Nach oben

Coaching-Tools

Die Business-Coaching Vision

Ein Coaching-Tool von Dr. Jens Knese

Die Business-Coaching Vision ist ein geeignetes lösungsorientiertesTool, um ein holistisches Bild des Coaching-Prozesses und seiner Elemente für den Klienten im Rahmen des Business-Coaching zu erzeugen und zu visualisieren.

9 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2013 am 20.11.2013

Kurzbeschreibung

Business-Coaching gewinnt als Instrument der Personalentwicklung in Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Vor dem Hintergrund einer sich ständig ändernden Arbeitswelt, mit steigender Arbeitsbelastung, zunehmender Aufgabenvielfalt und Aufgabenkomplexität hat sich Business-Coaching als Instrument zur Wiederherstellung, Stabilisierung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Fach- und Führungskräften fest etabliert.

Unternehmen erwarten von einem Business-Coach, dass er vielfältige Problemsituationen im Kontext dynamischer Veränderungsprozesse in Unternehmen adäquat adressieren kann. Neben einer fundierten Feldkompetenz wird von einem Business-Coach daher zu Recht die Kenntnis von geeigneten Instrumenten und Methoden zur Bearbeitung von Problemsituationen erwartet.

Die Business-Coaching Vision ist das geeignete lösungsorientierte Werkzeug, um ein holistisches Bild des Coaching-Prozesses und seiner Elemente für den Klienten im Rahmen des Business-Coaching zu erzeugen und zu visualisieren. Sie verdeutlicht die erwünschte berufliche Zukunft des Klienten, gibt eine umfassende Beschreibung des Klientensystems und zeigt Wege und konkrete Aktionen für den Klienten zur Erreichung der erwünschten beruflichen Zukunft auf.

Darüber hinaus liefert sie dem Coach wichtige Kontexterfahrungen aus dem Arbeitsumfeld des Klienten, die den Coach zu einem adäquaten Gesprächspartner im Coaching-Prozess werden lassen.

Anwendungsbereiche

Es empfiehlt sich die Business-Coaching Vision über den gesamten Coaching-Prozess einzusetzen und sie um andere Interventionsmethoden, insbesondere zur Bestimmung des Klientensystems zu ergänzen. Sie dient dem Klienten zur Orientierung, sie verdeutlicht dem Klienten Zusammenhänge und sie erlaubt dem Klienten die Nachvollziehbarkeit und Zuordnung weiterer eingesetzter Interventionstechniken zum Coaching-Prozess.

Ferner dient die Business-Coaching Vision der Selbsterkenntnis und hilft Klienten Wechselwirkungen in Systemen differenziert wahrzunehmen und Handlungsalternativen zu erkennen und zu erarbeiten.

Zielsetzung/Effekte 

Viele Klienten haben Schwierigkeiten, Auswege aus ihrer beruflichen Problemsituation zu finden und zu erkennen. Ziel der Business-Coaching Vision ist es, gemeinsam mit dem Klienten die berufliche Problemsituation zu konkretisieren, eine berufliche Vision zu entwickeln und konkrete Aktionen zu bestimmen, die helfen, die berufliche Vision des Klienten erreichbar werden zu lassen.

Die Business-Coaching Vision hilft dem systemisch denkenden und systemisch ausgebildeten Coach, die Elemente des Klientensystems, ihre Beziehungen und Dynamiken zu erkennen. Für den Coach wird das Klientenverhalten nacherlebbar und nachvollziehbar. Das Verstehen und Visualisieren des Klientensystems hilft dem Coach, dem Klienten fundierte Unterstützung zukommen zu lassen.  

Ausführliche Beschreibung

Am Anfang eines jeden Coaching-Prozesses steht die Feststellung eines Coaching-Bedarfs. Der Bedarf für ein Business-Coaching kann vom Klienten selbst, aber auch von Stakeholdern im Coaching-Prozess erkannt werden. Stakeholder im Coaching-Prozess können unter anderem der Vorgesetze des Klienten oder die Personalentwicklung sein.

Je nach Problemsituation wird der Kontakt zu einem geeigneten Business-Coach gesucht und es schließt sich ein Erstgespräch zwischen Klient und potentiellem Coach an. Stimmt die „Chemie“ zwischen Klient und Coach und ist der Klient überzeugt, dass der Coach seine Problemsituation adäquat adressieren wird, kann das Business-Coaching beginnen. Bereits zu Beginn des Business-Coachings empfiehlt sich die Arbeit zwischen Coach und Klient mit dem Instrument der Business-Coaching Vision, deren neun inhaltliche Bearbeitungsschritte im nachfolgenden dargelegt und beschrieben sind.

business-coaching-vision

Abb.: Grafische Darstellung der Business-Coaching Vision

1. Schritt

Der Coach bittet den Klienten über seine Problemsituation zu berichten. Häufig fällt es dem Klienten schwer, seine Problemsituation dem Coach eindeutig zu beschreiben. Der Coach wendet daher vielfältige (systemische) Fragetechniken an, um ein detailliertes und holistisches Bild der Problemsituation zu erhalten. Gemeinsam mit dem Klienten notieren Coach und Klient das(die) herausgearbeitete(n) Problem(e) in die Business-Coaching Vision.

2. Schritt

Coach und Klient entwickeln gemeinsam eine Business-Vision für den Klienten. Ein adäquates Ausgangsinstrument zur Beschreibung einer erstrebten Zukunft kann etwa beispielsweise die „Wunderfrage“ nach Steve de Shazer sein:

„Ich möchte Ihnen jetzt eine ungewöhnliche Frage stellen. Stellen Sie sich vor, Sie gehen nach Hause und legen sich wie immer zu Bett. Und während Sie heute Nacht schlafen und es ganz ruhig ist, geschieht ein Wunder. Das Wunder besteht darin, dass das Problem, das Sie hierher geführt hat, gelöst ist. Allerdings wissen Sie nicht, dass das Wunder geschehen ist, weil Sie ja schlafen. Wenn Sie also morgen früh aufwachen, was wird dann anders sein, das Ihnen sagt, dass ein Wunder geschehen ist und das Problem, das Sie hierher geführt hat, gelöst ist?"

Bei der Beschreibung der angestrebten Zukunft wird mit dem Klienten ein Zwischenziel, „meine Arbeitswelt in einem Jahr“ und ein Langfristziel „meine Arbeitswelt in drei bis fünf Jahren“ in der Vision dokumentiert. Wenn möglich, empfiehlt es sich für den Coach die Vision des Klienten mit der Zielstellung der Stakeholder, etwa des Vorgesetzten oder der Personalentwicklung an das Business-Coaching zu spiegeln. Eine Kongruenz der Zielvorstellungen sollte durch den Coach überprüft werden und gewährleistet sein.

3. Schritt

Der Coach analysiert zusammen mit dem Klienten die Stellenbeschreibung des Klienten und die organisatorische Implementierung der Stelle des Klienten in das Unternehmensorganigramm. Die Erfahrung zeigt, dass Klienten häufig nicht mit den Inhalten ihrer Stellenbeschreibung, mit den Anforderungen an die Stelle und den erwarteten Ergebnissen aus der Tätigkeit ihrer Stelle vertraut sind.

Erste Erkenntnisse und „Aha-Effekte“ für den Klienten im Hinblick auf seine berufliche Problemsituation lassen sich durch den Coach an dieser Stelle häufig schon darstellen und mit dem Klienten besprechen. Gemeinsam notieren Coach und Klient die wichtigsten Inhalte, Anforderungen und Aufgaben der Stelle an den Klienten. Wichtige organisatorische Hierarchiebeziehungen sollten ebenfalls notiert werden.

4. Schritt 

Der Coach erstellt mit dem Klienten ein Rollenporträt des Klienten. Hierzu können vielfältige Interventionstechniken, wie z.B. die „PRO-aktive Rollenanalyse“ oder das „systemische Porträt“ zum Einsatz kommen. Es empfiehlt sich im Business-Coaching vorrangig auf die beruflichen Rollen des Klienten einzugehen. In besonderen Situationen, z.B. bei der Verortung von Problemsituationen in die Schnittstelle zwischen privaten und beruflichen Bereich, der Work-Life-Balance (WLB), sollten auch private Rollen beschrieben und besprochen werden. Coach und Klient notieren in der Business-Coaching Vision die Rollen des Klienten und die damit verbundenen Erwartungen, Beziehungsqualitäten oder Rollenkonflikte.

5. Schritt

Durch Zuhilfenahme von Interventionstechniken, wie z.B. der „Systematischen Kompetenzanalyse“, ermitteln Coach und Klient die Stärken und Schwächen des Klienten und nehmen diese in die Business-Coaching Vision auf. Informationen zur Bestimmung von Stärken und Schwächen des Klienten können auch Protokollen von zurückliegenden Mitarbeitergesprächen oder Beurteilungsbögen von Vorgesetzten und Mitarbeitern entstammen.

Viele Unternehmen haben zudem Informationen aus Persönlichkeitsfragebögen oder Typen-Indikatoren-Tests vorliegen, die ebenfalls Grundlage zur Konkretisierung des Stärken- und Schwächen-Profils des Klienten sein können. Geeignet erscheinen hier etwa der MBTI (Myers-Brigg-Typen-Indikator) oder das BIP (Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung).

6. Schritt

Die Werte des Klienten werden mit den Unternehmenswerten auf Stimmigkeit und Kompatibilität geprüft. Zur Verortung der Werte des Klienten liegen vielfältige Interventionsmethoden vor, die dem Klienten im Rahmen der Eigenanalyse helfen, die Motive seines Handelns besser zu verstehen und Entscheidungen über die berufliche Zukunft besser treffen zu können. Die Unternehmenswerte liegen im Regelfall als Element des Unternehmensleitbilds oder der Unternehmensvision vor und können sehr gut nach den Schwerpunkten Unternehmensziele, Unternehmenswerte und Unternehmenszweck mit den Werten und Stärken und Schwächen des Klienten gespiegelt werden.

7. Schritt 

Attribute, die den Klienten beschreiben, seine Stärken und Schwächen, ergeben im Selbstbild häufig ein sehr differentes Bild verglichen mit einem Fremdbild. Zum Stimmigkeitscheck zwischen Selbst- und Fremdbild eignen sich Interventionstechniken wie die 180°- oder 360°-Methode. Die unter Schritt 5 genannten Persönlichkeitsfragebögen sind ebenfalls geeignete Instrumente zur Beurteilung von Fremd- und Selbstbild. Im beruflichen Kontext besonders empfehlenswert ist das zuvor genannte BIP, das insgesamt 14 berufliche Dimensionen vereint. Insbesondere divergente Fremd- und Selbstbildeinschätzungen werden von Coach und Klient besprochen und in die Business-Coaching Vision integriert.

8. Schritt

Zusammen mit dem Klienten erarbeitet der Coach konkrete Aktionen die zur Erlangung der in Schritt 2 erarbeiteten Ziele der Arbeitswelt beitragen. Die Aktionen adressieren die unter Schritt 1 verorteten Probleme dahingehend, dass sie bei Zielerreichung nicht mehr vorhanden sein sollten. Die erwählten Aktionen sollten die Stärken und Schwächen des Klienten berücksichtigen, auf der organisatorische Stellung des Klienten im Unternehmen fußen, seine Rollen, seine Work-Life-Balance und seine Werte beinhalten. Die ergriffenen konkreten Aktionen sollten nicht im Konflikt stehen mit der organisatorischen Einbindung des Klienten ins Unternehmen, den Anforderungen an seine Stelle oder den dokumentierten Unternehmenswerten.

9. Schritt 

Es empfiehlt sich die unter Schritt 8 dokumentierten Aktionen nach dem SMART-Prinzip (Specific, Measurable, Achievable, Reachable, Timely) zu formulieren und konkrete nachvollziehbare und im Rahmen für den Klienten und den Coach auch messbare Ziele, z.B. zu Arbeitsleistung, Rollenverhalten oder Führungsverhalten, zu formulieren.

Eine konkrete Aktion könnte etwa wie folgt formuliert werden: Zur Adressierung von Kommunikationsproblemen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern wird der Klient bis zum Ende des Monats ein wöchentliches Jour fixe mit seinen Mitarbeitern einrichten, in dem er diese u.a. über aktuelle Entwicklungen im Fachbereich informiert und ihre Fragen hierzu beantwortet.

Voraussetzungen und Kenntnisse 

Das Werkzeug passt besonders gut zum lösungsorientierten Beratungsansatz. Der Coach sollte neben einer systemischen Coaching-Ausbildung auch einen betriebswirtschaftlichen Background besitzen. Er sollte ein fundiertes Methoden- und Theoriewissen mitbringen, insbesondere systemische Fragetechniken sollte der Coach beherrschen. Die Komplexität des Werkzeuges setzt zudem voraus, dass der Coach bevorzugter Weise einige Jahre Berufserfahrung in Unternehmen, Erfahrung in der Beratung von Unternehmen und im Business-Coaching hat.

Erfahrungen

Die Business-Coaching Vision gibt Klienten ein holistisches Bild über den Ablauf eines Business-Coachings. Der Klient entwickelt ein Zutrauen zum prozessualen Ablauf und baut ggf. bestehende Ängste und Unsicherheiten schnell ab. Konkret vereinbarte Aktionen nach dem SMART-Prinzip führen in der Regel schnell und messbar zu ersten Erfolgen und erzeugen beim Klienten eine motivierte und positive Grundstimmung gegenüber dem Coaching-Prozess.

Technische Hinweise

Die Business-Coaching Vision wächst inhaltlich im Rahmen des Coaching-Prozesses stark an. Es ist daher empfehlenswert, von Anfang an ein hinreichend großes Blatt Papier mit ausreichend Platz vorzubereiten. Im Regelfall sollte mindestens das Format DIN A3 gewählt werden. Die Business-Coaching Vision sollte bei jeder Sitzung zugegen sein und besprochen und ergänzt werden.

Literatur

  • Collins, James C. & Porras, Jerry I. (1996). Building Your Company’s Vision. In Harvard Business Review, Sep.–Okt. 1996, 65–77.
  • De Shazer, Steve (2012). Worte waren ursprünglich Zauber: Von der Problemsprache zur Lösungssprache. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.
  • Demmerle, Christina; Schmidt, Jan M.; Hess, Michael; Solga, Marc & Ryschka, Jurij (2011). Basistechniken der Personalentwicklung. In Jurij Ryschka, Marc Solga & Axel Mattenklott (Hrsg.). Praxishandbuch Personalentwicklung. Wiesbaden: Gabler Verlag. 273–337.
  • Kaesler, Corinna (2003). Die Arbeit mit dem Persönlichkeitsprofil im individuellen Coaching. In Karin Martens-Schmid (Hrsg.). Coaching als Beratungssystem. Heidelberg: Economica Verlag. 201–225.

Dieser Artikel gefällt Ihnen?

Dann unterstützen Sie unsere redaktionelle Arbeit durch den Abschluss eines Abonnements und ermöglichen Sie es uns, auch in Zukunft fundiert über das Thema Coaching informieren zu können.