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Coaching-Tools

Glass of Success

Ein Coaching-Tool von Antje Heuser & Ralf Gasche

12 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2023 am 22.02.2023

Coaching-Tool Glass of Success

Kurzbeschreibung

Professionelle Coaches wissen, wie wichtig es für Klienten ist, sich auf ihre Ressourcen, Stärken, Potenziale und persönliches Wohlbefinden zu konzentrieren und sich nicht von negativen Wahrnehmungen dominieren zu lassen. Doch im alltäglichen Trubel von permanenter Erreichbarkeit und medialer Konzentration auf die negativen Nachrichten und Katastrophen dieser Welt treten persönliche Glücksmomente – egal ob klein oder groß – häufig in den Hintergrund. Hierdurch leiden persönliche private Situationen sowie geschäftliche Teamerlebnisse und Unternehmenskulturen nicht unerheblich.

Das Coaching-Tool „Glass of Success“ dient der Verstärkung von Erfolgserlebnissen und damit der Förderung der Selbstwirksamkeit sowie Selbstüberzeugung und -erwartung. Mit ihm können Erfolgsmomente gesammelt und nachhaltig erinnert werden: in Business-Teams ebenso wie in privaten Kontexten (z.B. im Familien- und Freundeskreis oder in Sport- und Freizeitgruppen). Mit Hilfe des Tools werden Erfolge, Meilensteine, Freuden und Glücksmomente festgehalten, gesammelt und anschaulich visualisiert, sodass im Ausgleich zu den oft als drückend empfundenen, täglichen Stresssituationen und negativen Erlebnissen gleichwohl auch die positiven Erfahrungen lebendig bleiben und nicht verloren gehen. Damit lassen sich auf angenehme Weise förderliche Energien schaffen – für berufliche und private Teamerlebnisse.

Anwendungsbereiche

Das Tool bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Es kann sowohl im Einzel- als auch im Team- oder Gruppen-Coaching als unterstützende Maßnahme bei Zielerreichungsprozessen eingesetzt werden. Es hilft bei der Steigerung der Motivation bei Einzelleistungen oder kann generell zur Förderung eines guten Teamklimas genutzt werden. Daneben eignet es sich auch zur Begleitung spezieller Situationen, z.B. in entscheidenden Projektphasen oder bei anstehenden Bereichsveränderungen. Das Tool unterstützt als verstärkende Erinnerung an das bereits Erreichte und wirkt insgesamt förderlich bei der Bewältigung von Veränderungen. Ebenso ist der Einsatz in einer neuen Teamkonstellation denkbar, um das Zusammenwachsen eines Teams zu fördern und eine motivierte Gemeinschaft zu entwickeln. Im privaten Umfeld kann das Tool als Visualisierung kleiner Schritte auf dem Weg zu einem gesteckten Ziel im Familien- oder Freundeskreis sehr nützlich sein. Das Tool kann sowohl im Präsenz- als auch Online-Setting eingesetzt werden.

Zielsetzung & Effekte

Die Anwendung des Tools ist unaufwändig und gleichzeitig sehr effektvoll. Für die Umsetzung werden lediglich ein mittelgroßes Glas (z.B. für Bonbons) und kleine Zettel benötigt. Die Zettel können bunt oder einfarbig sein, je nach Vorliebe des Klienten oder Teams. Sie sollten weder zu klein noch zu groß sein, sodass ein kurzer Satz gut lesbar ist, aber wenige Zettel nicht bereits das komplette Glas ausfüllen.

Durch die Wahl eines transparenten Glases machen sich kleinste Veränderungen schnell bemerkbar und alle Teammitglieder können sehen, dass ein neuer Zettel eingeworfen wurde. Das Signal ist in diesem Fall sehr deutlich: Offensichtlich gibt es jemanden, der etwas Positives erlebt hat und dies für so wichtig erachtet, dass er oder sie es teilen möchte. Hierdurch können sich zeitnah positive Assoziationen entfalten, auch ohne dass sofort gelesen werden kann, was auf dem jeweiligen Zettel steht. Füllt sich das Glas nach und nach mit den Zetteln der Teammitglieder, entsteht sukzessive eine gewisse Spannung und Neugierde auf die formulierten Erlebnisse und den Moment des gemeinsamen Teilens.

Das Glas mit seinen zunächst versteckten Feedbacks sorgt beim gemeinsamen Öffnen im Team-Meeting nachhaltig für positive Erinnerungen und schafft eine förderliche vorausgewandte Energie. Einer – wie sonst eher üblichen – Überbewertung negativer Dinge kann im Businessalltag damit nachhaltig entgegengewirkt werden. Ziel ist es, durch eine vermehrte Hinwendung zu positiv besetzten Erlebnissen eine aktive Verschiebung der Wahrnehmung nachhaltig in den Alltag zu implementieren und damit ein grundsätzlich positives Teamgefühl zu erzeugen. Die Beschriftung der Zettel beeinflusst den „neuen Blick“ auf die Realität im gemeinsamen Alltag nachhaltig. Dadurch kann im Laufe der Zeit durchaus eine Art positiver Wettbewerb innerhalb der Gruppe der Beteiligten entstehen. Die Wahl der Farbe muss keine besondere Bedeutung haben, kann aber für unterschiedliche Effekte genutzt werden. Bunte Zettel geben generell eine fröhliche Optik, doch auch mit einfarbigen Zetteln ist der Effekt des offensichtlichen „Wachstums von Erfolg“ offensichtlich. Bestimmte Farben können einzelnen Teammitgliedern zugeordnet werden, sodass schnell erkennbar wird, wer sich in welcher Frequenz an der Sammlung beteiligt, oder bestimmte Themengebiete abbilden, die zuvor mit dem Team festgelegt wurden. Hierdurch kann eine förderliche Kraft entstehen, sich auf bestimmte, für ein Team wichtige Themen zu fokussieren.

Im Einzel-Coaching kann das Tool genutzt werden, um erzielte Erfolge und Fortschritte entlang des Prozesses festzuhalten, zu visualisieren und jederzeit in Erinnerung rufen zu können. Das hierdurch potenziell geförderte Selbstwirksamkeitsempfinden des Klienten ist eine gute Voraussetzung für den Prozessverlauf. So besteht ein Zusammenhang zwischen der Stärke einer Coaching-Beziehung und dem Selbstwirksamkeitsempfinden des jeweiligen Klienten (de Haan & Mannhardt, 2014).

Ausführliche Beschreibung

Das „Glass of Success“ kann in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt werden und seine hilfreiche positive Wirkung entfalten. Die Vorgehensweisen sind grundsätzlich ähnlich, die unterschiedlichen Zielausrichtungen erfordern es jedoch, im Detail auf wichtige Anpassungen zu achten. In folgenden Feldern bietet sich der Einsatz an:

Im Coaching:

  • Einzel-Coaching
  • Team-/Gruppen-Coaching

Als Werkzeug für den Klienten:

  • zur Führung von Teams im beruflichen Umfeld
  • zur Anwendung im privaten Umfeld (Familie, Freunde, Sport)

Als Werkzeug für den Coach:

  • eigene Entwicklung
  • Selbst-Coaching

Anwendung im Coaching

Im Einzel-Coaching kann das Glas schwerpunktmäßig als Motivation zur individuellen Zielerreichung dienen. Nach der Definition eines Ziels oder von Teilzielen für einen größeren Prozess kann der Coach mit dem Klienten vereinbaren, immer dann einen Zettel zu schreiben, wenn etwas Positives im Hinblick auf die Zielerreichung geschehen ist. Das kann ein erfolgreiches Meeting, ein gut gemeistertes Mitarbeitergespräch oder eine erfolgreiche Weiterbildung sein. Der Coach achtet darauf, dass auch die kleinen Dinge Beachtung finden: das Lob eines Kollegen, ein schöner Moment im Projekt, ein entspannter Abend. Selbst wenn es „nur“ ein Entschluss oder eine Entscheidung zu sein scheint, gilt der Grundsatz: Wenn der Klient das Gefühl hat, auf seinem Weg ein Stück weitergekommen zu sein, ist dieser Erfolg einen Zettel im „Glass of Success“ wert.

Dafür wird das Erreichte/Erlebte auf einen bunten kleinen Zettel geschrieben und in einem geeigneten Glas gesammelt. Der Vorteil gegenüber einer optisch verschlossenen Box liegt darin, dass es möglich ist, die Menge der Zettel wachsen zu sehen. Das regt an, bestätigt den bisherigen Weg und fördert die Vorfreude. In den Sitzungen unterstützt der Coach, indem er daran erinnert oder sich nach dem Füllstand des Glases erkundigt.

Ein wichtiger Schritt vor der Anwendung ist die Benennung des Glases. Der Name des Glases nimmt ein erfolgreich besetztes Bild oder eine stark positive Vorstellung aus der Welt des Klienten auf und nutzt ihn als zentrale Kraftquelle. Er sollte daher im ersten Schritt zusammen mit dem Klienten festgelegt werden. Der Coach unterstützt die Namensfindung und sucht zusammen mit seinem Klienten entsprechende Erfolgsmomente aus dessen Leben und seinem Erfahrungshintergrund, die als Basis für die Benennung des Glases dienen können. Je nach Identifikationsgrad des Klienten mit einem bestimmten Erlebnis bzw. einer bestimmten Vorstellung kann der Coach mehr oder weniger mit weiteren Anregungen und Ideen unterstützen oder auch Namen vorschlagen. Ob das Tool letztlich „Glass of Success“, „Motivationsglas“, „Mein Glas nach oben“, „Erfolgsglas“ oder ganz anders genannt wird, sollte maßgeblich durch den Klienten und seine Vorlieben und individuellen Motivatoren bestimmt werden.

Nach einem vorab definierten Zeitraum wird das Glas geöffnet, im Einzel-Coaching gemeinsam mit dem Coach. Die Zettel werden laut vorgelesen und der Klient breitet die Zettel, seine persönlichen Erfolge, auf einem Tisch aus. Der Coach kann jetzt anleiten, das Geschriebene zu kategorisieren und eventuell Teilzielen zuzuordnen. Vielleicht spricht das Bild aber auch für sich und genügt als Motivation, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen. Um die bewusste Wahrnehmung eigener Ressourcen zu stärken, kann es in diesem Zuge sinnvoll sein, den Klienten fragengeleitet zur Reflexion anzuregen, wie die Erfolge realisiert wurden. Die ermittelten Ressourcen können ebenfalls schriftlich festgehalten werden – z.B. auf den entsprechenden Zetteln. Die gelesenen Zettel können zur nachhaltigen Unterstützung als Erinnerung aufbewahrt werden. Dabei kann es sich um eine gebastelte Collage oder ein beklebtes Album handeln oder die Zettel werden zur Aufbewahrung einfach in einen Umschlag gesteckt. Wichtig ist es, die erreichten Erfolge zu feiern und dem Klienten die Freude zu schenken, die er durch seine Leistung verdient hat.

Im Team- und Gruppen-Coaching kommt das Tool unter Berücksichtigung der dort vorliegenden Grundbedingungen und Erwartungen analog zur Anwendung. In Team-Coachings kann das Glas eingesetzt werden, um gemeinsam abgestimmte Ziele zu monitoren. Für das Erreichen geplanter Unternehmensziele oder anstehender Veränderungen, die ein Coach begleitet, kann das Glas als motivierende Unterstützung genutzt werden. Die Bezeichnung des Glases sollte gemeinsam aus dem Team heraus erfolgen. Auch hier kann die Teamhistorie eine unterstützende Rolle spielen, indem z.B. prägende Erinnerungen an gemeinsame Teamerlebnisse den Namen maßgeblich prägen. Der Schwerpunkt des „Glass of Success“ im Team-Coaching liegt in der Hervorhebung der einzelnen kleineren und größeren Teamerfolge. Im Gruppen-Coaching kann das Tool eine eigene Finesse entfalten, da hier nicht ein Team in einem Gesamtprozess begleitet wird, sondern die einzelnen Teilnehmer der Gruppe in der Regel Individualziele verfolgen. In dem der Coach den Gruppenmitgliedern die Möglichkeit der Erfolgsbegleitung mit einem jeweils eigenen Erfolgsglas anbietet, erfährt einerseits jedes Gruppenmitglied eine individuelle Bestärkung auf seinem Weg, andererseits kann eine gemeinsame Betrachtung der jeweiligen Erfolgsschritte mit den entsprechenden Emotionen gleichzeitig eine motivierende Wirkung auf die gesamte Gruppe und alle beteiligten Individuen entfalten. Im Gruppen-Coaching – das ist der wesentliche Unterschied zum Team-Coaching – liegt der Schwerpunkt somit auf der Begleitung der erfolgreichen Schritte der einzelnen Beteiligten in ihren jeweiligen individuellen Coaching- bzw. Entwicklungsprozessen.

Nach einem gemeinsam vorab abgestimmten Zeitraum wird das Glas im Beisein aller geöffnet. Wichtig ist hier eine Moderation des Coachs, denn die Zettel dürfen keinesfalls bewertet oder gar kleingeredet werden – im Gegenteil. Jeder Erfolg, jede Freude trägt zum Gesamtziel bei und darf vom Team bzw. von der Gruppe gefeiert werden. Wenn das Glas geöffnet wird, können die Freude bzw. der Stolz noch einmal „erlebt“ werden. Das steigert die Wahrnehmung und Wertschätzung der eigenen Leistung. Das Team wird motiviert, nachhaltig am Ball zu bleiben. In der weiteren Verwendung der gelesenen Zettel lässt der Coach der Kreativität der Gruppe freien Lauf. Auch hier kann es eine Collage sein, die im Büro aufgehängt wird, oder ein Foto der Zettel, das auf ein T-Shirt gedruckt wird. Vielleicht ist das erreichte Ziel aber selbst so einschneidend, dass die Zettel nicht aufbewahrt werden müssen.

Das Foto zeigt ein Glas mit bunten Zetteln.Glass of Success

Abb.: Glass of Success, © Foto: Antje Heuser

Sehr hilfreich und wichtig ist es, im Einzel- oder Team-Coaching eine prominente Platzierung des Glases zu schaffen. Es darf nicht versteckt in einem Schrank stehen, dann gerät es, wie leider so viele positive Kleinigkeiten des Alltags, in Vergessenheit. Ob auf dem Schreibtisch oder an der Kaffeebar, das Glas sollte gut zu sehen und die Zunahme der bunten Zettel gut zu beobachten sein.

Anwendung als Werkzeug für den Klienten

Können Coach und Klient im Sinne der herausgearbeiteten Ziele einen hilfreichen Einsatz des „Glass of Success“ im Führungs- oder privaten Bereich des Klienten identifizieren, empfiehlt es sich, das Glas und seine vielfältigen Möglichkeiten zunächst durch den Klienten selbst testen zu lassen. Hat dieser genug Erfahrung und Vertrauen im Umgang mit diesem Werkzeug entwickelt und hält den Einsatz in seinem Umfeld für hilfreich, kann ihn der Coach in den Umgang einweisen und geeignete Rahmenbedingungen definieren.

Im familiären Bereich kann das Glas dazu dienen, beispielsweise an Silvester die schönen gemeinsamen Erlebnisse des Jahres noch einmal zu erinnern. Falls es im Sinne des Coaching-Prozesses für den Klienten hilfreich ist, seine Familie – und damit sich selbst – im Schaffen eines gemeinsamen positiven Lebensgefühls zu unterstützen, sollte der Coach das Tool zur Verfügung stellen.

Anwendung als Werkzeug für den Coach

Die erfolgreiche Anwendung des „Glass of Success“ wird gefördert, wenn der Coach im Vorfeld selbst mit dem Glas experimentiert und die Wirkung persönlich erlebt. Der Einsatz für die eigene Weiterentwicklung und Selbstreflexion persönlicher und/oder unternehmerischer Ziele eröffnet dem Coach die Möglichkeit, die eigene positive Ausrichtung und Ausstrahlung spürbar zu beeinflussen.

Voraussetzungen

Sollte das Glas zur Unterstützung von Zielen eingesetzt werden, ist es sinnvoll, im Vorfeld Teil- oder Kollektivziele zu erarbeiten, um eine gute Basis zur Verfügung zu haben. Welchen Weg der Coach mit seinen Klienten hier wählt, ist für die unterstützende Wirkung des Tools unerheblich. Der Coach sollte aber bei Bedarf Beispiele für beschriebene Zettel benennen können und darauf achten, möglichst viel kreativen Freiraum zu belassen, um den Findungsprozess des Klienten nicht durch gut gemeinte Vorgaben zu beeinflussen.  

Persönlicher Hinweis

Wie jeder Einzelne seine Erfolge individuell und persönlich betrachtet und einordnet, wird beim gemeinsamen Lesen der Zettel deutlich. Teilweise ist es durchaus überraschend, welche Inhalte und Wertungen Klienten wählen. Dies unterstreicht die individuell sehr unterschiedliche Motivation und Ausrichtung dessen, was als positiv oder negativ wahrgenommen wird.

Die geschriebenen Zettel geben oft einen klaren Hinweis auf die persönlichen Stärken und Vorlieben des Klienten. Ist der Klient kommunikationsstark, werden seine Erfolge häufig auch in diese Richtung weisen. Es ist hilfreich, dem Klienten hinsichtlich seiner Stärken Feedback zu geben und ihn zu unterstützen, diese klar für sich zu erkennen. Sie sind tragende Säulen und Ressourcen, die ihm bei jeglicher Zielerreichung und in vielen Lebenslagen helfen können, sich stabil weiterzuentwickeln und seinen Weg zu gehen. Darüber hinaus ergibt sich hieraus oft ein weiterer Erkenntnisgewinn, um neue und bisher nicht erkannte Ziele für sich zu erarbeiten.

Technische Hinweise

Der Zeitbedarf für die Nutzung des Tools ist gering. Für die Besprechung der Erfolgszettel sollten ein bis zwei Stunden eingeplant werden.

Literatur

Haan, Erik de & Mannhardt, Sonja M. (2014). Wirkungsvolles Executive-Coaching – Worauf kommt es an? Coaching-Magazin, 7(4), S. 35–39.

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