Methoden

Die fünf Säulen der Identität

Das „Identitätshaus“ als Basis zielführender Coaching-Prozesse

Die Klärung des Klienten-Anliegens ist ein zentraler Schritt eines jeden Coaching-Prozesses. Mit der bloßen Benennung eines Problems oder Wunschs ist es aber in vielen Fällen nicht getan, denn nicht selten verbergen sich hinter einem vordergründigen Ziel „tieferliegende“ Ursachen, Muster oder Bedürfnisse, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Gerne wird hier vom „Anliegen hinter dem Anliegen“ gesprochen. Die Methode „Fünf Säulen der Identität“ ermöglicht es, ein ganzheitliches Bild vom Klienten-Anliegen zu erarbeiten – visualisiert als „Identitätshaus“.

15 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2023 am 06.09.2023

Der erste wichtige Schritt in jedem Coaching ist die Klärung des Klienten-Anliegens. Diese Etappe ist grundlegend für den weiteren Prozess und bestimmt Zielsetzung, Fokus sowie Gestaltung des Coachings. Allerdings gestaltet sich das Auffinden, Eingrenzen und Formulieren des eigentlichen Problems für Klient und auch Coach nicht immer einfach. Es ist keine Seltenheit, dass Klienten ins Coaching kommen, weil sie ein Problem wahrnehmen, dieses jedoch (noch) nicht klar benennen oder definieren können.

Auf einen Blick

  • Jedes Coaching umfasst die Klärung des Klienten-Anliegens. Dies ist jedoch nicht immer einfach, da vom Klienten benannte Probleme oder Ziele oftmals Ausdruck eines zunächst weniger offensichtlichen Kernanliegens sind.
  • Mit Hilfe der Methode der fünf Säulen der Identität lassen sich Motive, Muster, Bedürfnisse etc., die sich hinter vordergründig benannten Problemen oder Zielen verbergen, identifizieren und visualisieren.
  • Die Fünf-Säulen-Methode ermöglicht es dem Klienten somit, seine aktuelle Situation ganzheitlich zu betrachten, was den weiteren Coaching-Prozess auf eine gute Basis stellt.

Um Klienten in solchen Fällen bei der Klärung ihres Anliegens zu unterstützen, kann der Coach auf die Methode „Fünf Säulen der Identität“ zurückgreifen. Sie dient der Orientierung in der Anfangsphase des Coachings, indem sie die Selbstreflexion des Klienten anregt. Ziel ist hierbei, dass der Klient durch eine angeleitete und umfassende Selbstanalyse sein eigenes Anliegen verstehen und in klare Worte fassen kann. Gleichzeitig lernt der Coach seinen neuen Klienten genauer kennen und kann sein weiteres Vorgehen an dessen individuelle Bedürfnisse anpassen. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist es, die aktuellen Ressourcen (die starken Säulen) des Klienten herauszufinden und ein Gefühl dafür entstehen zu lassen, wo er aktuell relativ stabil ist.

Für ein ganzheitliches Bild des Klienten

Das Konzept der fünf Säulen der Identität stammt aus der integrativen Psychologie und Therapie, begründet von Hilarion G. Petzold. Dieser integrative Ansatz verdankt seinen Namen der Tatsache, dass er aus verschiedenen (Identitäts-)Theorien der Philosophie, Anthropologie und Psychoanalyse sowie verschiedenen Therapieansätzen (Gestalttherapie, therapeutisches Theater, Psychodrama) schöpft und diese zu einem umfassenden Ansatz vereint (Deloie et al., 2007). So begegnet die integrative Perspektive der ständig zunehmenden Komplexität unserer Welt und dementsprechend den komplexen Herausforderungen und Prozessen menschlicher Identität. Das Fünf-Säulen-Konzept der Identität basiert also auf einem ganzheitlichen Verständnis: Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Seele und Geist in einem bestimmten Umfeld und zeitlichen Verlauf. Demnach ist Identität nichts Statisches, sondern entwickelt und verändert sich im Verlauf des Lebens.

Zentral im integrativen Verständnis von Identität ist, dass sie weder vom Individuum allein ausgeht noch ausschließlich von außen der Person zugeschrieben wird. Stattdessen entsteht Identität durch Kontakt, Konfrontation und Interaktion des Menschen mit anderen Individuen sowie Gesellschaft und Kultur im Allgemeinen. (Petzold, 2004) Zudem steht Identität in der integrativen Perspektive nie endgültig fest, da sie als Ergebnis von individueller und kollektiver Identitätsarbeit kontinuierlich Revisionen und Neuinszenierungen erfährt.

Aus diesem Verständnis geht hervor, dass das Individuum innerhalb der Identitätsformung eine zentrale und – wenn gewollt und gefördert – auch eine aktiv gestaltende Rolle einnimmt. An dieser Stelle kann ein Coaching wirkungsvoll ansetzen und den Klienten dazu anleiten, die eigene Identität konstruktiv und kreativ mitzugestalten. Identität, so Petzold (2004, S. 47), ist „gestaltet und gestaltbar, und das zu sehen, zu erfahren, zu vermitteln wird ein Kernmoment jeder helfenden, therapeutischen, agogischen Arbeit werden müssen“.

Das Konzept der fünf Säulen der Identität dient in der integrativen Therapie als eine diagnostische Methode. Sie hilft dabei, festzustellen, in welchem Aspekt des Identitätsprozesses Probleme entstehen und dementsprechend wo die Therapie bzw. das Coaching ansetzen kann. Jede der fünf Säulen stellt hier einen von einem bestimmten Lebensbereich geprägten Aspekt der Identität dar: Leiblichkeit, Soziales Netzwerk, Beruf, Sicherheit und Werte. Gemäß dem integrativen Verständnis beeinflussen sich die Säulen wechselseitig und sind immer als Einheit zu verstehen.

Die Abbildung  veranschaulicht die fünf Säulen als tragende Elemente von Identität und der damit verbundenen Zukunftsvision. Zudem wird ersichtlich, dass die Beschädigung einer bzw. mehrerer Säulen oder auch die Unausgeglichenheit zwischen den verschiedenen Säulen das gesamte Identitätsgerüst ins Wanken bringt. Die jeweiligen Säulen können wie folgend beschrieben werden (vgl. Petzold, 2004):

Visualisierung des Identitätshaus
Abb.: Momentaufnahme der persönlichen Lebenssäulen, Visualisierung als „Identitätshaus“ (eigene Darstellung in Anlehnung an Petzold, 2004)

1. Leib (Leiblichkeit): Diesem Bereich ist alles zuzuordnen, was mit dem Leib (Körper und Geist) zu tun hat, z.B. Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Aussehen, Selbstwertgefühl etc.

2. Soziales Netzwerk: Diesem Bereich sind die sozialen Bindungen, Beziehungen, Netzwerke zuzuordnen, d.h., die Menschen, die für jemanden wichtig und bedeutsam sind, denen er wichtig ist, mit denen er zusammenlebt und arbeitet.

3. Beruf (Arbeit und Leistung): Vor dem Hintergrund, dass der Mensch den überwiegenden Anteil seiner Wachzeit bei der Arbeit verbringt, wird deutlich, wie wichtig dieser Bereich für die Identität ist. Arbeitszufriedenheit, Erfolgserlebnisse und Freude an der eigenen Leistung wirken sich positiv auf die Identität aus. Hingegen können freudloses Arbeiten, Arbeitsüberlastung, überfordernde oder fehlende Leistungsansprüche die Identität nachhaltig negativ beeinflussen und die anderen Säulen in Mitleidenschaft ziehen.

4. Materielle und kulturelle Sicherheit (materielle Sicherheit und Eingebundensein in die (Um-)Welt): Weiterhin wird die Identität beeinflusst von den materiellen Sicherheiten, z.B. Einkommen, Besitztümer, aber auch dem ökologischen Raum, dem sich jemand zugehörig fühlt (Land, Kulturkreis).

5. Werte (Zukunftsvision, Werte, Lebensphilosophie): Die fünfte tragende Säule der Identität betrifft die persönlichen Werte, Normen und Visionen, nach denen sich ein Mensch ausrichtet. Also das, was jemand für richtig und wichtig in Bezug auf sein Hier und Jetzt und seine Zukunft hält, wovon er überzeugt ist, wofür er eintritt und sich engagiert.

Die fünf Säulen im Coaching-Prozess

Um als diagnostisches Mittel und als hilfreicher Gesprächsanlass Anwendung zu finden, muss das Fünf-Säulen-Konzept als theoretisches Konstrukt in die Praxis überführt werden. Hierbei kann z.B. an den von Kames (2011) entwickelten Fragebogen zur Erfassung der Fünf Säulen der Identität (FESI) angeknüpft werden. Dieser bietet einen Katalog von 50 Items, jeweils zehn pro Säule, welche anhand einer Studie ermittelt wurden (ebd.). FESI ist somit eine theoretisch begründete und evidenzbasierte Methode der Diagnostik, welche auch im Coaching eingesetzt werden kann. Jedoch bietet Kames kein standardisiertes Muster zur Auswertung des Fragebogens, diese Aufgabe muss vom jeweiligen Coach selbst übernommen werden. Hierbei können, wie von Petzold (2004) vorgeschlagen, Visualisierungen in Form von Identitätsbildern hilfreich sein.

Auch Rauen (2008) bietet einen auf den Einsatz der Methode als Coaching-Tool angepassten Fragenkatalog für den Einsatz der Fünf-Säulen-Methode an, welche er in der Orientierungsphase des Coaching-Prozesses verortet. Besonderer Fokus wird hier auf die Säule „Beruf“ gelegt, wobei Rauen betont, dass die Fragen an die jeweilige Coaching-Situation angepasst und generell offengehalten werden sollten, um bestmöglich auf die Bedürfnisse des Klienten eingehen zu können. Die zusätzliche Visualisierung der Säulen hilft hierbei, Unausgeglichenheiten sowie persönliche Prioritäten festzustellen: Je nachdem, als wie wichtig eine Säule empfunden wird, wird sie breiter oder schmaler (also mehr oder weniger tragend für das „Dach“ der Identität) gezeichnet.

Durch die Betrachtung der fünf Säulen, die für jeden Menschen in irgendeiner Form relevant sind, wird der Klient zu einer Status-quo-Analyse angeregt, zunächst ohne sein Problem vordergründig zu betrachten. Oft kommt das Problem während der Besprechung der betroffenen Säule(n) auf natürliche Weise ans Licht. Außerdem kann die Fünf-Säulen-Methode dann wirksam angewendet werden, wenn ein Klient zwar ein konkretes Problem benennt, aber die Vermutung besteht, dass dieses durch tieferliegende Umstände hervorgerufen wird. Auch über andere Bereiche (Säulen) zu sprechen als nur über das konkrete Problemthema selbst, kann Muster zutage fördern, die dieses Problem erst zu einem solchen machen und sich potenziell in anderen Bereichen wiederholen.

Die Vorteile dieser Methode liegen darin, dass der Klient sich seiner Identität bewusster wird und erkennt, welche Bereiche seines Lebens eventuell in Schieflage geraten sind und wo er aktiv werden muss, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Hierbei spielen in der Regel die individuellen Werte eine bedeutende Rolle, da sie Auslöser für Bedeutungszuschreibungen, Erklärungs- und Handlungsmuster sind. Beim vorliegenden Fallbeispiel wird das deutlich.

Fallbeispiel

Frau B. war 38 Jahre alt und als Bereichsassistenz in einem Handelsunternehmen tätig. Sie war mit ihrer Gesamtsituation unzufrieden, tat sich aber schwer damit, ihr Problem konkret zu benennen. Im ersten Austausch wurde der berufliche Kontext mehrfach erwähnt und als ausschlaggebender Beweggrund genannt, einen Coach aufzusuchen. Es war zu spüren, dass Frau B. großes Interesse an einer Veränderung hatte und auch bereit war, dafür zu arbeiten.

Was war das Anliegen?

Frau B. wünschte sich einen externen Blick auf ihre Situation. Da sie ihre Unzufriedenheit nicht genau benennen oder erfassen konnte, hoffte sie, mit Hilfe eines Coachs Klarheit darüber zu erlangen, was sie unzufrieden machte und auch, wie sie ihre Unzufriedenheit angehen und in Zufriedenheit umwandeln konnte. Die Fünf-Säulen-Methode diente als Einstieg, um gemeinsam zu identifizieren, wo Frau B. ihre Unzufriedenheiten verortete, und deren Umfang einzuschätzen.

Zu Beginn erklärte der Coach das Konzept und händigte Frau B. eine Visualisierung des Fünf-Säulen-Modells aus. Der Coach erläuterte kurz die einzelnen Säulen und bat Frau B., sich Gedanken zu machen, welche Themen ihr im Rahmen der einzelnen Säulen wichtig sind: Was fällt ihr spontan zur entsprechenden Säule ein? Was ist aktuell gut, was nicht? Wo gibt es einen Störfaktor? Die Einträge sollte Frau B. dann als „im Moment erfüllt“ (Plus) bzw. „im Moment nicht erfüllt“ (Minus) bewerten.

Da Frau B. im Vorgespräch der Austausch zu beruflichen Themen leicht zu fallen schien, startete der Coach spontan mit der Säule „Beruf/Leistung“. Frau B. konnte mit diesem Thema sehr gut einsteigen und es wurde deutlich, dass sie sich stark über ihre Arbeit definiert. Ein Teil der Unzufriedenheit rührte von der aktuellen Tätigkeit her, die weit über die definierte Stellenbeschreibung hinausging.

In ihren Erklärungen erwähnte Frau B. ein Gespräch mit dem Vorgesetzten, das noch ausstand und von ihr hätte angegangen werden sollen. Aus zu diesem Zeitpunkt noch unklaren Gründen schob sie dieses Gespräch immer wieder auf. Frau B. machte deutlich, dass die Arbeit einen hohen Stellenwert in ihrem Leben einnimmt und sie die mit ihr verbundene Bestätigung braucht.

Durch entsprechende Bemerkungen war darauf zu schließen, dass diese Bestätigung vor allem in finanzieller Form erwartet wurde. Die Äußerung ermöglichte einen fließenden Übergang zur Säule (materielle/finanzielle) „Sicherheit“. Diese Säule bestätigte eine Unzufriedenheit im finanziellen Bereich, die Frau B. maßgeblich mit der beruflichen Säule in Verbindung brachte.

Über die Frage des Coachs, was Frau B. abgesehen von finanziellen Sicherheiten braucht, leitete sie von selbst über zur Säule „Soziales Netz“ und damit zu ihren zwischenmenschlichen Beziehungen, die ihr äußerst wichtig waren. Der Coach machte kurz transparent, dass beide sich nun in der Säule des sozialen Netzes befanden, und ermutigte Frau B., zu überlegen, was ihr in diesem Bereich wichtig ist. Es stellte sich heraus, dass Frau B. Klarheit in Beziehungen braucht. Sie möchte wissen, auf wen sie sich verlassen kann, und hält „Ordnung“ in ihren Beziehungen. Was ihr nicht guttut, thematisiert sie, und bemüht sich um Verbesserung der Beziehung. Allerdings ist sie ebenso bereit, sich für eine Trennung zu entscheiden, wenn nötig.

Über die Frage, wie es sich für Frau B. anfühlt, wenn ihr etwas guttut, wechselte sie unbewusst in die Säule „Körper/Geist“. Sie sprach von innerer Unruhe und schlechtem Schlaf, wenn sie etwas beschäftigt. Obwohl Frau B. transparent machte, dass ihr Körper in erster Linie funktionieren muss und es zum Zeitpunkt des Coachings zudem einige gesundheitliche Baustellen gab, stellte sich heraus, dass sie dennoch auf ihren Körper achtete (gute Ernährung, regelmäßige Bewegung, Überwachen der gesundheitlichen Baustellen). Sie nahm die Signale wie schlechten Schlaf und innere Unruhe ernst und verdeutlichte nochmals ihren Wunsch nach Ordnung und Klarheit.

Nachdem für Frau B. im Bereich Körper/Geist alles gesagt war, wechselte der Coach aktiv zur letzten Säule „Werte“. Der Klientin fiel es leicht, ihre Werte zu formulieren: Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Ordnung, Freiheit und Leichtigkeit. Klarheit in Beziehungen (privat wie beruflich) sind ihr ebenso wichtig wie die Bedürfnisse der ihr nahestehenden Personen. Bei aller Ordnung im Sozialleben ist Frau B. sehr daran interessiert, dass es vor allem ihren Mitmenschen gutgeht. Im Hinblick auf ihre Partnerschaft war sie unzufrieden und nach eigener Angabe bereit, ihr Werteverständnis „etwas zu dehnen“. Ihr fehle eine gewisse Verbindlichkeit ihres Partners, aber sie mache es ihm gegenüber nicht transparent, wie sie berichtete. Auf die Rückfrage des Coachs, warum das so sei, meinte Frau B., dass sie nicht konsequent im Einfordern von Verbindlichkeiten ihres Partners sei, weil sie befürchte, dass dadurch ein Konflikt entstehe, den sie vermeiden möchte.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs bemerkte Frau B., dass es ein Muster in ihrem Verhalten zu geben scheint, das sie in verschiedenen Bereichen ungewollt in die gleichen „Sackgassen“ befördert. Besonders aufschlussreich war für sie, dass eine grundlegende Unzufriedenheit immer dann auftritt, wenn sie in einer Säule gegen ihre Werte verstößt bzw. Verstöße gegen jene zulässt. Die Unzufriedenheit steigerte sich, indem das klärende Gespräch aufgeschoben wurde und der innere Konflikt weiter schwelen konnte.

Praxisfall: Momentaufnahme der persönlichen Lebenssäulen
Abb. 2: Beispielhafte Momentaufnahme der persönlichen Lebenssäulen © Zentrum für interdisziplinäres Coaching (in Anlehnung an Petzold, 2004)

Erkenntnisse der Klientin

Im Rückblick gab Frau B. an, dass es ihr sehr geholfen habe, verschiedene Bereiche zu betrachten und nicht nur um ihren Beruf „zu kreisen“. Sie gab an, dass sie durch das Ausfüllen der Säulen angeregt wurde, sich über jeden Bereich Gedanken zu machen. Nach einem erneuten, prüfenden Blick über ihr „Identitätshaus“ war sie überrascht, was die einzelnen Säulen zutage gefördert hatten. Mit Hilfe der Fragen des Coachs war ihr aufgefallen, dass die Erfüllung ihrer Werte maßgeblich für ihre Zufriedenheit verantwortlich ist.

Erkenntnisse des Coachs

Aus Sicht des Coachs hat sich der Einsatz der Fünf-Säulen-Methode bewährt: Sie ermöglicht ein behutsames Sondieren, bei dem der Klient selbstständig die Säulen füllt. Auch die Einschätzung, was für ihn gut und was weniger gut ist, nimmt der Klient selbst vor. Durch die richtige Fragestellung kann der Coach entweder tiefer in die Säule einsteigen und den Klienten weiter zum Nachdenken anregen oder fließend zum nächsten Bereich überleiten (und falls sinnvoll später zurückkehren).

Dadurch hat der Einsatz dieser Methode den Charakter eines natürlichen Austauschs, der dennoch einen roten Faden hat. Im vorliegenden Fall war der Verstoß gegen die inneren Werte von Frau B. ein wesentlicher Grund für Unzufriedenheit, die sich in drei Säulen gezeigt hatte. Durch Reformulierung des Coachs war Frau B. aufgefallen, dass sich ihr Verhalten wie ein Muster durch mehrere Säulen zog. Das sorgte bei ihr für Erleichterung, da sie nun greifen konnte, woher ihre Unzufriedenheit kam. Das Fünf-Säulen-Konzept hatte somit den Weg geebnet und eine gute Ausgangsbasis für weitere Schritte in einem erfolgreichen Coaching-Prozess geschaffen.

Fazit

Die Fünf-Säulen-Methode dient der Orientierung im System des Klienten, ohne direkt in ein konkretes Problem einzusteigen. Sie gibt einen Überblick und erlaubt es, säulenübergreifende Themen zu erfassen und ggf. Muster zu erkennen. Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der Methode ist eine gute Erklärung des Coachs: Es ist nicht Ziel der Methode, dass alle Säulen gleich stark ausgeprägt sein müssen. Bei unzureichender Erklärung kann es passieren, dass kein offener Austausch zu den Säulen möglich wird, weil sich der Klient permanent fragt, ob das eben Gesagte ein schlechtes Zeichen für sein „Identitätshaus“ ist, weil nicht alle Bereiche „gleich stark tragen“. Ist das Konzept verstanden, bewegt sich der Klient unter Umständen wie von selbst von einer Säule zur nächsten und betrachtet unter dem Einsatz zielführender Fragen des Coachs seine aktuelle Situation in einem ganzheitlichen Kontext – die wertvolle Basis für weitere Schritte in einem erfolgreichen Coaching-Prozess.

Literatur

Deloie, D. et al (2007). Die Bedeutsamkeit der therapeutischen Wirkfaktoren in der Integrativen Therapie und Beratung an Beispielen unterschiedlicher Praxisfelder Sozialer Arbeit. POLYLOGE.  Abgerufen am 30.05.2023: www.fpi-publikation.de

Kames, H. (2011). Ein Fragebogen zur Erfassung der „Fünf Säulen der Identität“ (FESI). POLYLOGE. Abgerufen am 30.05.2023: www.fpi-publikation.de

Petzold, H. G. (2004). Transversale Identität und Identitätsarbeit.  POLYLOGE, 4(4), S. 395–422.

Rauen, C. (2008). Die fünf Säulen. In C. Rauen (Hrsg.), Coaching-Tools (S. 99–102), Bonn: managerSeminare.

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