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Beruf Coach

Training, Beratung, Supervision oder Coaching?

Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsmaßnahmen

9 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2018 am 05.09.2018

Um auf dem wachsenden Coaching- und Beratungsmarkt überleben zu können, werden neben Coachings auch Dienstleistungen wie Training, Beratung, Mediation, Supervision, Marketing angeboten. Das ist sicherlich (wirtschaftlich) sinnvoll, sofern die Person entsprechende Qualifikationen mitbringt. Zudem kann man vieles, was im Coaching Verwendung findet, „interdisziplinär“ einsetzen – man denke z.B. an Coaching-Tools, die ebenfalls in der Supervision zwecks Perspektivwechsel genutzt werden können.

Dies funktioniert, weil es zweifelsohne – inhaltliche und methodische – Überschneidungen zwischen den Maßnahmen Training, Beratung sowie insbesondere Supervision und Coaching gibt. Zumal die eigentliche Innovation des Coachings eine auf Managementaufgaben spezifizierte Kombination der genannten Maßnahmen ist (Coaching-Report, 2018). Anleihen und Parallelen sind daher intrinsisch im Coaching verankert, was jedoch nicht bedeutet, dass es keine klaren Differenzen und Abgrenzungspunkte gäbe – die Frage ist, wo diese liegen?

Grundlegende Gemeinsamkeiten

Gemeinhin gilt Coaching als Maßnahme zur Hilfe zur Selbsthilfe: Der Coach unterstützt den Klienten – in aller Regel eine Führungskraft – darin, sein (berufliches) Anliegen selbst zu lösen. Dies gelingt mittels der „Förderung der Selbstreflexion und -wahrnehmung“ sowie der „selbstgesteuerte[n] Erweiterung bzw. Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten bzgl. Wahrnehmung, Erleben und Verhalten“, was dem Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (DBVC) nach ein „grundsätzliches Merkmal des professionellen Coachings“ darstellt (DBVC, 2018). 

Vier weitere zentrale Wesensmerkmale teilt sich Coaching bereits mit Training, Beratung und Supervision (Rauen, 2014):

  • Es ist keine Psychotherapie, die Maßnahme ist bei psychischen Problemen ungeeignet
  • Zielorientierung am Soll-Zustand, Defizite werden diesbezüglich bearbeitet
  • Grundsätzliches Ziel ist eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Klienten (bei Supervision nur bedingt)
  • Ausrichtung der Maßnahme an der beruflichen Rolle (auch der hiermit zusammenhängenden Begebenheiten) des Klienten

Training und Coaching

Training dient – wie man es auch aus dem Sport kennt – der Erarbeitung und Einübung bestimmter Fähigkeiten bzw. (rollenspezifischer) Verhaltensweisen. Der Trainer muss dabei über eine Fachkompetenz, ein spezifisches Expertenwissen und im besten Fall über Erfahrung verfügen, um sein Wissen nicht nur weiterzugeben, sondern es bei dem oder den Klienten zu verankern. D.h., Methodik und Didaktik spielen hier eine zentrale Rolle: Sind diese ungenügend ausgebaut und nicht auf die Zielgruppe sowie das Thema des Trainings angepasst, ist der Erfolg dieser Maßnahme gefährdet. Im Rahmen eines Marketing-Trainings nützt es den Klienten nichts, den besten Marketing-Experten vor sich zu haben, wenn dieser ein schlechter Lehrer ist. Der Coach dagegen ist kein „Lehrer“, er verfolgt keine spezifische Wissensvermittlung, der Trainer aber wird gerade deshalb angeworben. So sind Thema und Ziel des Trainings von Beginn an vordefiniert und zwar seitens des Trainers (bzw. des Unternehmens, das den Trainer engagiert), der Struktur und Ablauf plant. Dagegen ergeben sich die Ziele des Coachings aus den Vorgaben des Klienten und der „Prozesshaftigkeit“ des Coachings, worin der Deutsche Verband für Coaching und Training e.V. (dvct) auf Anfrage den wesentlichen Unterschied zwischen beiden Maßnahmen sieht: „Die Ziele des Coachings ergeben sich aus der Prozessbegleitung heraus und orientieren sich am Modell der Welt des Klienten“, so Sebastian Mauritz (Vorstandsmitglied dvct). Ferner muss Coaching freiwillig angegangen werden, sonst kann sich der Klient nicht auf den Prozess einlassen, und weil der Klient Experte für sein Anliegen ist, erfolgt die Begegnung auf Augenhöhe; der Coach ist Experte in seinem Fach und trägt Verantwortung für den Prozess, der Klient ist Experte für sich selbst und trägt Verantwortung für das Ergebnis. Zwar ist es besser, ein Training ohne Zwang in Anspruch zu nehmen, doch kann es seitens des Unternehmens angeordnet werden, um den Mitarbeitern für den Geschäftsbereich wichtige Kenntnisse zu vermitteln. Aufgrund des Wissensvorsprungs des Trainers, woraus ein Verhältnis ähnlich dem zwischen Schüler und Lehrer entsteht, arbeiten Trainer und Klienten nicht auf Augenhöhe. Für den dvct ist eine „Verbindung von Coaching und Training als hybride[r] Ansatz erstrebenswert“. So könnten z.B. Verhaltensweisen oder Kommunikationsstrategien, die im Coaching erarbeitet werden, im Training gefestigt werden. Wichtig hierbei sei allerdings, „dass die Rolle, aus der heraus kommuniziert wird, klar markiert und kommuniziert sein muss“, zudem sei eine entsprechende Qualifikation und Kompetenz zwingend.

Beratung und Coaching

Der offensichtliche Unterschied zwischen Beratung und Coaching liegt bereits im Namen: Der Berater gibt Rat. Er ist (wie der Trainer) Experte seines Fachs und belehrt den Klienten zu einem spezifischen Thema wie z.B. der (wirtschaftlichen) Umsetzung bestimmter Unternehmensziele oder er berät zu wirtschaftlichen oder juristischen Fragen. Ein Berater wird also herangezogen, wenn man eine konkrete Lösung für ein Problem sucht oder Tipps zu einem bestimmten Thema braucht.

Der Coach dagegen ist Experte für den Coaching-Prozess und nicht z.B. für Steuerrecht. Die Lösung für das Anliegen des Klienten, damit auch die zuvor genannte Ergebnisverantwortung, liegt bei ihm – im Gegensatz dazu darf man von einem Berater erwarten, dass auf seinen Rat Verlass ist, d.h., er trägt die Verantwortung für seinen Ratschlag und damit für das Ergebnis. Jedoch wird die Frage, ob ein Coach grundsätzlich keinen Ratschlag erteilen darf, kontrovers diskutiert. Einerseits sind Ratschläge im Coaching kategorisch abzulehnen, da hier das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe gilt und, geht man von einer subjektivistischen Weltanschauung aus, die Lösung für das Anliegen des Klienten nur innerhalb dessen Welt gefunden werden kann, auf die der Coach keinen Zugriff hat (Radatz, 2004). Andererseits argumentiert z.B. Dr. Bernd Schmid, dass ein Ratschlag zu gegebener Zeit „der kürzeste Weg zu einer neuen Perspektive oder Hilfestellung“ sein kann, zumal der Coach auch Experte eines bestimmten Fachgebiets ist, in den meisten Fällen Management (2016, S. 35), aber oftmals auch fundiertes Fachwissen zum Arbeitsbereich seiner Klientenzielgruppe mitbringt – der Gedanke dahinter ist, dass Klienten Coaches mit Fachwissen zu ihrem Arbeitsbereich vorziehen.

Dieser eigentlich klare Unterschied zwischen Beratung und Coaching entpuppt sich so als ein potentiell fließender Übergang zwischen beiden Formaten, sodass der Fokus der Differenzierung hier abermals vielmehr auf die Prozesshaftigkeit des Coachings, die Kommunikation auf Augenhöhe und die Konzentration auf den Klienten als Lösungslieferant gelegt werden muss – Punkte, die der Beratung fremd sind, da sie diese im Grunde behindern würden.

Unterschiede zwischen Coaching, Training, Beratung, Supervision

Tabelle: Übersicht Differenzen der Maßnahmen, nach Rauen (2014)

 

Supervision und Coaching

Coaching vs. Training
Coaching vs. Supervision

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Coaching vs. Beratung

Nach Schreyögg (2003) besteht der Unterschied zwischen Supervision und Coaching in einem wesentlichen Punkt: Coaching orientiert sich an den Managementfunktion des Klienten, wohingegen Supervision auf dessen Sachfunktion zielt, bzw. Coaching zielt auf die Personal-, Supervision auf die Personenentwicklung.

Da die Supervision traditionell im sozialen Beratungskontext angesiedelt ist, argumentiert Schreyögg (ebd.), beziehen sich die genannten Sachfunktionen des Klienten auf dessen beraterische Anliegen, einfach gesagt: Eine Supervision unterstützt den Sozialberater darin, besser zu beraten bzw. sein Problem aus dem Beratungskontext zu bewältigen. Beziehungsarbeit bzw. -reflexion ist daher ein zentraler Aspekt der Supervision, weshalb eher die Person mit ihren individuellen Möglichkeiten im Sinne einer Personenentwicklung im Fokus steht, um die komplexen zwischenmenschlichen Interaktionen besser bewältigen zu können. Kommen im Rahmen der Maßnahme allerdings Managementaufgaben hinzu, weil der Sozialberater auch Führungsverantwortung trägt und Führungsprobleme aufzeigt, so wandelt sich der Kontext der Maßnahme hin zum Coaching und es kommt dazu, dass sich „Supervision und Coaching überschneiden. Je höher eine Person in der Hierarchie eines Systems aufsteigt und dementsprechend immer mehr Managementfunktionen wahrzunehmen hat, desto deutlicher handelt es sich dann bei ihrer Beratung um Coaching“ (ebd., S. 218). Coaching ist demnach stärker in der Personalentwicklung verankert, sprich in der Fokussierung auf die „Förderung menschlicher Funktionsträger“ (ebd., S. 220) im Rahmen eben jener Funktion.

Diese kontextabhängige Unterscheidung ist historisch bedingt: Supervision, Ende des 19. Jahrhunderts in der sozialen Arbeit eingeführt, erweitert durch Freud als Supervision von Psychotherapeuten, hat so auch einen anderen kulturellen Kontext als Coaching, das aus der individuellen Förderung von Spitzensportlern kommt (DGfC, 2012) – Unterstützung des Beraters gegen individuelle Spitzenförderung. Entsprechend habe Supervision in Wirtschaftsunternehmen ein „Akzeptanzproblem“, da Manager Personen aus ihrer „Kultur“ suchten, „die auch eine betriebswirtschaftliche Perspektive einnehmen können und bei Themen wie Gewinnmaximierung, Effizienzsteigerung, Karriereplanung etc. nicht fremdeln“ – was Coaches auszeichne, nicht Supervisoren (ebd., S. 2–3).

Allerdings bewertet u.a. die Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching e.V. (DGSv) diese Differenz als unzeitgemäß. Die DGSv argumentiert, dass im „Kontext der neuen Arbeitswelten und der galoppierenden Digitalisierung […] sich die Trennung zwischen Supervision und Coaching immer mehr auf[löst]“ (DGSv, 2017, S. 8) und das „Kernkonzept der Supervision“, sprich die Analyse des „Zusammenspiel[s] von Organisation, Person, Rolle und […] Anspruchsgruppen […] in verschiedenen Feldern der Arbeitswelt sowohl unter dem Namen ‚Supervision‘ wie auch als ‚Coaching‘ nachgefragt [wird]. Die DGSv trägt aus diesem Grund beide Namen im Titel“ (DGSv, 2018). Die Gleichsetzung beider Maßnahmen orientiert sich an der (vermeintlichen) Nachfrage des Marktes. So können auch DGSv-zertifizierte Coaches Supervisionen durchführen, wie der Verband auf Nachfrage bestätigte.

Prof. Dr. Michael Müller-Vorbrüggen, Professur für Personalmanagement und insbesondere Personalentwicklung an der Hochschule Niederrhein, der u.a. zum Vergleich beider Maßnahmen forscht, sagt auf Nachfrage, dass die Abgrenzung, wie sie zuvor nach Schreyögg beschrieben wurde, nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, da längst „sehr viele Supervisoren, auch unter Benutzung der Bezeichnung ‚Coach‘, in wirtschaftliche Zusammenhänge eingedrungen und längst […] soziale Unternehmungen durchaus stark wirtschaftlich aufgestellt“ seien. In diesem Sinne ist die Trennung zwischen Sach- und Managementaufgaben kaum zu halten. Er argumentiert, dass eine Differenzierung mittlerweile nur über eine Analyse der Verbände bzw. ihrer Ausbildungsinhalte funktioniere, zumal es eine riesige Zahl an Coaches und damit auch des möglichen Coaching-Verständnisses gebe. So lasse sich feststellen, „dass fast alle ursprünglichen Supervisionsverbände die Formate gleichstellen […].“ Zudem wiesen alle Zulassungsverfahren akkreditierter Studiengänge „eindeutig in Richtung Gleichstellung der Formate Supervision und Coaching“. Auch bei den Ausbildungen lasse sich bei den Supervisions-Verbänden – explizit DGSv und DGSF – „kaum ein Inhaltsunterschied zwischen Coaching und Supervision“ ausmachen: „Dies scheint der stärkste Hinweis für eine Gleichheit der Formate von Coaching und Supervision zu sein, dokumentiert dies doch, wie ähnlich die Meinung der Verbände zu dem ist, was ein Coach wissen und können muss.“ 

Natürlich kann man mit der Überholtheit der kontextabhängigen Differenzierung der Maßnahmen argumentieren und Coaching und Supervision gleichsetzen – und es nutzt scheinbar jedem: Supervisoren werden so automatisch zu Coaches, Supervisions-Verbände erheben Anspruch, auch für den im Vergleich zum Supervisions-Markt riesigen Coaching-Bereich zuständig zu sein, neue Arbeitsfelder eröffnen sich. Aber ist es sinnvoll, die Grenzen zu verwischen, nur weil es einige wenige Klienten tun? Dieser Logik folgend: Was passiert, wenn der Markt Coaching mit Training gleichsetzt oder die Nachfrage von Coaching zusammen mit Yoga steigt?

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Beratungsmaßnahmen Training, Beratung, Supervision oder Coaching

Literatur

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