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Wissenschaft

Erkennen Coaches einen Psychotherapiebedarf ihrer Klienten?

Eine Pilotstudie weckt Zweifel

Coaching von Psychotherapie abzugrenzen ist sinnvoll und notwendig. Schließlich geht es in der Therapie um die Heilung psychischer Krankheiten. Und diese erachtet der Gesetzgeber in Deutschland als erlaubnispflichtig. Wie passt dazu, dass im Coaching häufig psychotherapeutische Konzepte und Methoden zur Anwendung kommen? Navigieren Coaches in einem rechtlichen Graubereich? Und kennen sie ihre Grenzen?

14 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2016 am 24.02.2016

Ein Graubereich in Deutschland

Der Gesetzgeber hat in Deutschland nicht geregelt, wer sich Coach nennen darf, noch was Coaching ist oder ein Coach in der Praxis alles darf oder soll. Das kann verwundern, unterliegen doch andere Berufe wie beispielsweise Ärzte und Psychotherapeuten einer starken Reglementierung.

Das Psychotherapeutengesetz (PsychThG) von 1998 beschäftigt sich inhaltlich damit, was alles zur Psychotherapie zählt und wer sie unter welchen Bedingungen ausüben darf. Grob zusammengefasst listet es die zur Psychotherapie gehörenden Verfahren auf und definiert, dass man als Psychotherapeut ein Psychologie- oder Medizinstudium abgeschlossen und eine mehrjährige Zusatzausbildung absolviert haben muss. Wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann durch eine Approbationsprüfung den Titel erlangen.

Ergänzt wird das PsychThG vom Heilpraktikergesetz (HeilprG), das die vom PsychThG nicht abgedeckten allgemeinen Fälle von ausgeübter Heilkunde definiert. Damit deckt es auch die im PsychThG nicht enthaltenen Bereiche der allgemeinen Linderung von Leiden ab. Auch der Heilpraktiker benötigt eine Heilerlaubnis.

Wer nun wissen möchte, was als Leiden gilt, findet dazu reichlich Antworten in den gängigen Krankheitskatalogen. In Deutschland ist die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) relevant. Dieser Katalog wird turnusmäßig von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben und aktualisiert – inzwischen liegt er in der elften Version vor. Vornehmlich werden dort körperliche Krankheiten für Ärzte gelistet und mit Diagnosekriterien angereichert. In Kapitel F werden die fürs Coaching besonders relevanten psychischen Krankheiten beschrieben, also definiert, was eigentlich eine Depression oder Angststörung genau ist. Kennt man diese Klassifikation nicht, muss es folglich schwerfallen, sicherzustellen, als Coach wirklich nur gesunde Klienten im Sinne der gängigen Definition zu begleiten.

Wie unsicher Coaching als Disziplin auf diesem rechtlichen Gebiet noch ist, zeigt sich beispielhaft am Artikel von Meier (2015). Sie sagt richtigerweise, dass man als Coach ohne therapeutischen Hintergrund keine psychischen Krankheiten behandeln darf. Sie zerlegt allerdings im unmittelbaren Anschluss als vermeintliche Lösung des Problems einfach die Krankheit in ihre Symptome und wähnt sich somit auf der sicheren Seite:

„Im Umkehrschluss ist es erlaubt, wenn man eine Beratung, ein Training oder ein Coaching u.a. zu den folgenden Beschwerden bzw. Themen anbietet: Lernschwäche, Schlafstörung (…)“ (Meier, 2015; 40).

Ihr fehlt jedoch offensichtlich – wie vermutlich vielen anderen Coaches – die Fachkenntnis, um zu erkennen, dass Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Grübeleien und fehlende Motivation für sich genommen zwar normal, in Kombination aber Hinweis auf eine Depression sein können. Darf man es sich so leicht machen?

Soll Nichtwissen vor Strafe schützen nach dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“? Dann müsste man lediglich mit Verweis auf § 1 Abs. 3 Satz 3 PsychThG erklären, dass man sich lediglich mit der „Aufbereitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige[n] Zwecke[n] außerhalb der Heilkunde“ beschäftige, um dem Therapievorbehalt zu entgehen.

Eine solche Argumentation ist tautologisch und käme einer „Generalabsolution“ gleich. Auch Fußgänger ohne Führerschein müssen sich aber an die Straßenverkehrsordnung halten. Daher wäre zu raten, die entsprechenden Störungen sowie Gesetze zu kennen, für sich Implikationen ableiten zu können und im Zweifelsfall die Abklärung einer potenziellen Störung durch den Experten abzuwarten.

Leider ist die gegenwärtig verfügbare Coaching-Literatur alles andere als eine zuverlässige Quelle, wenn es um die Abgrenzung von Psychotherapie und Coaching geht. Faktisch wird zwar in vielen Beiträgen betont, dass sich Coaching an „gesunde“ und Psychotherapie an „psychisch kranke“ Menschen richtet (Rauen & Eversmann, 2014). Solche Äußerungen bleiben aber zu abstrakt. Man überlässt es dem (hoffentlich) gesunden Menschenverstand des Lesers, sich seinen Reim darauf zu machen.

Ähnlich verhält es sich leider oft auch bei Coaching-Verbänden, die durch ihre Aufnahmeregularien und Zertifizierungen in einer idealen Position wären, um die Professionalisierung auf diesem wichtigen Gebiet federführend voranzutreiben.

Das Forschungsprojekt

Es sollte untersucht werden: Kann man sich als Coaching-Aspirant darauf verlassen, bei einer Coaching-Anfrage entsprechend arte legis behandelt zu werden? Also bei potenziellem Psychotherapiebedarf abgelehnt und an einen ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten verwiesen zu werden? Haben hier Coaches entsprechendes Wissen und Problembewusstsein? Gibt es Unterschiede zwischen psychologisch ausgebildeten Coaches und solchen anderer Provenienz? Welche Effekte haben die Berufserfahrung, die Mitgliedschaft in einem Coaching-Verband, eine Coaching-Weiterbildung?

Studiendesign

Es konnte für diese Studie kaum auf vorhandenem Wissen aufgebaut werden (Grimmer & Neukom, 2010). Daher bot sich ein qualitatives Vorgehen auf Basis von Interviews mit wenigen Teilnehmern eher an als eine großangelegte quantitative Befragung. Wichtig war es primär, die Validität, also die Nähe zum Alltag der Coaches herzustellen, um zu verstehen, wie Coaches handeln und argumentieren.

Deswegen wurden den Teilnehmern fünf fiktive Coaching-Anfragen präsentiert. Drei davon deuteten – für das geschulte Auge eindeutig – auf einen Psychotherapiebedarf hin (Depression, Anpassungsstörung, Angststörung), andere waren unbedenklich und wurden in der Studie als Distraktor eingesetzt. Um praxisnahe Beispiele zu finden, bieten sich die Websites von Coaches, die über ihre nach eigenen Angaben gelösten Fälle berichten, unmittelbar an. Nach einer Sichtung verfügbarer Quellen wurden einige ausgewählt und teilweise um weitere Symptome gezielt ergänzt.

Die folgenden Fallgeschichten sind eine zwecks Personenschutz verfremdete Darstellung verschiedener Fälle. Zunächst wird eine unbedenkliche Fallgeschichte, die als Distraktor in der eigenen Studie eingesetzt wurde, vorgestellt:

„Michaela G. wurde nach ihrer Ausbildung im Personalmanagement in einer großen Bank und mehreren Jahren Berufserfahrung in demselben Unternehmen eine Stelle als Projektleiterin angeboten. Auf der einen Seite ist sie sehr gespannt auf diese neue Aufgabe und freut sich, da sie hier ihr Fachwissen einbringen kann. Auf der anderen Seite ist sie verunsichert, da sie fürchtet, ihre Kollegen könnten sie nicht als neue Führungskraft akzeptieren. Obendrein hat Michaela G. noch keinerlei Vorstellung davon, welche ihrer künftigen Aufgaben sie delegieren und wie sie zielführende Gespräche mit ihren Mitarbeitern führen kann. Deshalb möchte sie sich bestmöglich auf die neue Herausforderung vorbereiten.“

Nun folgt eine Fallgeschichte, die unter das Modewort „Burnout“ gefasst werden könnte. Die in den ausgesuchten ursprünglichen Falldarstellungen schon anklingenden depressiven Tendenzen, die jedoch nicht als ausschlaggebend zu bewerten sind, wurden für das Forschungsprojekt um weitere Symptome einer depressiven Störung angereichert, sodass sie zweifelsfrei die Kriterien einer ICD-Ziffer F 32.0 (leichte depressive Episode) bis F 32.10 (mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom) erfüllen.

So wäre der Coach in der Verantwortung, den Verdacht einer Depression vom Fachexperten abklären zu lassen und das Coaching gegebenenfalls sogar zugunsten einer ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung zurückzustellen:

„Der Jurist Dietrich A. ist in einem Verlag angestellt. Neben seiner eigenen Arbeit übernimmt er seit einem halben Jahr auch die Arbeit einer Kollegin, die ein Sabbatical nimmt, was ihm sehr auf die Stimmung schlägt. Dietrich A. arbeitet deshalb nicht selten zwölf Stunden am Tag und weiß dennoch nicht, wie er alles schaffen soll. Er ist ständig erschöpft, schläft kaum noch durch. Sein Vorgesetzter lässt nicht mit sich reden und erkennt die Mehrbelastung nicht an, Besserung scheint nicht in Sicht. […] So hat Dietrich A. das Gefühl, gegen das Übermaß an Arbeit machtlos zu sein. Seine Arbeit weist immer häufiger Fehler auf, alles wird zunehmend chaotisch und er macht sich Vorwürfe. Er reagiert immer öfter gereizt, was auch Auswirkung auf seine Ehe zeigt, und fühlt sich überfordert.“

Diese Fälle sollten dann von den teilnehmenden Coaches in Bezug auf einen Arbeitskontrakt (Coaching-Anfrage: Annahme oder Ablehnung) bewertet werden. Es sollte auch eingeschätzt werden, wie repräsentativ solche Fallvignetten für die eigene Arbeit sind, wie schwerwiegend diese erscheinen und welche Hypothesen oder Fantasien dem Coach dabei durch den Kopf gehen. Zusätzlich sollten noch mögliche Vorgehensweisen geäußert werden.

Damit den Coaches nicht sofort klar werden konnte, worum es gehen würde, was die Gefahr beinhaltet hätte, gefilterte Antworten zu bekommen, wurde eine Coverstory erfunden: Es gehe um den Abgleich der theoretischen, psychologischen Modelle mit denen der Praxis. Nach Abschluss der Erhebung wurden die teilnehmenden Coaches per E-Mail über den wahren Hintergrund der Studie informiert. Auf Wunsch wurden ihnen detaillierte Resultate zum eigenen Abschneiden geliefert.

Aufgrund des hohen Erhebungsaufwands und der begrenzten Zeit, die eine Bachelorarbeit zulässt, wurde eine Stichprobengröße von etwa zehn Coaches angepeilt. Die Suche wurde auf den Kölner Raum fokussiert. Letztlich haben elf Coaches an der Studie teilgenommen.


Untersuchungsstichprobe

Insgesamt wurden 18 Coaches direkt via Google gefunden, weitere 20 über die RAUEN Coach-Datenbank sowie weitere elf via www.therapeutenfinder.com.

Erstaunlich war der geringe Rücklauf: Lediglich 41 Prozent reagierten auf eine Kontaktaufnahme via Mail. Eine Zusage zum Interview gaben nur noch acht (16 Prozent) der auf diesem Weg gefundenen Coaches. Zusätzlich konnten noch drei weitere Coaches über direkte Kontaktempfehlungen rekrutiert werden, was sich deutlich weniger aufwändig gestaltete.

Die Geschlechterverteilung der Coaches ist nahezu ausgewogen (m: 55 Prozent, w: 45 Prozent). Das Alter liegt zwischen 39 und 66 Jahren (Mittelwert: 51 Jahre), die Berufserfahrung im Durchschnitt bei 16 Jahren. Die Mehrheit der Teilnehmer (73 Prozent) hat studiert, davon die Hälfte Psychologie. Zwei Teilnehmer sind approbierte Psychotherapeuten, eine weitere Teilnehmerin hat die Zulassung als Heilpraktikerin. Ungefähr zwei Drittel der Teilnehmer (64 Prozent) hat eine Coaching-Weiterbildung absolviert. Nur ein einziger Teilnehmer der Studie ist Mitglied in einem Coaching-Verband.

Ergebnisse

Die 20 bis 45-minütigen Interviews wurden mitgeschnitten und inhaltsanalytisch ausgewertet. Wobei die Untersuchung eines erkannten Psychotherapiebedarfs im Zentrum stand.  

Die Reaktionen der Studienteilnehmer auf die oben exemplarisch aufgeführte Fallgeschichte, die eindeutig den Verdacht auf eine Depression aufwirft, sind unerfreulich: Die Anfrage würde von keinem der befragten Teilnehmer abgelehnt. Die veranschlagte Coaching-Dauer wurde auf durchschnittliche 6,77 Stunden (SD=3,49) geschätzt, der Schweregrad gemittelt auf 48 Prozent (SD=13,04) taxiert. Keiner der teilnehmenden Coaches hat hier den potenziellen Behandlungsbedarf erkannt.  

Auch die anderen beiden, auf klinisch relevant getrimmten Fallgeschichten (Anpassungsstörung, Angststörung) bewegten, obwohl die klinische Bedeutsamkeit einmal von drei, einmal von vier Coaches erkannt wurde, jeweils nur eine Person dazu, die Coaching-Anfrage abzulehnen. Vier von elf Coaches erkannten in keinem Fall eine Therapieindikation.

Diskussion

Die Ergebnisse, die auf der Befragung einer kleinen Stichprobe basieren, sind sicher noch mit Vorsicht zu genießen und es bedarf weiterer Forschung, um sie abzusichern. Trotzdem können und sollten sie nachdenklich stimmen: Ein Ratsuchender mit Psychotherapiebedarf kann sich offenbar nicht darauf verlassen, dass ein Coach seinen Bedarf in jedem Fall erkennt, deswegen seine Anfrage ablehnt und ihn an einen fachkundigen Psychotherapeuten verweist. Auch das Wissen um die alltäglich anzutreffenden psychischen Störungen ist nicht in der Form vorhanden, dass es sich in Handlungen umsetzen ließe.

Lediglich bei den Coaches, die Psychologie studiert haben oder eine Heilzulassung nach PsychThG oder HeilprG besitzen, wurde überhaupt ein Handlungsfeld in Richtung Psychotherapie erkannt.

Präsentiert man den teilnehmenden Coaches eine Klientengeschichte mit klar klinisch relevanten Symptomen und fragt nach ihren Gedanken und Verhaltenstendenzen, so bekommt man diverse Ideen fürs Coaching präsentiert. Dass aber ein sehr tief greifendes Problem auf Seite des Klienten vorliegen könnte, wird in der Regel nicht erkannt. Im Gegenteil: Die nichtpsychotherapeutisch „vorbelasteten“ Coaches unterstellen ihren Kollegen eher einen pathologisierenden Blick und halten sich selbst für realistisch und abgeklärt („Burnout, das ist doch unser täglich‘ Brot“).

Ein weiteres Ergebnis der Studie könnte zudem nachdenklich machen: Während die psychotherapeutisch geprägten Coaches den Kontakt zu anderen Kollegen suchen, um sich mittels Supervision unterstützen zu lassen, ist das Kontaktverhalten der nicht psychologisch bzw. therapeutisch vorgeprägten Kollegen primär auf Auftragsakquisition ausgerichtet.

Die teilnehmenden Coaches, die keine dezidierte Orientierung über Psychopathologien besitzen, begeben sich offenbar leichtfertig auf rechtlich wie moralisch fragwürdiges Gebiet, da sie gegebenenfalls krankheitswertige Symptome ohne entsprechende Fachkenntnis und Erlaubnis angehen und behandeln. Damit machen sie sich potenziell strafbar.

Fazit

Welche berufspolitischen Schlüsse könnte oder sollte man aus den Ergebnissen der Pilotstudie ziehen? Zunächst könnte man anführen, dass der Begriff Coaching inzwischen inflationär für Alles und Jedes benutzt wird. Wenn die Grenzen unsicher sind, sich heute also auch gewöhnliche Friseure gelegentlich Frisur-Coach nennen mögen, muss man in der Regel von diesen keine spezielle psychodiagnostische Expertise erwarten. Mögen sich bei diesen auch gelegentlich Psychodramen um nicht gefallende Frisuren abspielen und Friseure sich als Hobby-Psychologen versuchen. Das wäre unter der Kategorie allgemeines Lebensrisiko abzuhaken.

Anders auf der anderen Seite der Kompetenz: Mit der gleichen Strenge, mit der wir die Coaches bewerten, sollten wir auch ärztliches Handeln bewerten. Nun wird aber geschätzt, dass Hausärzte nur ungefähr die Hälfte klinisch bedeutsamer Depressionen erkennen. Von diesen erkannten Fällen erhält zudem nur ein Bruchteil eine leitlinienkonforme Behandlung (Jacobi et al., 2012). Ein ebenfalls bedenkliches Zeugnis.

Man möge die Autoren hier nicht missverstehen, es sollen nicht die eigenen Befunde relativiert und argumentiert werden, dass diese – an einem solchen Außenkriterium gemessen – doch eher normal erscheinen. Jede nicht entdeckte und falsch behandelte Depression ist eine zu viel. Die Konsequenz kann daher nur lauten, die Sensibilität der Akteure insgesamt zu erhöhen, beispielsweise durch verbesserte Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Seit Jahren werden in der Coaching-Szene unter dem Stichwort Professionalisierung drei Vorschläge diskutiert. Der Markt, die Verbände oder der Staat müssten Coaching (mehr) regulieren. Gibt es hier einen Königsweg?

  • Der Staat: Es ist nicht erkennbar, dass der Staat in Deutschland Coaching regulieren will. Aus Ländern, in denen dies geschehen ist, hier sei Österreich genannt, hört man auch kritische Stimmen, das Problem sei nicht grundsätzlich gelöst, sondern nur verschoben worden. Internationale Normen (wie: ISO 10075, ISO 17024) oder Initiativen wie die Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) können nur mittelbar regulierend wirken.

  • Der Markt: Man mag noch lange auf Präzedenzfälle, Skandale und juristische Auseinandersetzungen warten, ob und was sie verändern werden, ist ungewiss. Der Markt ist breit und bunt. Und dem Einzelnen steht es frei, sich zu informieren und abzuwägen. Immerhin haben sich inzwischen die Verbraucherschützer mit Empfehlungen zur Coach-Weiterbildung positioniert (Stiftung Warentest, 2013). Darin sind unter dem Kapitel 5.5 „Abgrenzungen zur Psychotherapie“ eindeutig enthalten. Der Verbraucher kann bei der Coach-Auswahl darauf und auf weitere Informationen der Stiftung Warentest Bezug nehmen.

  • Die Verbände: Hier ist Diversität zu beobachten. In einigen Verbänden ist das Thema offenbar auf die Agenda gelangt, in anderen nicht oder weniger. Der sogenannte Roundtable der Coachingverbände (2015), eine Plattform von mittlerweile zwölf Coaching-Verbänden, hat sich bislang lediglich auf einige Basisaussagen verständigt, die auch das Thema Abgrenzung von Coaching zur Psychotherapie beinhalten. Diese sind jedoch rein deklamatorisch. Hier wäre mehr möglich und wünschenswert.

Das Thema Grundkenntnisse in Psychopathologie gehört ins Curriculum einer jeden Coaching-Weiterbildung – und nicht nur in die Rubrik „zum Abhaken“, sondern in die des lebenslangen Lernens. Das müsste erklärtes Ziel und Standard in der Branche werden. In Zusammenhang mit verpflichtenden Ethik-Kodizes und einem Qualitätsmanagement würde dies die Reputation von Coaches steigern und die weitere Professionalisierung unterstützen.

Literatur

  • Grimmer, Bernhard & Neukom, Marius (2010). Coaching und Psychotherapie: Grenzen und Gemeinsamkeiten. In Coaching-Magazin, 3/2010, 44–48.
  • Jacobi, Frank; Genz, Andreas & Schweer, Ralf (2012). Macht Arbeit psychisch krank? Die Diskussion über die Zunahme psychischer Störungen und die Rolle der Arbeit. In Leistung und Lohn, Nr. 518 / 519 / 520 / 521, 3–48.
  • Meier, Nina (2015). Ist Coaching Therapie? In Coaching-Magazin, 2/2015, 36–40.
  • Rauen, Christopher & Eversmann, Julia (2014). Coaching. In Heinz Schuler & Uwe Peter Kanning (Hrsg.). Lehrbuch der Personalpsychologie (3. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. 563–606.
  • Roundtable der Coachingverbände (2015). Profession: Coach. Ein Commitment des Roundtable der Coachingverbände.
  • Stiftung Warentest (2013). Coachen im beruflichen Kontext. Abgerufen am 01.07.2015: www.test.de/coaching-kriterien.
  • Werner, Frederik (2015). Therapieindikation im Coaching – Qualitative Pilotstudie mit deutschen Coaches. Unveröffentlichte Bachelorarbeit. Köln: Hochschule Fresenius.

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