wechselwirkung der drei Elemente zusammenhängen. 

Das Dreieck der Zusammenarbeit ist ein Erklärungsmodell, also eine komplexitätsreduzierte Darstellung der Wirklichkeit. Aus einem Modell wird – in Verbindung mit einer Ergebniserwartung – die Methode abgeleitet. So können aus dem Dreieck in der praktischen Arbeit beliebig viele Tools (Methoden, um eine verbesserte Zusammenarbeit zu erreichen) abgeleitet werden.

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Abb.: Dreieck der Zusammenarbeit

Bereitstellung des Modells

Unabhängig davon, wie das Modell methodisch letzten Endes abgebildet wird, ist es zum einen wichtig, dass das Funktionsprinzip des Modells vom Anwender verstanden worden ist. Ob es durch den Coach erklärt, an einem Beispiel veranschaulicht oder vom Klienten (zumindest im ersten Schritt) anhand bereitgestellter Materialien, die das Modell erläutern, selbst erarbeitet wird, ist dabei den Vorlieben des Coachs und des Klienten geschuldet. Zum anderen sollte der Anwendungskontext des Modells klar identifiziert sein. Geht es um Zusammenarbeit in der Firma, im Team, in Bezug auf ein bestimmtes Thema, einen Arbeitsinhalt oder in der Familie? Die Worte Vertrauen, Identifikation und Strukturen erhalten ihre konkrete Bedeutung im Kontext (Konnotation). 

Sind diese Vorarbeiten erledigt, steht das Funktionsprinzip des Dreiecks zur Reflexion und zum Ableiten von Veränderung bereit. Für den Einzelnen, für ein Team, eine Gruppe oder sogar ein Unternehmen. Wie Reflexion und Veränderung ausgelöst werden, ist eine Frage der konkreten Methode. Nachfolgend sollen unterschiedlich komplexe Möglichkeiten der methodischen Ausgestaltung der Arbeit mit dem Dreieck anhand beispielhafter Coaching-Abläufe skizziert werden.

Schnell zur Erkenntnis

Wenn die Anwendungsvoraussetzungen geschaffen sind und eine unmittelbare Erkenntnis erwartet wird, kann der Coach im Einzel- und im Team-Coaching methodisch sehr rasch, sozusagen „Quick and Dirty“, auf den Punkt kommen. Er stellt zunächst eine Verbindung zum Modell her, indem er den Klienten fragt: „Hat das ‚Dreieck der Zusammenarbeit‛ Ihrer Meinung nach eine Relevanz für die aktuelle Zusammenarbeit im Team?“ Es folgen eine Reflexion und die anschließende Ableitung von Lösungen: „Worin liegt die Relevanz? Wie hängen bei Ihrer aktuellen Zusammenarbeit Vertrauen, Identifikation und Strukturen zusammen? Was heißt das für die Lösung(en), die Sie entwickeln wollen? Welche Lösungen ergeben sich für Sie daraus?“

SOLL vs. IST – Die Lücke schließen

Erkenntnis basiert auf der Wahrnehmung von Unterschieden. Das Wirkungsprinzip dieser Methode baut auf dieser Tatsache auf, indem der IST-Zustand in Bezug auf die Zusammenarbeit und die Elemente des Dreiecks mit dem SOLL-Zustand verglichen wird. Für die erkannten „Lücken“ werden Lösungsideen entwickelt. Hier haben sich Kreativitätsmethoden als wertvolle Unterstützung erwiesen. Im Einzel- oder Team-Coaching wird zunächst eine Bestandsaufnahme vorgenommen. 

Coach und Klient führen eine Identifikation des IST-Zustands zum Thema „Zusammenarbeit“ durch. Der Coach fragt: „Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit im Team auf einer Skala von eins bis zehn, wobei eine zehn ideal wäre?“ Es folgt die Identifikation und Visualisierung der IST-Zustände der Elemente im Dreieck: „Wie bewerten Sie das (gegenseitige) Vertrauen (bzw. Identifikation / Strukturen) im Team auf einer Skala von eins bis zehn, wobei eine zehn ideal wäre?“ 

Ist der gegenwärtige Zustand identifiziert, wird der SOLL-Zustand festgelegt und gegenübergestellt. Der Coach fragt: „Welchen Wert der oben verwandten Skala wollen Sie als SOLL nehmen?“ Im Team-Coaching erfolgt an dieser Stelle ein kurzes „Storming“, das moderiert werden sollte. Anschließend gilt es, Unterschiede zu identifizieren und zu reflektieren:

  • Welche Unterschiede und Abweichungen haben Sie jeweils erkannt?
  • Worauf führen Sie die Unterschiede und Abweichungen zurück?
  • Wie beeinflussen sich die Elemente Identifikation / Vertrauen / Strukturen in der Form, dass der gegenwärtige IST-Zustand entsteht? 

Die Lücke zwischen IST- und SOLL-Zustand ist definiert. Nun sind Lösungen zu entwickeln und unter Einsatz des Dreiecks zu reflektieren:

  • Was könnten Sie tun, um die Lücke zu schließen?
  • Was steht Ihnen dazu zur Verfügung?
  • Bitte begründen Sie mithilfe des Dreiecks, warum Ihre Entscheidung für diese Lösungen richtig ist.

Spiel mit den Definitionen – Konstruktivismus erleben

Die im Modell „Dreieck der Zusammenarbeit“ verwendeten Begriffe sind ihrer Natur nach hoch abstrakt. Folgt jedes Teammitglied seiner eigenen Deutung (Wertung) dieser Begriffe, kann es passieren, dass bereits auf der Ebene der Deutung bestimmter Begriffe Konflikte entstehen, die die Zusammenarbeit beeinträchtigen. 

Im Team-Coaching wird eine Identifikation und Visualisierung der individuellen (konstruktivistischen) Deutungen der Elemente im Dreieck durchgeführt. Der Coach fragt die Teammitglieder: „Was verstehen Sie bzw. was versteht jeder Einzelne unter (a) Zusammenarbeit, (b) Vertrauen, (c) Identifikation und (d) Strukturen?“ Den nächsten Schritt stellt eine Reflexion der Ursachen und Folgen der identifizierten konstruktivistischen Deutungen dar, z.B. angeregt durch folgende Fragen: „Woran liegt es, dass Sie ein individuelles Verständnis dieser Begriffe haben? Welche Folgen für Ihre Zusammenarbeit sind damit verbunden?“ 

Ist den Teammitgliedern hierdurch bewusst geworden, dass unterschiedliche Begriffsverständnisse vorherrschen, so wird anschließend eine Einigung auf ein gemeinsames Verständnis vorgenommen („Bitte einigen Sie sich auf gemeinsame Definitionen.“) und unter Anwendung des Dreiecks bzw. Betrachtung der Wechselwirkung der Elemente reflektiert: „Wie hängen bei Ihrer aktuellen Zusammenarbeit Vertrauen, Identifikation und Strukturen zusammen? Was heißt das für die Lösung(en), die Sie entwickeln wollen?“ Auf Basis dieser Reflexion können Ableitungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit erfolgen: „Welche Lösungen ergeben sich für Sie daraus?“

Wahrnehmungserweiterung – Perspektivwechsel

Ein Perspektivwechsel sorgt dafür, dass die eigene emotionale Betroffenheit, z.B. bei einem Konflikt im Team, etwas geringer ist und so ein besserer Ressourcenzugriff entsteht. Hierzu ist im Einzel- oder Team-Coaching zunächst die Identifikation der zum Perspektivwechsel wichtigen anderen Personen (ideal: Personen, die nicht Teil der eigenen Gruppe, aber unmittelbar oder mittelbar von den Folgen ungenügender Zusammenarbeit betroffen sind) notwendig. Im zweiten Schritt wird die eigene Wahrnehmung skaliert. „Wie bewerte(n) ich/wir die Zusammenarbeit im Team auf einer Skala von eins bis zehn, wobei eine zehn ideal wäre?“ Nach derselben Vorgehensweise werden sodann die Elemente (gegenseitiges) Vertrauen, Identifikation und Strukturen bewertet. 

Es folgt der Perspektivwechsel (jeweils in jede andere Person / Abteilung / Partei): „Wie bewertet die ‚Abteilung Einkauf‘ die Zusammenarbeit in unserem Team auf einer Skala von eins bis zehn, wobei eine zehn ideal wäre?“ Erneut wird derselbe Schritt auch hinsichtlich der einzelnen Elemente (gegenseitiges) Vertrauen, Identifikation und Strukturen vorgenommen. Die durch den Perspektivwechsel gewonnenen Erkenntnisse werden der Selbstwahrnehmung gegenübergestellt und unter Einsatz des Dreiecks reflektiert:

  • Wie erklären wir uns die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Bewertung?
  • Wie hängen in unserer eigenen Bewertung und in der Bewertung durch andere, Vertrauen, Identifikation und Strukturen jeweils zusammen?
  • Was bedeuten die Erkenntnisse für unsere Zusammenarbeit?
  • Was konkret müssten wir demnach in welcher Weise ändern?

Kombination mit Teamphasen – Fast Storming

Die Teamphasen nach dem US-Psychologen Bruce Tuckman beschreiben die Entwicklung einer Gruppe (Team = Sonderform der Gruppe) in den Phasen Forming (Findungsphase), Storming (Auseinandersetzungs- und Streitphase), Norming (Übereinkommensphase) und Performing (Leistungsphase). Treten Probleme in der Zusammenarbeit auf, so sind sie in der Regel auf die Storming-Phase zurückzuführen. Zeigt sich doch hier, welche Vereinbarungen (Norming) notwendig sind, um das Storming zu beenden und letzten Endes wieder in ein Performing zu gelangen. Das Dreieck der Zusammenarbeit ist ideal für eine tiefere Reflexion der Storming-Phase. Ein möglicher Ablauf in fünf Schritten (Einzel- und Team-Coaching):

  1. Vorstellung der Teamphasen
  2. Analyse und Bewertung: Jeder Einzelne bewertet das Team in Bezug auf die Teamphase, in der es ist.
  3. Verbindung zum Dreieck: Könnte das Dreieck eine Relevanz für die Teamphase Storming haben?
  4. Reflexion: Wie hängen bei uns im Team Vertrauen, Identifikation und Strukturen zusammen? Wie wirkt sich das auf die Teamphasen / die Storming-Phase aus? Was bedeuten die Erkenntnisse für unsere Zusammenarbeit?
  5. Lösungen: Was konkret müssten wir demnach in welcher Weise ändern?

Vorraussetzungen

Es ist sinnvoll, sich selbst mit den Begriffen, die das Dreieck anbietet, auseinander zu setzen, um entspannt damit arbeiten zu können. Eigener Assoziation ist hierdurch vorzubeugen.

Persönliche Hinweise

Personen, die sich schon einmal mit dem in ähnlicher Weise angelegten Zusammenhang von Zeit, Kosten und Qualität beschäftigt haben, können in aller Regel sehr schnell an die Anwendung des Dreiecks „andocken“. Zusammenarbeit ist in vielen Management-Coachings ein Kernthema. Es geht häufig darum, Agilität, Selbstorganisation oder Collaborative Working zu fördern und zu entwickeln, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Im Change das Vertrauen zu verspielen, hat Folgen. In der Wahrnehmung des Autors fängt „das Problem“ deutlich früher an: Zusammenarbeit kann als Zustand begriffen werden. Oft ist Zusammenarbeit im eigentlichen Sinne jedoch „Mittel zum Zweck“, d.h., eine Lösung, um etwas zu erreichen. So kommt in einem Coaching vor dem Einsatz des Modells niemand an der Frage „Für welches Problem ist Zusammenarbeit eigentlich die Lösung?“ vorbei. Sehr häufig sind es die Strukturen im Unternehmen, die zur Abnahme von Identifikation und Vertrauen führen.

Technische Hinweise

Die Grafik des Dreiecks der Zusammenarbeit wird benötigt. Alternativ kann das Dreieck auch selbst gezeichnet werden. Moderatorenkoffer und Flipchart sind empfehlenswert.

Literatur

  • Janßen, Axel & Schödlbauer, Cornelia (2017). Systemisches Management-Coaching. Bonn: managerSeminare.
  • Janßen, Axel (2013). Handbuch Management Coaching. Mittenaar-Bicken: werdewelt.

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