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International

Business-Coaches in Österreich

Scheinwerfer ins Potemkinsche Dorf

In der hier vorliegenden explorativen Studie wird der berufliche Alltag von Coaches in Österreich mittels einer Online-Erhebung erfasst. Insgesamt wurden 177 Fragebögen ausgewertet, in denen Fragen zu Themenfeldern wie Einkommen, Arbeitssituation, Zufriedenheit, Stundensätze pro Coaching-Einheit und Marketingmaßnahmen beantwortet wurden. Die Ergebnisse zeigen: Die befragten österreichischen Coaches arbeiten nebenberuflich als Coach, nehmen deutlich weniger damit ein als ihre Kollegen in Deutschland und halten nur wenig von Marketing.

10 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2015 am 13.05.2015

In Österreich gibt es ein Psychotherapie- und ein Psychologengesetz sowie eine Verordnung zur Lebens- und Sozialberatung. Das Führen der Berufsbezeichnung „Unternehmensberater“ ist gesetzlichen Grundlagen unterworfen. Allen diesen Verordnungen ist gemein, dass die Ausbildung, die Tätigkeiten und Berufspflichten geregelt sind. Eine ähnliche Verordnung für Coaching gibt es nicht.

Der Report „Coaching across the Globe“ von Bresser (2013) ist eine Aufnahme der Welt im Fokus des Coachings durch Expertenbefragung. Österreich ist laut diesem Report ein Entwicklungsland – nicht nur im Vergleich zum englischsprachlichen Raum, sondern auch in Bezug auf Deutschland und die Schweiz. Angelehnt an den Entwicklungsphasen eines Produktes wird der Markt für Coaching in Österreich im Übergang von der Einführungs- zur Wachstumsphase beurteilt.

Die Zahl von Wirtschafts-Coaches in Österreich wird in diesem Report mit 50 begrenzt. In einem Ländervergleich zwischen Österreich, der Schweiz und Deutschland werden für Österreich 2.500 Wirtschafts- und 1.300 Führungskräfte-Coaches angegeben (Roos & Lange, 2013). Die Gesamtzahl an Coaches – in allen Branchen – wird mit 3.500 äußerst niedrig angesetzt. Nach dieser Schätzung habe Österreich die beste Versorgung mit Coaches für Führungskräfte im deutschen Sprachraum. Ist die Datenlage so unklar, dass Expertenmeinungen so weit auseinander gehen können?

Überblick Verbände und Portale

Um Licht ins fast Dunkle zu bringen, wurden bei österreichischen Coaching-Verbänden Recherchen angestellt. Diese listen am Stichtag 01.02.2015 die folgende Anzahl von Coaches online auf:

Österreichische Verbände für Coaching

Tabelle 1:Österreichische Verbände für Coaching

Am freien Markt sind weitere Portale zugänglich. Für die Darstellung der Unterschiedlichkeit der Daten wurden die Portale coaching.cc und XING gewählt. Die Listung der eigenen Leistung als Coach ist nicht an ein Aufnahmeprozedere und somit bestimmte Richtlinien gebunden. Sie erfolgt durch die User autonom. 

Im Portal coaching.cc sind insgesamt 4.846 Personen als Coaches registriert (Stand 02.02.2015). Wird die Suche mittels bestimmter Schlagworte wie „Work-Life-Balance“, „Change-Management“ oder „Konflikt-Management“ eingeschränkt, sinkt diese Zahl teils erheblich auf Werte zwischen 624 und 124 Treffern. Bei XING sieht die Lage ähnlich aus: Der Suchbegriff „Coach“ in Verbindung mit „Österreich“ ergibt zwar 7.237 Treffer, doch schon die Einschränkung „Business-Coach“ und „Österreich“ reduziert das Ergebnis auf 1.474 Treffer (Stand 02.02.2015). Erstaunlich ist, dass unter demselben Suchbegriff in Deutschland nur 407 Coaches gelistet werden.

Die Bandbreite der Zahlen zu Business-Coaches in Österreich ist erstaunlich – und verwirrend. Die negativen Auswirkungen der reinen Marktsteuerung werden dadurch ersichtlich. Die Frage drängt sich auf: Ist der österreichische Coaching-Markt ein Potemkinsches Dorf?

Konzept und Durchführung der Studie

Die hier vorliegende Studie leistet einen Beitrag zur Darstellung der Ist-Situation von Coaches im Unternehmenskontext in Österreich. Sie beleuchtet die Zufriedenheit mit dem Beruf und stellt die Antworten der Coaches bezüglich der Kosten für Coaching, Marketingmaßnahmen und weiterer Berufscharakteristika dar. Diese Studie versteht sich als eine explorative Forschung für vertiefende Erhebungen. Sie erhebt nicht den Anspruch nach Repräsentativität.

Nach Durchsicht von unterschiedlichen Datenbanken und Ausbildungsorganisationen mit dem Fokus Coaching und Wirtschaft wurden 670 den Kriterien entsprechende Coaches identifiziert. Die Coaches wurden nach Bundesland, Geschlecht und Alter vorab selektiert. Insgesamt konnten von den 670 versandten Fragebögen 177 Fragebögen tatsächlich ausgewertet werden (Response-Rate = 26 Prozent).

Die Online-Erhebung fand im Sommer 2012 statt. Der Fragebogen wurde im Rahmen einer Masterthese an der ARGE Bildungsmanagement entwickelt und zum Teil ausgewertet. Der Fragebogen besteht aus 43 Fragen und ist nach folgenden inhaltlichen Kriterien aufgebaut: soziodemografische Daten zur Person, Coaching als Beruf, Coaching und Marketing, Coaching und subjektiver Erfolg sowie Coaching und Gesundheit.

Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf dem ursprünglichen Datensatz, welcher 2013 erneut weiteren statistischen Verfahren unterzogen wurde. Im Sinne des explorativen Charakters werden die Daten deskriptivstatistisch in Tabellenform aufbereitet und als Scheinwerfer beschrieben.

Scheinwerfer 1. Das Profil der Coaches dieser Studie

Die Mehrzahl der Studienteilnehmer ist weiblich (53,7 Prozent), mit akademischem Abschluss (72 Prozent), Führungserfahrung (80 Prozent) und Berufserfahrung in einem anderen Berufsfeld (98 Prozent). Besonders häufig werden die Bereiche Soziales und Personal, gefolgt von Bildung, Finanzen, Kommunikation, Unternehmensberatung, Marketing und Vertrieb genannt. Fast zwei Drittel der Befragten haben über zehn Jahre Berufserfahrung, bevor sie den Beruf des Coachs ergriffen haben.

Außerdem geben über 94,4 Prozent der Befragten an, zufrieden bzw. sehr zufrieden mit der Berufswahl des Coachs zu sein.

Eine Mehrheit (40,1 Prozent) gibt an, eine zwischen 500 und 1.000 Stunden dauernde Coaching-Ausbildung gemacht zu haben. Der Großteil der Coaches (85 Prozent) ist selbstständig und Mitglied in einem Berufsverband (72 Prozent). Die Coaches dieser Erhebung sind erfahren: Mehr als die Hälfte (53,7 Prozent) haben über sechs Jahre Coaching-Erfahrung. Coaching ist für 110 Coaches eine Nebentätigkeit (62,1 Prozent) mit maximal 10 Stunden pro Woche. Nur drei Personen dieser Stichprobe coachen quasi Vollzeit mit zwischen 30–40 Stunden pro Woche (1,7 Prozent).

Das Profil der Coaches

Tabelle 2. Scheinwerfer 1. Das Profil der Coaches (Studienteilnehmer)

Coaching als Nebentätigkeit

Coaching ist folglich in den meisten Fällen eine Nebentätigkeit. Dies drückt sich auch in der Jahresarbeitszeit aus, von der Coaches durchschnittlich lediglich 23,06 Prozent für Coachings nutzen. Die Antwort ist allerdings großen Schwankungen unterlegen: So geben nur 16 Personen (7 Prozent) an, mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit mit Coaching zu verbringen, während hingegen 64 Prozent bis zu einem Viertel der Arbeitszeit mit Coaching verbringt. Bis zu zehn Prozent der Arbeitszeit verwenden 37,3 Prozent der Coaches.

Coaching-Angebote und -Themen

Die Angebote und Themen der befragten Coaches beziehen sich in erster Linie auf Führungskräfte-Coaching, berufliche Neuorientierung, Konflikt-Coaching, Work-Life-Balance, Karriereplanung und Stressmanagement. Spezialisierungen werden seltener genannt, wie z.B. interkulturelle Zusammenarbeit, Gender und Diversität sowie Verkaufs-Coaching.

Angebote der Coaches

Tabelle 3: Angebote der Coaches

Scheinwerfer 2. Einkommen von Coaches

Die Angaben zum Einkommen von Coaches untermauern die Feststellung, dass die meisten österreichischen Coaches diesen Beruf als Nebentätigkeit ausüben. So erzielt über die Hälfte der Befragten (59,9 Prozent) maximal 20 Prozent ihres Einkommens aus ihrer Coach-Tätigkeit und lediglich 9 Befragte (5,1 Prozent) erwirtschaften zwischen 81–100 Prozent – diese können somit als Vollzeit-Coaches bezeichnet werden. Korrespondierend zur Verteilung der tatsächlichen Arbeitszeit als Coach beträgt das Bruttojahreseinkommen aus der Coaching-Tätigkeit bei der Hälfte der Coaches (50,3 Prozent) weniger als 25.000 Euro brutto.

Dabei variieren die Stundensätze erheblich: Die Hälfte verlangt für eine Coaching-Einheit zwischen 81 und 120 Euro und jeweils ca. ein Viertel verlangt zwischen 51 und 80 Euro bzw. über 120 Euro. Nochmals wird bestätigt, dass die Einkünfte durch Coaching für österreichische Coaches gering sind: Coaching ist eine Nebeneinkunftsquelle.

Coaches in Österreich

Tabelle 4:Scheinwerfer 2. Einkommen der Coaches

Scheinwerfer 3. Coaching als Markt 

Die befragten österreichischen Coaches sehen ihre wirtschaftliche Lage im Vergleich zum Vorjahr als gleichbleibend (48 Prozent) bzw. verbessert (36,2 Prozent) an. In diesem Zusammenhang ist es interessant, sich ihre Marketingmaßnahmen anzusehen (siehe Tabelle 5): Die Mehrheit der Befragten (60,5 Prozent) verwendet weniger als eine Stunde pro Woche für Marketingaktivitäten, lediglich ein Drittel (35 Prozent) nimmt sich hierfür bis zu fünf Stunden pro Woche Zeit. Dies korrespondiert mit der Feststellung, dass Neukundenakquise bei den meisten Coaches eine untergeordnete Rolle spielt: 66,7 Prozent wenden hierfür weniger als eine Stunde pro Woche auf und lediglich fünf von 177 Befragten (2,8 Prozent) investieren über fünf Stunden pro Woche.

business-coaching-oesterreich

Tabelle 5: Scheinwerfer 3. Coaching und Marketing

Zwar haben die allermeisten Coaches eine Homepage, doch gilt Werbung via Social-Media – entsprechend der eher geringen Zeitaufwendung für Marketingmaßnahmen – als nutzlos (92,1 Prozent). Lediglich 6,8 Prozent sehen viel, bzw. 1,1 Prozent sehr viel Nutzen in der Verwendung von Social-Media. Als nützlichste bzw. am häufigsten verwendete Werbemaßnahme gilt dagegen die persönliche Weiterempfehlung. Erheblich seltener werden das Internet, Newsletter, Auftritte in Printmedien und Mitgliedschaften in Netzwerken genannt. Zusammenfassend zeigt sich, dass Akquise für österreichische Coaches grundsätzlich eine geringe Wertigkeit hat, obwohl ein großer Wettbewerb um Klienten wahrgenommen wird (60,5 Prozent der Befragten bezeichnen die Intensität des Wettbewerbs als „hoch“, 20,3 Prozent sogar als „sehr hoch“). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die eigene Website nicht als Maßnahme zum Marketing verstanden wird, zumal online-gestützte Werbemaßnahmen sowie soziale Medien bzw. Netzwerke ohnehin als nicht relevant eingestuft werden. Der österreichische Coaching-Markt lebt offenbar überwiegend von mündlicher Weiterempfehlung. 

Schlussfolgerungen und Ausblick

Ein Vergleich mit den Ergebnissen anderer Studien (Winkler et al., 2013) zeigt, dass sich der österreichische Coaching-Markt hinsichtlich Geschlecht, Ausbildung, Berufserfahrung und Selbstständigkeit kaum – z.B. vom deutschen Markt – unterscheidet. Die Schätzung zur Grundgesamtheit der Business-Coaches ist allerdings in der vorliegenden Studie deutlich inhomogener und zeigt, dass in Österreich keine verlässlichen Daten über Business-Coaches vorhanden sind und parallel widersprechende Aussagen veröffentlicht sind. Angemerkt wird, dass dieses Faktum die Problematik der nicht vorhandenen Professionsbildung verdeutlicht, mit der Gefahr eines Vertrauensverlustes für neue Klienten am Markt: Im Nebel von Beliebigkeit und breiter Vielfalt.

Die Hauptergebnisse lassen sich wie folgt verdichten: Die Tätigkeit als Coach ist attraktiv. Die befragten Coaches sind mit ihrer Berufswahl sehr zufrieden, wohl auch weil die Entscheidung postgradual gefällt wird und ihr eine langjährige Berufs- und Führungserfahrung vorausgeht. Die Coaches beschreiben sich, im Gegensatz zur oben beschriebenen potenziellen Professionalisierungsproblematik, als sehr gut ausgebildet. Sie sind selbstbewusst und sehen sich wirksam in ihrer Tätigkeit: Doch trifft die Wirksamkeitsempfindung auch zu, handelt es sich lediglich um Schönwetter-Rhetorik oder signifikante Erfolgserlebnisse? Hier seien weitere Forschungen zum Image des Coachs (siehe auch Coaching-Magazin, 4/2014) unter Bezugnahme auf möglichst viele Stakeholder (wie Mitarbeiter, Kollegen, unmittelbare Führungskräfte und Einkäufer am Markt) angeregt. Es könnten sich interessante Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbild zeigen (Freitag, 2012).

Wie auch in anderen Studien berichtet, gibt es fast keine hauptberuflichen Coaches (Winkler et al, 2013). Für die Mehrheit der Coaches ist Coaching eine befriedigende Nebenbeschäftigung. Hier lässt sich die Frage stellen, welche Motive und Hintergründe hinter diesem Bedürfnis stehen: Coaching als Basis des Erwerbes oder Coaching als Abwechslung? Zusätzlich wird angeregt, die Auswirkungen auf Preisgestaltung und Marketing im Vergleich zwischen den wenigen hauptberuflichen und den nebenberuflichen Coaches zu untersuchen.

Soziale Medien werden nicht als besonderes wirksam für die Gewinnung von Klienten gesehen, obwohl ein Großteil der Coaches über eine Website verfügt. Einen verlässlichen Kundenstock aufzubauen, ist Vertrauenssache, fußt auf persönlicher Weiterempfehlung und dauert viele Jahre. Die Zurückhaltung bei Maßnahmen des Marketings ist – je nach Standpunkt – erstaunlich oder nobel: Coaching ist für die Coaches keine Dienstleistung, die verkauft werden muss. Eine vertiefende Analyse der Quellenberufe, Beschäftigungsverhältnisse, Mitgliedschaften in Verbänden und der Strategien zur Gewinnung von Klienten wird vorgeschlagen.

Die Teilnehmer dieser Untersuchung erleben im Vergleich zur deutschen Referenzstudie eine geringere Steigerung der Kundenzahlen und konstatieren eine stagnierende Nachfrage. Besonders deutlich sind die berichteten Unterschiede in den Jahresumsätzen. 71,2 Prozent der befragten österreichischen Coaches verlangen zwischen 51–120 Euro pro Coaching-Einheit. Somit geben sie deutlich niedrigere Preise an als ihre deutschen Kollegen mit durchschnittlich 175 Euro (Winkler et al., 2013). Hier drängen sich Forschungsfragen, wie z.B. welchen Einfluss Gender und Branchenerfahrung haben und was mit Honorarsätzen alles transportiert werden soll, auf.  

Diese Studie regt zur vertiefenden Forschung zum Beruf Coach in Österreich an. Als nächster Schritt wird die Durchführung einer repräsentativen Studie vorgeschlagen. Besonders interessant wäre es, durch diese Studie empirische statt narrative Profile durch eine Clusteranalyse zu gewinnen. Die referierten Ergebnisse können dafür eine Grundlage bilden.

Die Arbeit beruht auf einer Studie des Instituts ARGE Bildungsmanagement der Sigmund Freud Privatuniversität. Die gesamte Studie wurde publiziert im ARGE Forschungsjournal, 2014/01.

Literatur

  • Bresser, Frank (2013). Coaching across the Globe. Köln: BoD.
  • Freitag, Thomas (2012). Coaching in der Schweiz. In Robert Wegener, Agnes Fritze & Michael Loebbert (Hrsg.). Coaching entwickeln. Wiesbaden: VS. 200–215.
  • Roos, Ann-Kathrin & Lange, Jana (2013). Der Markt für Führungskräfte-Coaching. In Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management, 3/2013, 103.
  • Winkler, Brigitte; Lotzkat, Gesche & Welpe, Isabell M. (2013). Wie funktioniert Führungskräfte-Coaching? In Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management, 3/2013, 23-34.

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