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Ethik

Moral am (Schwarz-)Markt

Die moralische Rechfertigung von Verboten

Das gesellschaftliche Miteinander wird durch Gesetzgebung reguliert. Der Gesetzgeber orientiert sich hierbei sowohl an moralischen Maßstäben als auch an rein praktischen Erwägungen und hat so letztlich die Sinnhaftigkeit eines Gesetzes zu bewerten. Bei sogenannten Verbrechen ohne Opfer stellt sich die Frage: Ist ein durch Moral begründetes Verbot, dessen Folgen – ganz gleich, ob ihm eine positive Intention zugrunde liegt – als für das Wohlergehen der Gesellschaft negativ eingestuft werden können, überhaupt moralisch zu rechtfertigen? Ist es etwa seinerseits gar als unmoralisch einzustufen?

16 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2016 am 24.02.2016

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint! Als die Oma der kleinen Alice diese Weisheit mitgeben wollte, hat sie leider noch nicht begriffen, was Oma damit meint. Genauso wenig wie viele dieser Moralapostel, die gerne die Welt in Gut und Böse einteilen und ihr Schwarz-Weiß-Denken als die moralische Sicht der Dinge darstellen. Jedoch hat dieses alte Sprichwort bis heute nichts an seiner Richtigkeit verloren. Oftmals sind Dinge, die aus guter Absicht heraus getan werden, schlimmer als böswillige Taten. Denn die Welt, vor allem die Wirtschaftswelt, ist lange nicht so simpel, dass man das Schlechte einfach nur verbieten muss.

Gerade Verbote und staatliche Eingriffe in die freien Märkte sind oft gut gemeint, haben aber mitunter verheerende Folgen. Das beste Beispiel dafür ist die Prohibition der 20er Jahre in den USA. Eine ganze Schar an Schwarz-Weiß-Denkern hat das Übel der Gesellschaft ausgemacht und ihm den Kampf angesagt: Alkohol. Die Politik reagierte und Verkauf und Ausschank von Alkohol wurden verboten. Arbeitsplätze wurden vernichtet. Unzählige Erwachsene wurden bevormundet und durften nicht mehr etwas tun, was zugegebenermaßen nicht gerade gesund ist, aber was sie durchaus schätzten.

Kurzzeitig ging der Konsum von Alkohol zurück, jedoch hielt dieser Erfolg nicht lange an. Die Nachfrage nach Alkohol blieb bestehen. Da das Verbot den Alkoholpreis auf dem Schwarzmarkt in die Höhe trieb und damit auch riesige Gewinnspannen versprach, blühte die Mafia regelrecht auf: Die freigewordenen Stellen für Alkoholherstellung und Distribution wurden fortan nämlich von Männern wie Al Capone übernommen. In den 30er Jahren mussten die USA einsehen, dass das gutgemeinte Verbot nicht zum Schutz der Gesellschaft beitrug, sondern sie dem Terror der organisierten Kriminalität auslieferte.

Auch wenn die Abstinenzbewegung gut gemeint war, entpuppten sich die Folgen ihres Engagements als alles andere als gut. Doch woher hätten sie das wissen sollen? Wie kann man wissen, ob die gute Sache, für die man sich stark macht, die Welt auch tatsächlich zu einem besseren Ort macht?

Verbrechen ohne Opfer

Bis vor einigen Jahren mussten Homosexuelle in Deutschland noch befürchten, für das Ausleben ihrer sexuellen Ausrichtung bestraft zu werden, da dies illegal war. Dies wird als ein „Verbrechen ohne Opfer“ bezeichnet, da sich ein solches Verbrechen dadurch auszeichnet, dass keine der involvierten Parteien durch eine andere geschädigt wird und alle Beteiligten mit der Handlung einverstanden sind, die Gesellschaft es dennoch verbietet.

Homosexualität fällt leider in vielen Ländern immer noch in diese Kategorie; in Deutschland berechtigterweise nicht mehr, genauso wie Glücksspiel und Prostitution. Doch immer noch gibt es solche Verbrechen ohne Opfer in Deutschland. Der Handel und Konsum von Drogen fällt ebenso in diese Kategorie. In der aktuellen Debatte wird diskutiert, ob bestimmte Drogen wie Marihuana legalisiert werden sollen. Auf der anderen Seite setzen sich Feministen um Alice Schwarzer dafür ein, dass Prostitution in Deutschland wieder verboten wird.

Die Verbote von Drogen und Prostitution sind gut gemeint, da sie die Menschen vor Schlechtem schützen sollen, doch ist dies ein klarer Fall von gut gemeint, aber nicht gut.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Verbote sind absolut notwendig für eine Gesellschaft und sind die Grundlage der Moral. Moralische Normen sind größtenteils Verbote und ohne sie wäre ein Miteinander kaum vorstellbar. Doch die Welt ist komplexer als die Formel: Gut – erlaubt, Böse – verboten. Man muss die verschiedenen Situationen, in denen Verbote das Zusammenleben von Menschen regeln und verbessern sollen, genau betrachten.

Es gilt hier zwei Ebenen zu trennen. Die normative Ebene ist die bewertende, die festlegt, was genau Gut und Böse sind, was moralisch erlaubt und was verboten sein sollte. Hierbei müssen verschiedene Moraltheorien und ethische Vorstellungen in Betracht gezogen werden. Diese sind teilweise abhängig von der empirischen Ebene, die die Daten und Faktenlage beschreibt. Anhand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, historischer Daten und wirtschaftswissenschaftlicher Modelle lassen sich wichtige Erkenntnisse ableiten.

Bei der Frage nach einer Legalisierung von Drogen und Prostitution steht in erster Linie die Sinnhaftigkeit eines Verbotes zur Debatte. Wenn ein Verbot zwecklos ist, kann es zwar moralisch wünschenswert sein, aber es wäre nicht besonders schlau, es umzusetzen. Andersherum könnte ein Verbot zwar wirkungsvoll, aber auch gleichzeitig moralisch verwerflich und demnach ebenso fragwürdig sein.

Dementsprechend muss auf beiden Ebenen das Ergebnis sein, dass ein Verbot wünschenswert ist. Es würde also reichen, zu zeigen, dass es auf einer Ebene nicht der Fall ist, um ein Verbot zu kippen. Es wird hier dafür argumentiert werden, dass es sogar auf beiden Ebenen unhaltbar ist, Verbrechen ohne Opfer zu verbieten.

Die empirische Ebene

Zunächst sollen die Verbote von Drogen und Prostitution auf der empirischen Ebene betrachtet werden.

Verbot von Drogen

Historisch durch die Prohibition belegt ist die Sinnlosigkeit eines Alkoholverbots. Ebenso hat die Legalisierung von Marihuana in den Niederlanden gezeigt, dass der quantitative Konsum der Droge nicht stark dadurch beeinflusst wird. Der geschätzte Konsum pro Kopf ist bei Deutschen immer noch höher als bei den Niederländern.

Zudem gibt es Studien, die belegen, dass Alkohol und Tabak weitaus gefährlichere Drogen als Marihuana sind. Suchtpotential, negative Folgen für die Gesellschaft und negative Folgen für die eigene Gesundheit sind gemäß den Studien höher als beispielsweise bei Ecstasy. Trotzdem sind Alkohol und Tabak legal und die Gesellschaft geht davon auch nicht zu Grunde.

Wir haben also legale Drogen, ohne verheerende Auswirkungen auf die Gesellschaft, sehen in anderen Ländern, dass die Legalisierung weiterer Drogen ebenso keine signifikante Verschlechterung der Situation nach sich zog. Ein Verbot scheint also nicht zielführend. Zudem zeigt die Geschichte, dass ein Verbot die Situation sogar verschlechtern kann.

Jedoch können historische Belege und wissenschaftliche Studien bezweifelt werden (auch wenn die Faktenlage eindeutig ist). Es kann zudem eventuell doch noch behauptet werden, dass ein Verbot dazu führt, dass signifikant weniger konsumiert würde und ein Verbot dementsprechend nicht sinnlos sei. Jedoch hat der Drogenkonsum und -handel eine ökonomische Komponente, die bei anderen Verbrechen ohne Opfer wie z.B. homosexuellem Geschlechtsverkehr nicht vorhanden ist.

In einem Land, in dem Homosexualität verboten ist, entwickelt sich kein Schwarzmarkt um gleichgeschlechtlichen Sex, da hier keine Waren und Dienstleistungen gehandelt werden. Bei Drogen sieht die Sache anders aus und auf dem Schwarzmarkt greifen dieselben ökonomischen Prinzipien wie auf dem legalen, freien Markt. Das Verbot von Drogenhandel macht die Handlung teurer, da Dealer wie Konsument Gefahr laufen, bestraft zu werden.

Das hat Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage. Der Preis der Droge wird deshalb stark ansteigen und nur noch auf dem Schwarzmarkt erhältlich sein, da auch dieser durch die unsichtbare Hand geregelt wird. Denn je weniger Dealer Drogen anbieten, sprich je geringer das Angebot ist, desto höher fallen der Preis und damit auch die Gewinnspanne aus. Je größer die Gewinnspanne ist, desto höher ist der Anreiz, in den (Schwarz-) Markt einzutreten. Sobald die Dealeranzahl und damit das Drogenangebot auf ein Minimum sinken, wird der „Job“ des Dealers aufgrund der horrenden Preisspanne wieder attraktiver.

Es ist also egal, wie viele Dealer hinter Gitter gebracht werden, dies kann nur zu einem temporären Rücklauf des Drogenangebots führen.

Ein Verbot von Drogen führt also langfristig lediglich zu einem Auf und Ab im Drogenangebot und Drogenhandel. Der Berufsstand des Drogendealers wird aber aufgrund dieser ökonomischen Gesetzmäßigkeiten nie verschwinden, egal wie drakonisch die Strafen, egal wie hoch der Erfolg der Strafverfolgung sein wird.

Jährlich werden in den USA ca. zwei Millionen Menschen wegen Drogendelikten verhaftet, ohne einen Rückgang des Drogenkonsums zu bewirken. Das Einzige, was ein Verbot bewirkt, ist eine Kriminalisierung, die wiederum Steuergelder in Milliardenhöhe kostet. Laut Jeffrey Miron, einem amerikanischen Professor für Ökonomie an der renommierten Harvard University, könnten allein in den USA jährlich fast 50 Milliarden US-Dollar gespart werden, wenn Drogen legalisiert würden.

Aber nicht nur Verschwendung von Steuergeldern, sondern auch ein Aufblühen der organisierten Kriminalität wird durch ein Verbot bewirkt. Diese kann dann auch wiederum bekämpft werden, aber wie bereits gezeigt, lässt sich der Berufsstand des Drogendealers nicht beseitigen.

Am amerikanischen „War on Drugs“ lässt sich sehr gut erkennen, dass egal wie hoch der investierte Aufwand zur Bekämpfung dieses Symptoms ist, dies die Lage nur verschlimmert. Auch Mexiko und nahezu alle südamerikanischen Staaten haben den Drogen den Krieg erklärt. Kolumbien ist der Hauptproduzent von Kokain, weswegen die Regierung in Zusammenarbeit mit der US-Regierung den sogenannten „Plan-Colombia“ verabschiedet hat, der u.a. beinhaltet, die vermeintlichen Kokaplantagen Kolumbiens mit Giften zu besprühen. Aber es werden oft auch normale Felder besprüht. Die Folgen für die Bevölkerung und die Umweltschäden sind verheerend.

Laut Bericht des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) konnte dieser Krieg gegen Drogen bisher weder die Produktion, den Handel, noch den Konsum von Drogen einschränken, sondern hat lediglich bewirkt, dass sich die Drogenproduktion von einem Land ins nächste verlagert hat. Die Todeszahlen, die sich direkt auf diesen Drogenkrieg zurückführen lassen, gehen allein in Mexiko jährlich in die Zehntausende. Die Kriminalisierung und Bekämpfung der Drogen verursacht weltweit viel mehr Tote und Verletze, als die Drogen selbst jemals erzielen könnten.

Diese gescheiterten Versuche, den Drogenhandel zu bekämpfen, zeigen, dass auch die Erhöhung des Polizeiaufkommens und die härtere Strafverfolgung keinen Einfluss auf die Drogenkriminalität und den Konsum haben. Die Faktenlage ist also eindeutig: Ein Verbot von Drogen hat bei weitem viel schlechtere als gute Folgen für unsere Gesellschaft.

Verbot von Prostitution

Bei Prostitution ist die Lage ähnlich, aber lange nicht so verheerend wie bei Drogen. In vielen Ländern ist Prostitution verboten, jedoch greifen dort wieder dieselben ökonomischen Prinzipien des (Schwarz-)Marktes. Da es immer eine Nachfrage nach käuflichem Sex geben wird, wird es auch immer ein Angebot dafür geben, sobald der Preis dafür hoch genug ist.

Doch die Kriminalisierung dieses Berufsstandes hat eine Reihe von negativen Nebeneffekten hervorgerufen. Menschenhandel und Zuhälterei sind die Folgen der Abdrängung dieser Branche in die Illegalität. Vergleichbare Branchen, die seit jeher legal sind, wie die Pornobranche haben nicht mit diesen Nebeneffekten zu kämpfen. Das Problem liegt also nicht am käuflichen Sex, denn das ist bei der Pornoindustrie nicht anders, sondern an der Illegalität.

Der richtige erste Schritt wurde von Deutschland unternommen, indem Prostitution legalisiert wurde. Jedoch hat die Legalisierung alleine nicht gereicht, um zum Teil Jahrhunderte alte Strukturen der Zuhälterei aufzubrechen. Eine massive Strafverfolgung der offensichtlich verbotenen Handlungen der Zuhälterei und des Menschenhandels sind notwendig, um dies zu erreichen. Aber die Moralisten fordern nicht die stärkere Strafverfolgung der Zuhälterei, sondern wieder ein Verbot der Prostitution. Alice Schwarzer und die Moralisten wollen also das Problem damit lösen, dass sie die Ursache des Problems, das Verbot, erneuern, anstatt die Schäden, die das Verbot verursacht hat, zu beseitigen.

Auf der empirischen Ebene ist demnach klar, dass Verbote von Verbrechen ohne Opfer negative anstatt positive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Natürlich kann man vor diesen Fakten seine Augen verschließen und immer noch die Position des Moralisten vertreten, dem es ums Prinzip geht: „Drogen sind böse und deshalb müssen sie verboten werden, denn Schlechtes gehört verboten!“ Doch ist das denn tatsächlich so? Es lohnt sich der Blick auf die moralische Ebene eines Verbotes.

Die moralische Ebene

Es gibt unzählige Moralvorstellungen und -theorien, die Handlungen in verschiedener Weise als richtig oder falsch bewerten. Der Konsequentialismus, vor allem in seiner populärsten Form des Utilitarismus, bewertet Handlungen am Wert ihrer Folgen. Die moralische Qualität einer Handlung misst sich anhand des Nutzens für alle: Simpel ausgedrückt könnte man sagen, dass die Handlung, die am besten für alle ist, die moralisch richtige ist. Auf der empirischen Ebene wurde festgestellt, dass ein Verbot von Drogen nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich ist, womit es laut Utilitarismus sogar moralisch gefordert wäre, Drogen zu legalisieren, da ein Verbot auch moralisch als falsch zu bewerten wäre.

Andere Moraltheorien machen die Qualität einer Handlung nicht an deren Folgen fest, sondern bewerten die Handlung selbst. Dann stellt sich die Frage, ob es für einen Staat moralisch erlaubt ist, erwachsenen Menschen etwas zu verbieten, was sie angeblich vor sich selbst schützen soll. Ein solcher Eingriff nennt sich Paternalismus und ist in vielen Fällen absolut nachvollziehbar.

Ein Kind kann oftmals die Folgen seiner Handlung nicht richtig einschätzen. Daher dürfen Eltern ihre Kinder z.B. davon abhalten, auf eine heiße Herdplatte zu fassen. Wenn hingegen ein erwachsener Mensch tatsächlich auf eine heiße Herdplatte fassen will, obwohl er sich aller Konsequenzen bewusst ist, bräuchte man einen guten Grund, ihn davon abzuhalten, da er durch seine Handlung ausschließlich sich selbst beeinträchtigt.

Ebenso kann sich eine Person sehr wohl über alle Folgen einer Droge bewusst sein und sie dennoch nehmen wollen. Ein unheilbar Kranker, der nur noch wenige Wochen zu leben hat und unter immensen Schmerzen leidet, könnte durchaus die bewusste Entscheidung treffen, diese letzten Wochen mit Heroin zu verbringen. Dieselben Abwägungen und Entscheidungsfindungsprozesse könnten auch bei allen anderen Drogen angestellt werden, wenn der Staat hier nicht von vornherein eingreifen würde.

Welche guten Gründe könnten also die Fürsprecher des Drogenverbots anführen, um den Drogenkonsum bei Erwachsenen einzuschränken? Natürlich ist die Einnahme von Drogen mit negativen Folgen für die Gesundheit des Konsumenten verbunden. Aber reicht das, um ein staatliches Verbot zu rechtfertigen? Darf der Staat erwachsene Menschen vor sich selbst schützen?

Der Staat lässt Erwachsene alle möglichen Arten von Verträgen abschließen, Alkohol konsumieren, Rauchen, Extremsport machen, Fast Food essen, schnelle Autos fahren und sogar einen Waffenschein machen. Diese Dinge erfordern mindestens dieselbe Weitsicht und bergen genauso Gefahren, wie der Konsum von Drogen; dennoch wird nur bei Drogen für einen Paternalismus argumentiert.

Nichtsdestotrotz ist bei Kindern und Jugendlichen ein Drogenverbot sinnvoll, bei Erwachsenen jedoch weniger, da bei ihnen davon ausgegangen wird, dass sie die Folgen ihrer Handlungen absehen können. Zwar ist es eine Gradfrage, inwieweit Erwachsene die Konsequenzen ihres Handelns besser abschätzen können als Jugendliche, aber dies gilt auch für staatliche Verantwortungsträger, daher ist es keinesfalls unproblematisch, anzunehmen, dass hier ein Paternalismus von Seiten des Staates gerechtfertigt ist. Es ist schwierig zu sagen, ab wann jemand die Folgen seiner Handlung korrekt einschätzen kann, und dementsprechend ist es schwierig, eine Altersgrenze zu ziehen.

Es gibt aber keinen Grund, bei Drogen nicht ebenso pragmatisch wie bei Alkohol und Tabak zu verfahren: Wer volljährig ist, darf selbst über sein Leben entscheiden. Natürlich gibt es Personen, die mit 18 noch nicht die geistige Reife haben, weitreichende Folgen ihrer Handlung abzuschätzen. Aber wieso sollte ein Verbot von Marihuana Sinn ergeben, wenn diese jungen Erwachsenen sich dafür zu Tode saufen dürfen?

Gleichzeitig betrifft das Drogenverbot oft junge erwachsene Menschen, welche bestens informiert sind über mögliche Konsequenzen ihres Umgangs mit Rauschmitteln. Aber sollte man diesen Erwachsenen nicht dennoch das Einnehmen von Drogen verbieten, da ein legalisierter Drogenkonsum Vorbildcharakter für Jugendliche haben kann? Auch hierbei scheint es heuchlerisch, zu behaupten, dass Erwachsene aufgrund der Vorbildfunktion nicht koksen dürfen, wenn selbst ausufernder Alkoholkonsum „in Ordnung“ ist.

Aber was viel wichtiger ist, ist doch, dass der Rockstar – unabhängig von einem Verbot – Drogen nimmt und nicht weniger schlechtes Vorbild ist, nur weil die Drogen verboten sind. Die Kinder eifern ihren (schlechten) Vorbildern nach, sollen sie deshalb in die Kriminalität abgedrängt werden? Und selbst wenn es den Kindern ein schlechtes Vorbild wäre, ist es auch nicht klar, ob der Staat seinen Bürgern einfach Dinge verbieten darf, weil dies die Gefahr birgt, die Jugend zu verderben. Verstößt ein solcher Paternalismus nicht gegen moralische Grundprinzipien?

Ein liberales Grundprinzip, das auf große Denker wie Locke, Mill und Kant zurückgeht, besagt, dass die Freiheit des Einzelnen erst an der Freiheit des Anderen endet. Danach wäre ein paternalistischer Eingriff ein Fall von moralisch nicht gerechtfertigtem Zwang seitens des Staates, denn er stellt eine Missachtung der Freiheit der Person dar.

Die meisten Dinge, die ein Mensch tun kann, haben in irgendeiner Form einen Preis, einen Nachteil, oder sind auf irgendeine Art schädlich; dennoch wägen Personen zwischen Vor- und Nachteilen ab. Wenn ein solches Handeln nicht unmoralisch (im Sinne von einer Beeinträchtigung einer anderen Person oder der Gesellschaft) ist, besteht kein Grund, dies zu verbieten.

Natürlich gibt es noch andere Moraltheorien, aber kaum Möglichkeiten, für Verbote zu argumentieren, die Handlungen unterbinden, welche niemanden schädigen. Ein Verbot von Verbrechen ohne Opfer ist daher zumindest moralisch fragwürdig. Hiergegen könnte eingewendet werden, dass das Konzept „Verbrechen ohne Opfer“ zu simplifizierend sei, da es oft indirekte Opfer gibt. Jedoch entstehen die meisten indirekten Opfer durch die Kriminalisierung, so werden unbescholtene Bürger durch die Beschaffungskriminalität zu Opfern von Junkies. Nicht das Konzept „Verbrechen ohne Opfer“, sondern das Konzept „schlechte Dinge verbieten, dann wird alles besser“ ist zu simplifizierend. Die empirischen Daten sprechen auch gegen solche Verbote, daher kann der gutgemeinte Versuch der Moralisten tatsächlich als in höchstem Maße schädlich bewertet werden.

Fazit

Kokain und Marihuana herzustellen und zu verkaufen, könnte genauso ein ungefährlicher und unbedenklicher Beruf sein, wie das Herstellen von Whisky und Zigaretten. Der Beruf der Prostituierten ist auch ohne Zuhälterei und Menschenhandel gut vorstellbar, analog zum Beruf des Pornodarstellers. Solange es Menschen gibt, die solche Verbrechen ohne Opfer begehen wollen, wird es sie zumindest auf dem Schwarzmarkt geben, was für die Gesellschaft weitaus schlechtere Folgen hat.

Deshalb ist es sinnvoller, diese Berufe nicht in die Illegalität zu drängen. Natürlich wird es Menschen geben, die diese Jobs nicht im vollen Sinne freiwillig, sondern nur des Geldes wegen ausüben. Aber das trifft ebenso auf die Klofrau zu. Zudem verletzt die Gesellschaft bzw. der Staat die Freiheitsrechte der Personen, die diese Verbrechen ohne Opfer begehen wollen, denn, wenn überhaupt, schaden sie sich damit selbst. Und das ist ihre persönliche Sache.

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