Coaching-Tools

Success Stories

Ein Coaching-Tool von Maximilian Bache

11 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2022 am 07.09.2022

Kurzbeschreibung

Viele Menschen genießen es, zu gewinnen, erfolgreich zu sein, den verdienten Lohn für langes Training, hartes Schuften, viele Nachtschichten und Selbstüberwindung zu ernten. Es fühlt sich einfach gut an, aufrichtige Wertschätzung zu erfahren. Aber nicht jeder Erfolg wird auch dem Menschen zugeschrieben, der ihn generiert hat. Nicht selten versuchen Personen manipulativ, Erfolge anderer für sich zu reklamieren, um Anerkennung und Lohn zu verbuchen. Auch kann es sein, dass Leistungen Einzelner schlicht übersehen werden. Davor ist im Beruf oder Privatleben niemand gefeit. Bei der Frage, welcher hier nachgegangen werden soll, ist nur sekundär, wie man sich präventiv gegen Manipulationen oder dagegen, übersehen zu werden, rüsten kann. Primär wird beschrieben, wie der Klient sein persönliches Selbstwertgefühl stärken und das eigene Integritäts- sowie Erfolgsgefühl wiedererlangen bzw. fördern kann.

Anwendungsbereiche

Success Stories ist ein Coaching-Tool, das Menschen, deren Erfolge nicht gesehen, anerkannt oder gar anderen zugeschrieben wurden, dabei helfen soll, ihre persönlichen Leistungen besser zu durchdringen. Das Tool kann im Rahmen von Selbstwert- und Identitätsthemen angewendet werden. Dabei steht die sukzessive Reflexion von erbrachten Leistungen des Individuums in möglichst exakter und realistischer Abgrenzung zum Team und weiteren Stakeholdern im Vordergrund. Das Tool eignet sich besonders für die Arbeit mit Menschen, die sich ihrer Leistungen nicht gänzlich bewusst sind oder infolge mangelnder Würdigung ihrer Erfolge Selbstzweifel entwickelt haben, sich unter- oder überschätzen und einen realistischeren Blick auf die eigene Leistung bzw. sich selbst werfen möchten.

Effekte

Der Einsatz des Tools kann dem Klienten zu einer realistischen Selbsterkenntnis verhelfen. Im Laufe des Prozesses werden die positive Einstellung des Klienten zu sich selbst, die positive Bewertung des eigenen Verhaltens, das Erkennen der eigenen Stärken und Schwächen und das Gefühl, etwas erreicht und durchgehalten zu haben, tangiert und sukzessive gefördert. Daraus wird bei richtiger Anwendung ein realistischer und stabiler Selbstwert weiterentwickelt. Darüber hinaus dient das Erkennen des eigenen Erfolgs besonders dazu, die eigene Arbeit und Leistung – nach Petzold (1984) eine der „fünf Säulen der Identität“ – als Teil des Selbst einzustufen, was die Selbstakzeptanz ausbaut.

Ausführliche Beschreibung

Im Zentrum des Tools, steht eine klar formulierte Fragestellung: Welchen Erfolg habe ich gehabt bzw. maßgeblich generiert? Die Beantwortung kann anhand einer zu überprüfenden These erfolgen. Im Laufe des Prozesses kann sich die These verändern. Der Coach sollte, wenn er eine Veränderung feststellt oder sich nicht sicher ist, ob eine Veränderung stattgefunden hat, den Klienten wieder auf die zentrale Fragestellung leiten und ihn bitten, diese erneut zu formulieren. Fragen wie die folgenden können dabei hilfreich sein: Sind wir noch bei der ursprünglichen Fragestellung? Hat sich Ihre These insgesamt verändert? Wollen wir noch einmal schauen, ob Sie an der ursprünglichen These festhalten oder einer anderen nachgehen möchten?

Kritische Prüfung der eigenen Wahrnehmung

Nachdem die These erstmals formuliert wurde, stellt der Coach seinem Klienten nach entsprechender Vorbereitung die „zehn Gebote des gesunden Menschenverstands“ (Mukerji, 2017) vor. Der Coach bereitet den Klienten darauf vor, seine eigenen Gedanken, Ansichten, Vermutungen und Beobachtungen in Bezug auf das Geschehen, das er reflektieren möchte, Schritt für Schritt aufzuschreiben. Er erklärt ihm, dass die Berücksichtigung der zehn aufgestellten Kriterien dazu dient, das eigene Narrativ auf Kohärenz zu prüfen, eventuell vorhandene blinde Flecke zu erkennen und somit zu einer stimmigen Einordnung der reflektierten Vorgänge zu gelangen. Diese kritische Überprüfung der eigenen Sicht ist elementar, um eine realistische Selbstwahrnehmung zu fördern und dieser zugleich eine Stabilität zu verleihen, die möglichen späteren Manipulationen standhält. Währenddessen weist er den Klienten auf die unterschiedlichen Inhalte der zehn Hauptpunkte hin. An manchen Stellen kann es dem Klienten erscheinen, als wären die Unterpunkte inhaltlich ähnlich, was aber nicht der Fall ist. Die „Gebote“ werden im Folgenden aufgeführt (nach Greif, 2018, S. 375 f.). Die in Klammern dargelegten Bedeutungen wurden hier sprachlich modifiziert und auf den Coaching-Klienten zugeschnitten:

  1. „Bringen Sie Ordnung in Ihr Denken!“ (Der Klient formuliert die Fragestellung, stellt Thesen auf und stützt diese durch stringente Argumente.)
  2. „Denken Sie lückenlos!“ (Argumentationslücken, die zu Fehlannahmen führen können, sollte der Klient vermeiden.)
  3. „Treffen Sie glaubwürdige Annahmen!“ (Der Klient sollte keine Annahmen treffen, die im Widerspruch zu Tatsachen oder gesicherten Erkenntnissen stehen, um absurde Folgerungen zu vermeiden.)
  4. „Die Beweislast für neue Erkenntnisse nicht auf andere verschieben!“ (Liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse bezüglich eines Aspekts vor, darf der Klient dies nicht als Beleg für die Stimmigkeit seiner These betrachten.)
  5. „Keine unklaren oder unverständlichen Aussagen formulieren, die Wissenschaftlichkeit vortäuschen!“ (Mit dem Werfen von „Nebelkerzen“ würde der Klient sich selbst und andere nur in die Irre führen.)
  6. „Keine logisch unsauberen Folgerungen ableiten!“ (Die Argumente, die der Klient vorbringt, müssen nach kritischer Prüfung für logisch folgerichtig befunden werden.)
  7. „Keine sprachlichen Tricks und Denkfallen!“ (Selbst stimmig erscheinende Argumente können falsch sein. Der Klient sollte daher nicht aufgrund augenscheinlich gegebener Plausibilität von der kritischen Betrachtung abrücken.)
  8. „Keine Ablenkung durch irrelevante Argumente und Themenwechsel!“ (Der Klient sollte nicht ausweichend argumentieren, sondern sich auch unbequemen Fragen stellen.)
  9. „Keine einseitige Darstellung oder nur anekdotische Belege!“ (Der Klient darf keine Aspekte unterschlagen, die seine These nicht stützen oder dieser widersprechen. Verallgemeinerungen einzelner Beispiele sind ebenfalls zu unterlassen.)
  10. „Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden!“ (Der Klient sollte keine Behauptungen akzeptieren, die bei näherer Prüfung nicht stimmig sind. Psychologischen Tricks, die ihn hierzu verführen sollen, muss er standhalten.)

Dies kann einige Stunden bzw. Sitzungen, teilweise über mehrere Wochen verteilt, in Anspruch nehmen. Der Klient sollte die kontextbezogenen Geschehnisse sukzessive und suffizient reflektieren und ordnen. Er sollte tief in seinem Gedächtnis nach Äußerungen, Kennzahlen (vor dem Erfolg) sowie differenzierten Meinungen anderer Menschen (Kollegen, Vorgesetzten, hierarchisch Gleichgestellten) suchen und diese in Schleifen im Gesamtkontext beleuchten. Fragen wie die folgenden können den Prozess unterstützen: Passen diese Äußerungen, Kennzahlen und Meinungen im Gesamtkontext zusammen? Was passt nicht bzw. ist vielleicht sogar kontrovers? Man könnte sagen, der Coach lässt seinen Klienten ermitteln wie Sherlock Holmes. Der Coach nimmt derweil Watsons Rolle ein und fungiert als guter Unterstützer der Ermittlungsarbeit.

Der Coach lässt den Klienten allen erdenklichen Hinweisen nachgehen. Er kann ihn dabei „ein feistes Grinsen“ eines hierarchisch gleich- oder höhergestellten Kollegen, Vorgesetzten oder eines Mitarbeiters hinterfragen lassen. Er kann ihn nach Kennzahlen fragen, die einen periodenübergreifenden Erfolg belegen, oder nach positiven Äußerungen, die ihm in einem relevanten Kontext entgegengebracht wurden, z.B.: „Das hast du gemacht! Danke, damit hast du mir sehr geholfen!“ Der Coach nimmt seinen Klienten in dem Gefühl, übergangen worden zu sein, ernst, das der Klient durch Aussagen wie folgender kundtut: „Ich habe es gemacht, da bin ich mir sicher!“ Gemeinsam suchen Coach und Klient nach dem „echten Erfolgsgefühl“, dass nur derjenige beherbergt, der wirklich für eine Leistung verantwortlich ist. Der Coach lässt den Klienten laufen. Kein Gedanke ist abwegig – erstmal. 

Der Coach sollte jedoch in Betracht ziehen, dass der Klient den Erfolg nicht gänzlich allein generierte. Auch, wenn ihm die Grundidee (zu einem gewissen Teil) zusteht, er den Projektplan geschrieben hat, er wichtige Stakeholder und Entscheider von seiner Sache überzeugte und an der Umsetzung beteiligt gewesen ist. Letztlich soll das Coaching eine realistische Einschätzung fördern, was neben der selbstbewussten Wahrnehmung eigener Anteile am Erfolg auch die Anerkennung und Würdigung der Anteile anderer und somit der ggf. erfolgten Teamarbeit beinhaltet. Das Coaching sollte in Bezug auf das Teamgefüge, in das der Klient eingebunden ist, keinesfalls spaltend wirken.  

Im Arbeitsalltag können dem Klienten Aussagen von Vorgesetzten, Kollegen oder Mitarbeitern etc. entgegengebracht worden sein, die völlig kontrovers zu den Ansichten des Klienten ausfallen (z.B.: „Das hat nichts gebracht.“ / „Das haben Sie doch nicht alleine bewerkstelligt.“ / „Schmücken Sie sich hier nicht mit anderer Leute Federn?“). Dann gilt es herauszufinden, wie sich die Realität gestaltet. Dabei kann der Coach den Klienten fragen, warum er sich von diesen Äußerungen verunsichern lässt und ihn in Form eines Reflexionsangebotes vorsichtig darauf hinweisen, dass dies beispielsweise die folgenden Gründe haben könnte:

  1. Es ist ein Funken Wahrheit an der Aussage, dass der Klient die Leistung z.B. wirklich nicht gänzlich allein vollbracht und die Ursprünge seiner Ideen nicht genügend gewürdigt hat. Sind etwa Anzeichen eines schlechten Gewissens für die Verunsicherung ursächlich?
  2. Die Person, welche die Verunsicherung mit ihrer Aussage ausgelöst hat, kennt den Klienten gut und weiß, wie sie den Selbstwert und das Umfeld des Klienten manipuliert.

Der Coach versucht nun, seinen Klienten dabei zu unterstützen, die Dinge ganzheitlich zu betrachten. Dabei können folgende Fragen helfen:

  1. Welche Aufgaben hatten Sie persönlich und welche Aufgaben hatten die anderen beteiligten Personen?
  2. Welche Personen waren indirekt an der Aufgabe beteiligt, welche Aufgaben hatten diese Menschen und welche Impulse kamen von Ihnen / ihnen?
  3. Wer hat die Aufgabe formuliert?
  4. Wer hat Ihnen in der Vergangenheit welches relevante implizite Wissen (Nonaka & Takeuchi, 1997) transferiert, welche Tipps z.B. von Mentoren, Ausbildern, Kollegen, Vorgesetzten, Familienmitgliedern und Freunden sind relevant gewesen?
  5. Wo nehmen Sie Ihr explizites Wissen her (Quellen externalisierten Wissens: (Fach-)Bücher, Fernsehen (Polit-, Wirtschafts- und Wissenschaftssendungen z.B. auf YouTube, im öffentlich-rechtlichen TV, Radio, Podcasts etc.)?
  6. Auf welche Belege stützen Sie Ihre These des persönlichen Erfolgs (Kennzahlen, Nachrichten z.B. im Organisations-Newsletter, Danksagungen von Kollegen und Vorgesetzen etc.)?
  7. Was hat sich konkret verändert (Kultur, Arbeitsweise, Haltung der Menschen Ihnen gegenüber etc.)? Wie können Sie oder andere diese Veränderungen, möglichst ganzheitlich (mit positiven und negativen Aspekten), bewerten?

Visualisierung der Wahrnehmung

Die Abbildung dient als Visualisierungshilfe und kann als Leitbild dazu beitragen, die Gedanken des Klienten erneut bzw. noch einmal anders zu strukturieren bzw. aufzuarbeiten. Der Coach hält den Klienten dazu an, die Manifestierungen seiner Aufzeichnungen, die anhand der „zehn Gebote des gesunden Menschenverstands“ kritisch beleuchtet wurden, in ähnlicher Form z.B. auf eine Metaplanwand aufzubringen. Dabei lässt er dem Klienten maximale Gestaltungsfreiheit. Die Visualisierungshilfe liefert ihm lediglich Orientierung und Anhaltspunkte.

Omega des individuellen Erfolgs

Abb.: Ablauf der Persona-Analyse in drei Schritten

Der Coach lässt seinen Klienten anschließend nach der Person suchen, die verantwortlich für die Belohnung ist (i.d.R. der Aufgabengeber). Der Coach kann den Klienten nach der schriftlichen Manifestierung des gesamten Sachverhalts darin unterstützen, seine Ergebnisse dem Verantwortlichen sachlich vorzustellen, sofern der Klient nicht lediglich eine Klärung für sich selbst anstrebt. Er bereitet ihn dann darauf vor, dass der Verantwortliche dies eventuell nicht zulassen möchte, denn manche Menschen haben es nicht so mit einer fairen Belohnung, besonders, wenn derjenige bereits eine andere Person (eventuell fälschlicherweise) für den Erfolg des Klienten belohnt hat. Der Coach stimmt den Klienten daher auf folgenden Satz des Vorgesetzten ein: „Sie haben fünf Minuten.“ Der Klient sollte dazu in der Lage sein, respektvoll aber selbstbewusst zu entgegnen: „Das wird nicht reichen!“ Im Coaching kann sich der Klient anhand eines Rollenspiels auf diese Situation (wie auch auf das anschließende Gespräch) vorbereiten, um in der Umsetzung souverän zu agieren.  

Voraussetzungen

Coaches sollten über sehr gute Empathiefähigkeiten – besonders in Bezug zu Selbstwertthemen und manipulierte oder diskreditierte Klienten – verfügen, um das Tool sinnvoll anwenden zu können. Jahrelange Coaching-Erfahrung, Explorationsfähigkeiten im Bereich von Manipulation und „Gaslighting“ sowie Transformationskenntnisse im Bereich von Selbstwertthematiken und Identitätsthemen sind von Vorteil.

Persönliche Hinweise

Es sind intensive und emotionale Reflexionsprozesse zu erwarten. Das Arbeiten mit Erinnerungen, die teilweise lange zurückliegen, bedarf einer besonders ausgeprägten Fähigkeit zur Empathie. Das Ziel der Selbstwertsteigerung und das gleichzeitige kritische Hinterfragen der Sicht des Klienten stehen nicht im Widerspruch zueinander, erfordern aber ein gutes Feingefühl im Vorgehen des Coachs.

Technische Hinweise

Eine Metaplanwand, ein Flipchart, Stifte in verschiedenen Farben und andere passende Visualisierungshilfen können dabei unterstützen, den Prozess bunt und abwechslungs- sowie erkenntnisreich zu gestalten. Im Online-Coaching bieten sich die gängigen Visualisierungs-Tools an.

Literatur

  • Greif, S. (2018). Woran erkennt man pseudowissenschaftliche Theorien und weshalb sie im Coaching problematisch sind – am Beispiel NLP. OSC, 25(3), S. 371–387.
  • Mukerji, N. (2017). Wie erkennt man Pseudowissenschaften? Skeptiker, 30(2), S. 60–66.
  • Nonaka, I. & Takeuchi, H. (1997). Die Organisation des Wissens. Frankfurt a. M.: Campus.
  • Petzold, H. G. (1984). Vorüberlegungen und Konzepte zu einer integrativen Persönlichkeitstheorie. Integrative Therapie, 10(3), S. 73–115.

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