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Beruf Coach

Zehn Jahre Coaching-Magazin

Ein-, Rück- und Ausblicke

Das Coaching-Magazin feiert sein zehnjähriges Bestehen. Grund genug, allen bisherigen Chefredakteuren das Wort zu gönnen. Was verbinden sie mit diesem Zeitraum – auch in Bezug auf die Entwicklung des Coachings und der Branche? Thomas Webers (Chefredakteur 2008–2012), Dawid Barczynski (Chefredakteur 2012–2017) und David Ebermann (Redaktionsmitglied seit 2014, Chefredakteur seit 2017) liefern Ein-, Rück- und Ausblicke.

11 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2018 am 21.11.2018

Von Dissens und Konsensbewegung

Es war „nicht die Frage, ob es ein Coaching-Magazin geben wird, sondern nur, wann es soweit sein würde. Wir sind der Meinung, dass die Coaching-Branche ein eigenes Magazin verdient hat – und für eine weitere, lebendige Entwicklung auch benötigt“. Dieses Statement von Christopher Rauen und mir entstammt dem Vorwort zur ersten Ausgabe „Coaching-Magazin“. Es war eine Ansage, die auf einer gemeinsamen Geschichte beruht: Die Erfahrungen rund um den ersten deutschen Coaching-Kongress 2003 in Wiesbaden. Wir erlebten, dass es nicht nur Gemeinsamkeiten in der Coaching-Branche gibt, sondern auch knallharten Wettbewerb, Missgunst, Intrigen. Wie im „richtigen“ Leben eben.

In diesen Jahren differenzierte sich das Feld zusehends aus. Die Gründung des Coaching-Magazins war ein Teil davon: Es trat eine neue Stimme auf den Plan. Neben Fachmedien wie „wirtschaft + weiterbildung“ und „managerSeminare“, die aus externer Sicht über Coaching – unter anderem – berichteten, trat mit dem Coaching-Magazin eine selbstbewusste Position auf die öffentliche Bühne. Die Szene bekam eine eigene publizistische Heimat. Ein Mehrwert ergab sich auch gegenüber etablierten Fachzeitschriften wie beispielsweise der eher akademisch auftretenden OSC. Ein Magazin muss bunt sein. Deshalb banden wir einen Strauß verschiedener Formen zusammen: Szene-Informationen, Hintergründe, Konzepte, Portraits, Praxiserfahrungen, handfeste Tools und der gute Schuss Humor. So waren auch die Reaktionen anlässlich der Präsentation der ersten Printausgabe des Magazins auf dem Coaching-Kongress in Potsdam 2008 durchwachsen. Für uns also: anregend.

Differenz und Dissens sind wichtig. Ich selbst habe meine journalistische Arbeit häufig als politisch erlebt. Es gibt halt unterschiedliche Interessen. Richtet man seinen Scheinwerfer auf das Eine, bekommt man Gegenwind von der anderen Seite. Das ist nicht immer nur vergnüglich wie in unserer Rubrik „Kontroverse“ seinerzeit. Ich habe das Magazin immer als Marktplatz der Szene verstanden. Vielleicht war das etwas blauäugig. Denn die unsichtbare Hand des Marktes ruht nicht und teilt auch schon einmal Tritte in den Allerwertesten aus. Mein Interesse an unerzählten Themen der Coaching-Branche ist ungebrochen. Auf der Stelle fielen mir Titel für spannende Reportagen und Features ein.

Als Beispiel für das Ringen um gemeinsame Standpunkte fallen mir die Roundtable-Gespräche zum Thema Managerverantwortung ein (2010/2011). Den Aufschlag von Dr. Ulrike Wolff aufgreifend, moderierte ich zwei Gesprächsrunden fürs Magazin. Aufwendige Produktionen, keine Frage, aber spannende. Wenn ich mir etwas für die Zukunft wünschen darf, dann mehr solches, mehr journalistische Formate.

Zugleich braucht es Konsens und Kontinuität. Und so etablierte sich das Magazin wie auch der schweizerische Forschungskongress „Coaching meets Research“. Oder wie etliche Verbände. Der Roundtable der Coachingverbände (RTC) war in jenen Jahren für mich bloß ein Kaffeekränzchen. Dass seine Stimme mit den Jahren immer klarer und lauter wurde, freut mich, und ich hoffe aktuell, dass seine professionelle Institutionalisierung als Dachverband in Kürze vollzogen wird.

Als Beispiel für diese Konsensbewegung sehe ich auch die Fokussierung auf Business-Coaching, die wir mit dem Magazin von Beginn an eingeschlagen haben. Das ist ein sinnvoller Kernbereich, den die Coaching-Szene weiter verteidigen sollte. Auch wenn von allen anderen Seiten seit Jahren inflationär an diesen Grenzen gerüttelt wird.

Wichtig war uns, und so haben wir das auch schon in besagtem Vorwort seinerzeit geschrieben, „inhaltlich wirklich auf das Coaching als professionelle Dienstleistung fokussiert zu sein, und nicht schon jedes kleine Kunststückchen aus dem Kommunikationstraining in Verbindung mit modischen Lifestyle-Themen zum Coaching hochzustilisieren.“ Den ersten Teil dieser Aussage würde ich auch heute unterschreiben. Der zweite Teil ist für mich inzwischen Schnee von gestern.(Thomas Webers)

Von der dunklen Seite des Coachings

Es gibt sie, die dunkle Seite der Macht. Aber gibt es auch eine „dunkle Seite des Coachings“? Will man ehrlich sein, muss die Antwort lauten: Ja, es gab schwarze Schafe in der Coaching-Branche, es gibt sie auch jetzt und es wird sie auch in Zukunft geben. Die Branche ist weitläufig, unreguliert und bedient zahlreiche, oftmals sehr verschiedene Interessen – von der Work-Life-Balance bis hin zur spirituellen Wiedergeburt im bestimmten Tierkreiszeichen. Doch wo verläuft die Grenze zu jener „dunklen Seite“ des Coachings? Beginnt sie bereits beim unbeabsichtigten Versäumen eines Coaching-Termins, bei einer einmaligen schlechten Vorbereitung des Coachs – was vielleicht zu einer Behinderung und damit unnötigen Verlängerung des Coaching-Prozesses und damit zu Mehrkosten für den Klienten führt? Oder bei der Verwendung wissenschaftlich nicht verifizierbarer Methoden, bei der mutwilligen Manipulation des Klienten durch den Coach, um ihn an sich oder an sektenähnliche Strukturen zu binden?

Um in einem auch im Jahr 2013 immer noch undurchsichtigen, bezüglich Qualität und Professionalität – freundlich ausgedrückt – „durchwachsenen“ Coaching-Markt hier klar zu trennen und Position zu beziehen, haben wir im Coaching-Magazin mit der Ausgabe 1/2013 die Rubrik „Havarie“ eingeführt. Die Idee dahinter war, die Grenze deutlicher abzustecken und zwar anhand von Kriterien und Standards, die auf wissenschaftlicher Forschung beruhen und von den großen Coaching-Verbänden vertreten werden. Um diesem Ziel auch im Titel der Rubrik gerecht zu werden, wurde er zu Ausgabe 1/2014 in „Bad Practice“ geändert. Denn es geht nicht nur um die Havarien im Sinne von Totalausfällen, sprich wahrlich manipulierenden, sektiererischen Coaches, sondern auch um die alltäglichen Missstände, die vielen kleinen Fehlentwicklungen und die Anwendung zweifelhafter Methoden.

Allerdings befassen sich zahlreiche der Beiträge, so auch der erste Text der Rubrik, durchaus mit derartigen „Totalausfällen“: Anhand einer Aussage einer betroffenen Person wird ein Gruppen-Coaching geschildert, das Glück, Erfolg und Reichtum verspricht, wobei die Teilnehmer mittels Gruppendynamik und Parolen positiven Denkens manipuliert werden (1/2013). Heilsversprechen, Manipulation und das plötzliche „Entdecken“ weiterer dubioser Probleme und Anliegen der Klienten zwecks Buchung weiterer Seminare oder Coachings (3/2013, 1/2014, 3/2016 etc.) sind keine Seltenheit. Nur ist eine so klare Abgrenzung nicht immer möglich, wodurch die erwähnte Problematik der Grenzziehung deutlich wird: Ansätze wie Tier- bzw. Pferdegestütztes Coaching können zu Recht kritisiert werden (2/2014, 4/2014). Der Erfolg der Methoden wird zur Glaubenssache, Coaching zum Placebo. Nur kann man z.B. das Pferd im Coaching als Metapher und Übungsobjekt sinnvoll einsetzen, die positiven Erfahrungen und Gefühle des Klienten nutzen (2/2015). Nur sind sich selbst die Verfasser solcher Gegenpositionen einig, dass (nicht nur) derlei Methoden und Ansätze wissenschaftlich fundiert sein müssen, alles andere sei unprofessionell.

Ohnehin schließt die große Mehrzahl der Beiträge dieser Rubrik mit einem Aufruf zur zwingend notwendigen Professionalisierung und zur Schaffung allgemeiner Qualitätskriterien im Coaching. Einer Feststellung, die das Coaching-Magazin seit jeher nicht müde wird, laut zu äußern. Zum Glück hat sich seit 2008, dem Geburtsjahr des Coaching-Magazins, eine Menge in diesem Bereich getan: Beispielsweise veröffentlichte die Stiftung Warentest Ende 2013 ihre große Untersuchung von Coaching-Ausbildungen mitsamt eines Kriterienkatalogs, woraufhin die – bereits vorhandene – Diskussion über Standards neuen Schub erhielt und viele Coaching-Verbände nachzogen, was letztlich 2015 in die Veröffentlichung der „einheitlichen Standards für professionelles Coaching“ des RTC, eines Zusammenschlusses aller bedeutender Verbände, mündete. Wir haben mit dieser Rubrik den Nerv der Zeit getroffen – und bleiben weiterhin dran. (Dawid Barczynski)

Von Klienten- und Anbieter-Professionalisierung

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Dies darf insbesondere dann behauptet werden, wenn von der Existenz eines Magazins die Rede ist. Schließlich verschwinden viele aus der Taufe gehobene Zeitschriften schon nach wesentlich kürzerer Zeit wieder von der Bildfläche. Der Markt ist schlicht nicht „einfach“. Mit umso mehr Freude können wir heute feststellen, dass die Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten des Coaching-Magazins in den zurückliegenden Jahren stetig – wenngleich nicht explosionsartig – angewachsen ist. Das von Thomas Webers eingangs zitierte Statement, die Coaching-Branche verdiene und benötige für eine lebendige Entwicklung ein eigenes Magazin, hat offenbar nach wie vor Gültigkeit – und erfährt weiterhin Zuspruch.

Aspekte lebendiger Branchen-Entwicklung konnte das Coaching-Magazin seit seiner Gründung zahlreich begleiten, so z.B. die von Dawid Barczynski angesprochene Einigung der RTC-Mitglieder auf gemeinsame Grundpositionen bezüglich der Profession Coaching. Aber auch auf der Nachfrageseite ist, wie viele Coaches berichten, in den zurückliegenden Jahren einiges passiert. Das Stichwort lautet: Klienten-Professionalisierung. „Insbesondere dort, wo man eine feste Personalabteilung oder sogar eine Personalentwicklung eingesetzt hat, ist man bemüht, den Coaching-Begriff zu schärfen und Coaching-Ansätze professionell zu implementieren“, hält z.B. Ralf Gasche im Interview der Coaching-Magazin-Ausgabe 3/2018 fest. Diese Entwicklung, die der Coach vor allem in Großunternehmen verortet, gehe u.a. mit einer guten Coach-Vorauswahl, dem Aufbau von Coach-Pools und der Schaffung von Grundsätzen, nach denen Coaching stattfinden solle, einher. Mit Blick auf den Anbietermarkt kann man dies nur positiv bewerten, sollte es doch – zumindest tendenziell – schwieriger werden, weniger gut qualifizierte oder gar unseriöse Angebote „an den Mann“ bzw. an das Unternehmen zu bringen, wenngleich der Wissenschaftsbeitrag der vorliegenden Ausgabe diesbezüglich zur Skepsis mahnt. Zugleich dürfte die voranschreitende Professionalisierung auf der Nachfrageseite von jenen Coaching-Ausbildern, die den Ansprüchen der Unternehmen genügen, als Segen empfunden werden. Schließlich bedingt sie, dass Coaching-Know-how auch von Funktionsträgern in den Unternehmen, die etwa den Aufbau und die Pflege eines Coach-Pools steuern, nachgefragt wird.

In kleineren Unternehmen sei zwar weiterhin auch Unklarheit in Bezug auf Coaching festzustellen, fügt Gasche im Interview an, berichtet jedoch auch in Bezug auf KMU von veränderten Ansprüchen: „Der unternehmerische Mittelstand erwartet zunehmend von einem Coach, als umfänglich einsetzbarer und strategischer Partner zu fungieren, und das häufig langfristig und disziplinübergreifend.“

Es sind diese Aspekte der Professionalisierung bzw. Ausdifferenzierung aufseiten der Unternehmen und Organisationen, die wir im Coaching-Magazin aktuell häufiger beleuchten wollen: und zwar insbesondere aus der Perspektive der in ihnen verantwortlich handelnden Personen. In der Ausgabe 4/2017 berichteten vier Fachexperten für Coaching in Organisationen (FCIO) des Deutschen Bundesverbands Coaching e.V. (DBVC), wie Coaching die Sinnsuche in ihren Unternehmen – namentlich SAP, Holcim und Helvetia – unterstützt. In der Ausgabe 3/2018 wurde ein Coaching-Konzept vorgestellt, das die MTU Aero Engines zur Begleitung von Führungskräften, die neue Positionen einnehmen, implementiert hat. Die aktuelle Ausgabe enthält einen Artikel, der die Entwicklung einer konzernweit greifenden Coaching-Kultur bei innogy SE beschreibt. An der Bereitschaft dieser (und hoffentlich weiterer) Unternehmen, ihre Erfahrungen mit den Leserinnen und Lesern des Coaching-Magazins zu teilen, ist eine Entwicklung abzulesen, von der auch Dr. Wolfgang Looss im Interview der vorliegenden Ausgabe berichtet: Es vollzieht sich eine Enttabuisierung – und das nicht erst seit gestern. Diese ist in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen, denn erst Offenheit im Umgang mit Coaching und der Abbau negativer Konnotationen (z.B. Coaching als Strafe) ermöglichen die Implementierung rahmen- und strukturgebender Konzepte. (David Ebermann)

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