Als Coach steht man mitunter vor der Qual der (Methoden-)Wahl. Welcher Coach kennt sie nicht, die Frage nach dem bestmöglichen Vorgehen für die eigenen Klienten. Schließlich möchte man diese doch möglichst wirkungsvoll unterstützen. Beim Blick in die vielfältigen Coaching-Publikationen erkennt man schnell: Die Auswahl an Optionen ist überwältigend. Mehr noch: Es gibt vielfältigste – oftmals sehr attraktiv aufbereitete – Antworten auf die entscheidende Frage: Was macht Coaching wirksam? Unsicherheit hinsichtlich eines optimalen Vorgehens ist nicht selten die Folge.
Hier kann ein Blick in die Coaching-Forschung für Klarheit sorgen. Denn bei genauerem Hinsehen sind es nicht ausgefeilte Methoden und Techniken, die zur Wirksamkeit von Coaching beitragen, sondern eher grundlegende Faktoren. Häufig drücken sie sich als charakteristische Haltung aus: Eine wertschätzende Beziehungsgestaltung oder der Blick auf die Potenziale von Klienten gehören sicher dazu. Man könnte auch sagen: Nicht alles, was – oberflächlich betrachtet – Wirksamkeit verspricht, weil beispielsweise attraktive Wirkungsversprechen gegeben oder Methoden ansprechend präsentiert werden, trägt auch tatsächlich zu einem erfolgreichen Coaching bei. Was also tun? Woran soll man sich als Coach orientieren? Das Nutzen der eigenen – idealerweise großen – Erfahrung kann ein guter Ansatzpunkt sein. Darüber hinaus bietet die Coaching-Forschung vielversprechende Antworten. Um diese soll es hier gehen. Es gilt, den Blick auf die wirksamen Dinge zu richten! Im Mittelpunkt stehen die Wirkfaktoren von Coaching.
In der Wissenschaft werden erfolgsrelevante Variablen als „Erfolgsfaktoren“ oder „Wirkfaktoren“ beschrieben. Eine Definition könnte folgendermaßen lauten: Ein Wirkfaktor ist ein Kriterium, das zum Erfolg eines Coachings beiträgt. Erfolgreich ist ein Coaching dann, wenn die vereinbarten Ziele oder andere, im Rahmen einer Evaluation als positiv definierte Ergebnisse erreicht werden. Wirk- bzw. Erfolgsfaktoren können sowohl Merkmale der direkten Zusammenarbeit zwischen Coach und Klient sein als auch im organisationalen Kontext des Klienten verortet liegen. Ergänzend zu Greifs (2008; S. 278) Definition wird hier die Auffassung vertreten, dass Wirkfaktoren auch außerhalb der direkten Zusammenarbeit zwischen Coach und Klient lokalisiert sein können.
Die Frage nach den Wirkfaktoren von Coaching gewinnt im Fachdiskurs vermehrt Bedeutung. Dies ist nachvollziehbar. Denn damit ein Coaching gezielt auf Grundlage wissensbasierter und wirksamkeitsorientierter Entscheidungen gestaltet werden kann, sind vertiefte Einblicke in die Wirkungsmechanismen nötig. Kurzum: Es sollte klar sein, welche Faktoren zur Wirksamkeit von Coaching beitragen, damit diese gezielt berücksichtigt werden können. Die Intention dabei: Die Wahrscheinlichkeit für ein erfolgreiches bzw. wirksames Coaching zu erhöhen. Allerdings ist die empirische Grundlage zur Wirksamkeit und den Wirkfaktoren von Coaching noch ausbaufähig. Es gibt zwar mittlerweile mehrere Studien, die sich dieser Thematik widmen, verglichen mit der Forschung im Bereich der Psychotherapie auf diesem Gebiet existiert hier jedoch noch großer Nachholbedarf.
Diese Ausgangssituation ist der Bezugsrahmen für das diesem Aufsatz zugrunde liegende Forschungsvorhaben. Um die empirische Basis zur Thematik weiter zu stärken, liegt der Schwerpunkt auf einer systematischen Übersicht zur Thematik. Auf diese richtet sich in diesem Aufsatz das Augenmerk. Darüber hinaus fragt eine qualitative Erhebung nach der Realisierung von Wirkfaktoren im hypnosystemischen Coaching. Abbildung 1 illustriert wichtige Schritte der Studie.
Um die zentrale Frage „Was macht Coaching wirksam?“ mehrperspektivisch und fundiert zu beantworten, orientierte sich das Vorgehen an anerkannten Standards für die Durchführung systematischer Reviews (Centre for Reviews and Dissemination, 2008; Petticrew & Roberts, 2006). Folgende Schritte dienten als Grundlage:
Die Recherche erfolgte auf verschiedenen Ebenen: In einem ersten Schritt wurden das in vielen wissenschaftlichen Publikationen positiv konnotierte Wirkmodell von Greif (2008) und die damit verbundenen Studien zugrunde gelegt. Mittels definierter Suchbegriffe erfolgte die Recherche darüber hinaus z.B. in Forschungsdatenbanken, einschlägigen Fachzeitschriften sowie im Online-Portal Coaching-Report.
Als Ergebnis der Recherche entsprachen 33 deutsch- und englischsprachige Untersuchungen den definierten Kriterien, davon basierten 16 auf einem qualitativen Forschungsdesign. Die Studien wurden systematisch ausgewertet und auf Grundlage anerkannter Gütekriterien bewertet. Die Zusammenführung und Systematisierung der Ergebnisse erfolgte mittels einer narrativen Synthese. Diese ist ein im Kontext von systematischen Reviews bewährtes Verfahren, die Ergebnisse unterschiedlicher Studien auf geordnete Weise zusammenzuführen.
Insgesamt konnten in den Studien 16 Wirkfaktoren extrahiert werden. Diese wurden auf vier Ebenen systematisiert. So gibt es Wirkfaktoren, die in Verbindung mit der Arbeitsbeziehung stehen, während andere eher Strategien und Techniken, das Kommunikationsverhalten des Coachs oder das organisationale Umfeld des Klienten betreffen. Die Tabelle gibt eine Übersicht über die identifizierten Wirkfaktoren, inhaltliche Charakteristika und die Anzahl der zugrunde liegenden Studien.
Bei der Betrachtung der einzelnen Wirkfaktoren fällt auf, dass sich deren empirische Basis sehr unterschiedlich gestaltet. So können sich einerseits im Bereich der Arbeitsbeziehung die Wirkfaktoren Wertschätzung, Empathie und emotionale Unterstützung sowie Vertrauen auf eine verhältnismäßig große Anzahl von zwölf bzw. 14 Studien berufen. Auf der anderen Seite fallen Wirkfaktoren auf, die bisher auf einer relativ schwachen empirischen Grundlage von einer oder zwei Studien basieren. Daneben existieren mehrere Wirkfaktoren, die sich im mittleren Bereich von ca. vier bis sieben zugrunde liegenden Studien ansiedeln. Aus dieser ungleichen empirischen Grundlage Schlüsse hinsichtlich der Relevanz einzelner Wirkfaktoren für ein effektives Coaching abzuleiten, wäre wenig zielführend. Stattdessen könnte dieser Umstand auch auf ein entsprechendes Forschungsdefizit bei Wirkfaktoren hinweisen, die sich auf weniger Studien berufen können.
In einem nächsten Schritt wurden die Wirkfaktoren in einem Wirkmodell systematisiert. Dieses basiert auf dem Modell von Greif (2008), erweitert es aber in mehreren Punkten um aktuelle Forschungsergebnisse. Da das Modell – im Sinne einer allgemeinen Theorie über Wirkungsmechanismen im Coaching – auch Kontextfaktoren berücksichtigt, wird es als ganzheitliches bzw. holistisches Wirkmodell (siehe Abb. 2) bezeichnet. Dazu vorab einige „Gebrauchsinformationen“: Das Modell stellt einen Versuch dar, das komplexe Wirkgefüge von Coaching-Prozessen abzubilden. Es ist notwendigerweise ein Konstrukt mit vorläufigem Charakter, das nicht mit der Wirklichkeit verwechselt werden sollte. Oder in den Worten des Philosophen Alfred Korzybski: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet.“ Das Modell sollte nicht dazu anregen, Erfolge im Coaching linear-kausal durch eine Realisierung einzelner Wirkfaktoren zu erklären. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Wirkung im Coaching durch komplexe und zirkuläre Interaktionsprozesse zwischen Coach, Klient und Kontextfaktoren erzielt wird.
Im Modell werden bei den Voraussetzungen die erfolgsrelevanten Eigenschaften von Coach und Klient zugrunde gelegt. Der Klient ist dabei in der Regel in einen organisationalen Kontext eingebunden und sollte sich idealerweise durch Engagement, Offenheit, Beharrlichkeit, Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung auszeichnen. Der Coach hat entweder Berührungspunkte mit der Organisation (z.B. im Fall einer Beauftragung durch die Personalentwicklung) oder er agiert – bei einer privaten Beauftragung durch den Klienten – außerhalb eines Unternehmens. Er sollte z.B. Empathie, fachliche Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit in das Coaching einbringen.
Mögliche Unterstützungsleistungen aus dem organisationalen Umfeld des Klienten (z.B. durch eine positive Einstellung, finanzielle Mittel oder Feedback) sind im Modell sowohl auf der Voraussetzungs- als auch auf der Prozessebene als Wirkfaktor organisationale Unterstützung (OU) angesiedelt.
Im Prozess stellen die Wirkfaktoren (siehe Abb. 2) Fragenstellen (FS), Zuhören (ZH) und Feedback (FB) den kommunikativen Rahmen dar, in dem die anderen Wirkfaktoren realisiert werden. Eine Stufe tiefer basiert das Modell auf der Prämisse, dass das Vorgehen an die Persönlichkeit und die Situation des Klienten angepasst werden sollte (Individuelle Analyse und Anpassung, IAA). Die Arbeitsbeziehung basierend auf Empathie, Wertschätzung und emotionaler Unterstützung (EWU), Vertrauen (V), Kollaboration, Commitment und Übereinstimmung (KCÜ) sowie gegebenenfalls eines selbstbewussten / dominanten Auftretens (D) wird als Grundlage für die Realisierung der weiteren Wirkfaktoren (Zielklärung und -konkretisierung, ZK; Ressourcenaktivierung, RA; Ergebnisorientierte Problemreflexion, EPR; Ergebnisorientierte Selbstreflexion, ESR; Evaluation im Verlauf, EV und Umsetzungsunterstützung, UU) betrachtet. Zudem sollte sich der Prozess in einem angemessenen Rahmen durch eine methodische Vielfalt (MV) auszeichnen.
Rechts im Modell (Abb. 2) werden als Ergebnisse die allgemeinen und spezifischen Wirkungen von Coaching dargestellt. Allgemeine Erfolge sind z.B. der Zielerreichungsgrad oder die generelle Zufriedenheit mit dem Coaching. Spezifische Erfolge stehen in stärkerer Verbindung mit dem Anliegen des Klienten. Dazu gehören beispielsweise Verbesserungen des Führungsverhaltens und Selbstmanagements, Leistungssteigerungen, Einstellungsveränderungen oder eine größere Klarheit über die Situation bzw. die eigenen Gefühle.
Die Zusammenführung qualitativer und quantitativer Studien wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert. Der Vergleich von „Äpfeln mit Birnen“ ist dabei ein häufig zu vernehmendes Argument, zusammen mit dem Hinweis auf unterschiedliche wissenschaftstheoretische und forschungspraktische Hintergründe. Und tatsächlich kann man die Synthese von Ergebnissen qualitativer Studien mit Ergebnissen quantitativer Untersuchungen in einem Modell hinterfragen. Unter einem naturwissenschaftlich-positivistischen Blickwinkel ist das kritisch zu bewerten, denn: „There is an uneasy fit between the frame offered by conventional systematic reviews and the assumptions and research practices associated with qualitative research“ (Dixon-Woods et al., 2006; S. 40).
Betrachtet man diese Zusammenführung hingegen unter einer komplementären Perspektive und orientiert sich zudem im Sinne möglichst vielschichtiger Ergebnisse am Triangulationsgedanken, erscheint diese Synthese durchaus vorteilhaft. So verdankt das holistische Wirkmodell seine Mehrperspektivität in vielen Punkten gerade erst der Kombination qualitativer und quantitativer Ergebnisse. Auch muss hier kritisch erwähnt werden, dass die Qualität der einbezogenen Studien unterschiedlich ist. Das Spektrum reicht von anspruchsvollen Untersuchungsdesigns und einer starken Orientierung an Gütekriterien bis hin zu weniger ambitioniert wirkenden Projekten, wobei jedoch in sämtlichen Arbeiten eine wissenschaftliche Arbeitsweise feststellbar ist.
Hinsichtlich der Methodik ist außerdem anzumerken, dass bei der Erstellung von Reviews in der Regel ein Forscherteam beteiligt ist, um subjektive Verzerrungen zu minimieren und die Qualität der Ergebnisse zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund versteht sich das Modell als pointierte Synthese des zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügbaren Wissens über Wirkfaktoren im Coaching.
Und was bedeuten die Ergebnisse für die Coaching-Praxis und die Qual der (Methoden-)Wahl? Zunächst einmal liegt darin die Botschaft, dass es im Coaching nicht auf die Anwendung möglichst vieler und innovativer Techniken ankommt. Gewiss, ein Coaching sollte methodisch sorgfältig durchgeführt werden, doch den Fokus ausschließlich auf die Methoden zu richten, verstellt den Blick für das Wesentliche. Denn es sind viel grundlegendere Dinge, auf die es ankommt, wenn ein Coaching erfolgreich sein soll. Mit Blick auf die eigene Praxis könnte man sich als Coach, der für die eigenen Klienten wirksam sein will, gelegentlich Reflexionsfragen stellen wie z.B.:
Mit Fragen wie diesen könnte man den Blick verstärkt auf die wirksamen Dinge richten. Aus konstruktivistischer Perspektive ließe sich dadurch die Wirklichkeit der Klienten positiv beeinflussen. Oder in den Worten von Kurt Lewin, einem bedeutenden Psychologen des 20. Jahrhunderts: „Wirklich ist, was wirkt“.
Dieser Text basiert in Teilen auf Lindart, Marc (2016). Was Coaching wirksam macht. Wirkfaktoren von Coachingprozessen im Fokus. Wiesbaden: Springer.