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Beruf Coach

Coaching für Gründer

Was kann es leisten, wo kann es ansetzen?

10 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2019 am 27.02.2019

Die Zahl der Gewerbeanmeldungen in Deutschland ist rückläufig, wie das Statistische Bundesamt (2018) meldet. Es stellt sich die Frage, weshalb dies der Fall ist. Ein Erklärungsansatz könne schlicht in der demographischen Entwicklung gesehen werden, denn gründungsstarke Altersgruppen würden nach und nach schrumpfen, heißt es (DIHK, 2018; ZEW & Creditreform, 2017). In seinem aktuellen „Gründerreport 2018“, der sich auf das Jahr 2017 bezieht, zeichnet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) dennoch ein differenziertes Bild und berichtet, dass die Zahl durchgeführter IHK-Gründungsberatungen, denen bereits ein konkretes Geschäftskonzept zugrunde liegt, gegenüber dem Vorjahr nicht zurückgegangen, sondern leicht gestiegen sei. Zudem verzeichne man bundesweit verstärkten Zulauf zu entsprechenden Informationsveranstaltungen und IHK-Gründertagen. In immerhin 32 von 79 IHK-Regionen habe die Zahl persönlicher Kontakte mit Gründungsinteressierten zugenommen. Die gegenwärtig positive Konjunkturlage wecke die Neugierde in Bezug auf Existenzgründungen, so die Schlussfolgerung. 

Geht man also davon aus, dass es nicht an potenziellen Gründern mangelt, so muss die konkreter formulierte Frage lauten: Weshalb verzichten Gründungsinteressierte letztendlich darauf, ihre Pläne in die Tat umzusetzen? „Wenn die Idee der unternehmerischen Selbstständigkeit konkreter wird, springen viele Personen auch wieder ab“, schildert der DIHK in seinem Report und unterstreicht: „Gerade in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels und geringer Arbeitslosigkeit stehen die Chancen auf gute Konditionen im Angestelltenverhältnis gut.“

Nach Auffassung des Deutschen Gründerverbands e.V. sind die wesentlichen Hemmnisse, die den Weg in die Selbstständigkeit häufig versperren, hinlänglich bekannt. Dies schildert der Verband auf seiner Homepage: „Vor allem die Angst vor dem Scheitern, fehlende Planungssicherheit, die Rätsel der Bürokratie und Schwierigkeiten bei der Finanzierung erzeugen ein hohes Maß an Unsicherheit, weshalb viele potenzielle Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Ideen und Pläne nicht weiter verfolgen.“ Existenzgründer, schreibt der Verband, der sich die Förderung des Gründungsgeschehens in Deutschland zur Aufgabe gemacht hat, brauchen die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Was kann Coaching dazu beitragen? An welchen Aspekten kann es ansetzen, um Gründern Unterstützung zu leisten?

Ansätze aus der Coaching-Praxis

Um diese Fragen zu beantworten, lohnt sich zunächst der Blick in die Coaching-Praxis, auch unabhängig vom Gründer-Kontext. Coaching, so darf angenommen werden, kann vor allem dann seinen Beitrag leisten, wenn es für die Klienten darum geht, Klarheiten zu gewinnen – z.B. in Bezug auf die eigene Geschäftsidee und -philosophie. Dass Coaching – einhergehend mit einer Wertereflexion und dem Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung – in Prozesse der Geschäftsentwicklung eingeflochten werden kann, schildert Pappenheimer (2018).  

Coaching kann Klarheit in Bezug auf eigene Antreiber und Glaubenssätze schaffen, die sich bei der Umsetzung eines Vorhabens eventuell dysfunktional auswirken können. Schramm (2018) arbeitet dies am Beispiel eines konfliktbehafteten Führungsdilemmas heraus.

Der Anteil von Frauen, die die IHK-Gründungsberatung in Anspruch nehmen, beträgt – dies ist dem DIHK-Gründerreport zu entnehmen – inzwischen 44 Prozent, was einem neuen Rekordwert entspricht. Allerdings sei zu beobachten, dass viele Frauen von ihrem Gründungsvorhaben wieder abrücken, da sie Hürden bei der Vereinbarkeit von Selbstständigkeit und Familie sehen. Coaching ist geeignet, mögliche Auswirkungen einer beruflichen Entscheidung auf das Privatleben zu reflektieren und einen Abgleich mit der ebenfalls reflektierten Frage, was den Klienten im Leben wichtig ist, vorzunehmen. Wie dies aussehen kann, geht etwa aus Meier (2016) hervor. In einem Coaching, das auf dieser Reflexion aufsetzt und die Ressourcen des Klienten einbezieht, kann darüber hinaus erarbeitet werden, ob und auf welchem Wege die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie erhöht werden kann.

Präsentation der Geschäftsidee

Folgt man dem DIHK-Gründerreport 2018, so fällt es etwa 25 Prozent der Gründungsinteressierten schwer, die eigene Geschäftsidee überzeugend darzustellen. Gerade dies sei jedoch in Gesprächen mit potenziellen Investoren oder Banken und damit bei der Finanzierung entscheidend. Ein Aspekt, an dem Coaching ansetzen kann? Für Coach Ulrich Sollmann ist dies gut denkbar. Ein Gründer sollte eine interessante Geschäftsidee haben und die Sinnhaftigkeit seines Vorhabens durch Fakten belegen können, erklärt der Experte für das Zusammenspiel von Persönlichkeit, Verhaltensmustern und Körpersprache, betont jedoch zugleich: „Fakten überzeugen nicht, sondern die Person. Sie muss sich verkaufen können.“ Ein potenzieller Geldgeber wolle hinter die Kulissen schauen, den Gründer als Menschen kennenlernen und beispielsweise davon überzeugt werden, dass die Attribute, die dieser als Person transportiert, zur Zielgruppe seiner Geschäftsidee passen. Richtet sich die Idee z.B. an eine eher junge Käuferschicht, so könne es unter Umständen sinnvoll sein, als innovative und dynamische Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Dasselbe Attribut könne auf eine ältere Zielgruppe hingegen auch negativ wirken.

Die Herausforderung: Zeitgleich müsse die Glaubhaftigkeit des Auftritts gewahrt bleiben, indem sichergestellt wird, dass die erarbeitete Kommunikationsstrategie mit der Persönlichkeit des Gründers und seinen Verhaltensmustern vereinbar ist. Denn gerade in Stresssituationen wie der Präsentation einer Geschäftsidee können diese Muster verstärkt zum Ausdruck kommen, auch nonverbal. „Es geht darum, sich selbst treu zu bleiben und gleichzeitig anschlussfähig zu werden, dazwischen spielt die Musik“, bringt es Sollmann auf den Punkt.

Wie kann dies erreicht werden? Im Wahlkampf-Coaching mit Politikern oder auch bei der Arbeit mit Managern setzt Sollmann auf eine Mischung aus Vier-Augen-Gesprächen und Video-Analysen. Hierbei geht es darum, die Persönlichkeit des Klienten mit Rollenerwartungen, die aufgrund seiner beruflichen Funktion an ihn gestellt werden, in Einklang zu bringen, Widersprüchlichkeiten, die z.B. in Form von offensichtlicher Unbehaglichkeit in Erscheinung treten, aufzudecken und Wege der Vereinbarkeit von Rolle und Person zu entwickeln (Näheres hierzu im Interview des Coaching-Magazins 1/2017). Diese Methode sei auch im Gründer-Kontext anwendbar, so Sollmann.

Aus der Forschung: Bedeutung des Mindsets

Coaching grenzt sich von Formaten der reinen Wissensvermittlung ab und verfolgt stattdessen u.a. die Nutzbarmachung im Klienten angelegter Potenziale. Das Erlernen von Business-Know-how ist für Existenzgründer naheliegender Weise wichtig, um mit sachbezogenen Fragestellungen souverän umgehen zu können und somit das Vertrauen in die eigene Kompetenz zu stärken. Schließlich geht der Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz auch mit ganz „handfesten“ Herausforderungen und Fragen einher. So berichtet der DIHK in seinem Gründerreport 2018, dass 38 Prozent der Gründer, die 2017 in der IHK-Beratung waren, kaufmännische Defizite aufwiesen. Jeweils mehr als 30 Prozent hätten die Finanzierung ihres Vorhabens nicht gründlich durchdacht oder unrealistische Vorstellungen bezüglich des zu erwarteten Umsatzes. Immerhin 18 Prozent wiesen keine ausreichenden Fach- bzw. Branchenkenntnisse auf. Aber ist die Wissensvermittlung deshalb die bedeutsamste Form der Unterstützung dieser Klienten-Gruppe? Forschungsergebnisse lassen hieran Zweifel aufkommen.

Im Rahmen einer Weltbankstudie (Campos et al., 2017) sollte die Frage beantwortet werden, anhand welcher Maßnahmen Kleinunternehmertum in Entwicklungsländern effektiv gefördert werden kann. In Togo führten die Forscher eine Feldstudie mit 1.500 Kleinunternehmern durch. Die Teilnehmer wurden zu gleichen Anteilen in drei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe absolvierte eine klassische Maßnahme zur Vermittlung von Business-Wissen, während die Teilnehmer einer weiteren Kohorte eine individuell und psychologisch angelegte Maßnahme zur Förderung von Eigeninitiative erhielten (Leuphana Universität, 2017). Die Methode ziele auf die Förderung des unternehmerischen Mindsets ab, erklärt Prof. Dr. Mona Mensmann, die an der Durchführung der Studie beteiligt war, und ergänzt: „Unter Eigeninitiative verstehen wir selbstinitiiertes, zukunftsorientiertes und persistentes Handeln.“ Die Methode helfe Unternehmern durch eigenes Erleben zu verstehen, was Eigeninitiative bedeute. „In einem anschließenden Coaching werden sie bei dem Transfer der Verhaltensweisen in ihren Arbeitsalltag unterstützt.“

Eine dritte Gruppe diente Kontrollzwecken und durchlief keine Entwicklungsmaßnahme. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg wurde der Erfolg der Unternehmer ausgewertet. Das Ergebnis: Die Teilnehmer, an deren Eigeninitiative gearbeitet wurde, konnten eine deutlich positivere Gewinnsteigerung erzielen, als jene Unternehmer, die in ihrem Business-Know-how geschult wurden (Leuphana Universität, 2017).

Mensmann untersuchte die in der Studie angewandte Methode im Rahmen ihrer Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Gegenüber der Redaktion des Coaching-Magazins begründet die Psychologin, die heute als „Assistant Professor of Entrepreneurship and Innovation“ an der britischen Warwick Business School tätig ist, den gemessenen Erfolg der Methode folgendermaßen: „Ein Großteil bestehender Unternehmer-Trainings fokussiert sich auf die Vermittlung von managementbezogenem Wissen. Die Psychologie des Unternehmers oder der Unternehmerin wird hierbei weitestgehend vernachlässigt. Unternehmerischer Erfolg ist jedoch untrennbar mit unternehmerischem Handeln verbunden, und erfolgreiches unternehmerisches Handeln setzt wiederum das richtige psychologische Mindset des Unternehmers oder der Unternehmerin voraus.“ Es komme somit nicht nur auf Wissen an, vielmehr machten die richtige Einstellung und das dementsprechende Handeln den Unterschied, resümiert Mensmann.  

Sind die aus der Studie abgeleiteten Erkenntnisse auf den Gründerkontext in Deutschland übertragbar? „Auch Existenzgründer in Deutschland müssen Eigeninitiative zeigen, um ein Unternehmen erfolgreich aufzubauen. Studien aus anderen deutschen Kontexten – z.B. im Kontext der Arbeitslosigkeit – haben zudem ergeben, dass Eigeninitiative zum Erfolg verhilft“, so Mensmann. Allerdings sei denkbar, so die Psychologin, dass Existenzgründer in Deutschland bereits stärker in Richtung Eigeninitiative vorgeprägt sein könnten, beispielsweise durch kulturelle Vorgaben oder das Bildungssystem. Zusätzlich erzielte Effekte der Eigeninitiativförderung könnten dann möglicherweise schwächer ausfallen als im Rahmen der durchgeführten Studie, erläutert Mensmann. Dies müsse zukünftige Forschung allerdings noch zeigen.

Coaching für Existenzgründer

Fazit

Coaching sollte sich stets als ergebnisoffener Prozess gestalten. Es kann daher nicht Sinn und Zweck sein, im Coaching mit Gründungsinteressierten „Überzeugungsarbeit“ zu leisten, wenngleich mehr Gründungsaktivität aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive betrachtet sicherlich wünschenswert wäre. Hier ist jedoch allen voran die Politik gefragt, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Im Coaching kann reflektiert und hinterfragt werden, ob eine zu den eigenen Lebensvorstellungen des Klienten passende und zugleich – im Sinne verfügbarer (z.B. zeitlicher oder finanzieller) Ressourcen – umsetzbare Entscheidung getroffen wurde. Dies könnte sich, sollte die Bilanz positiv ausfallen, förderlich auf die Kontrollüberzeugung (Überzeugung, über die für eine Umsetzung eines Vorhabens notwendigen Ressourcen zu verfügen) der Gründungsinteressierten auswirken. Kontrollüberzeugung kann – hierauf weisen Kanning und Finke (2018) in einem anderen Kontext hin – wiederum positive Effekte in Bezug auf die Absicht haben, ein Vorhaben tatsächlich anzugehen.

Geht das Gründungsvorhaben in die Umsetzung, so kann im Coaching, wie anhand der Präsentation der Geschäftsidee illustriert wurde, ganz konkrete Unterstützung geleistet werden, die über die bloße Vermittlung von Business-Wissen hinausreicht. Gerade Letzteres scheint bedeutsam zu sein, geben die dargestellten Studienergebnisse doch Anlass zur Vermutung, dass sich insbesondere jene Entwicklungsmaßnahmen fördernd auswirken können, die sich nicht an reiner Wissensvermittlung abarbeiten, sondern auch das psychologische Mindset des Gründers berücksichtigen.

Literatur

  • Campos, Francisco; Frese, Michael; Goldstein, Markus; Iacovone, Leonardo; Johnson, Hillary C.; McKenzie, David & Mensmann, Mona (2017). Teaching personal initiative beats traditional training in boosting small business in West Africa. Science, 38, S. 1287–1290.
  • DIHK (2018). Endlich mehr Gründungsinteresse – Politik muss jetzt liefern. DIHK-Gründerreport 2018. Abgerufen am 15.10.2018: www.dihk.de/presse/meldungen/2018-07-03-dihk-gruenderreport.
  • Kanning, Uwe P. & Finke, Sarah (2018). Warum setzen Unternehmen Coaching ein? Coaching-Magazin, 4, S. 50–54.
  • Leuphana Universität (2017). Für Kleinunternehmer ist Eigeninitiative wichtiger als Business-Knowhow. Abgerufen am 15.10.2018: www.leuphana.de/news/meldungen-forschung/ansicht/datum/2017/09/25/ergebnisse-einer-weltbank-studie-mit-leuphana-beteiligung-in-science-publiziert.html.
  • Meier, Nina (2016). Karriere oder Familie – oder beides? Coaching-Magazin, 2, S. 26–30.
  • Pappenheimer, Albert (2018). Business-Development-Coaching. Coaching-Magazin, 1, S. 22–26.
  • Schramm, Tobias (2018). Dysfunktionale Führung in einem Kleinunternehmen. Coaching-Magazin, 2, S. 27–31.
  • Statistisches Bundesamt (2018). Gewerbeanmeldungen in Deutschland 2015 bis 2017 nach Wirtschaftszweigen. Abgerufen am 15.10.2018: www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/Gewerbemeldungen/Tabellen/TabellenGewerbemeldungen.html.
  • ZEW & Creditreform (2017). Gründungstätigkeit trotzt der Demographie. JUNGE Unternehmen, 7, S. 1–3.

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