Beruf Coach

Wie (ver-)halte ich mich als Coach?

Die Bedeutung einer starken inneren Haltung für den Coaching-Prozess

Im Klienten-Gespräch können einem Coach diverse Herausforderungen begegnen. Auch solche, die eigene Muster und Trigger aktivieren. Vor diesem Hintergrund greift der Beitrag die Frage auf, weshalb Coaches eine starke innere Haltung benötigen, um Coaching-Prozesse erfolgreich führen zu können – auch dann, wenn es einmal brenzlig wird. Darüber hinaus werden Methoden und Ansätze benannt, um die neutrale innere Haltung zu stärken.

11 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 06 | 2025

Zwei Frauen sitzen sich gegenüber und reichen sich die Hand.

Wer hat es noch nicht gehört: Coach sein kann jeder. Ein Coach muss einfach nur zuhören. Ab und zu mal nicken. Lächeln. Und dann noch ein paar Fragen stellen. Doch wer selbst Coach ist, weiß: Da steckt so viel mehr dahinter!

Coaching ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die nicht nur aktives Zuhören, fachliches Know-how und Feingefühl erfordert, sondern auch eine gefestigte innere Haltung. Gerade in herausfordernden Sessions, in denen Klienten starke Emotionen zeigen, „dicht“ machen oder schwierige Themen ansprechen, ist es für den Coach essenziell, seine innere Balance zu wahren. Vor allem, um den Klienten einen sicheren Raum für Entwicklung geben zu können.

Im Folgenden soll die Frage näher beleuchtet werden, was die innere Haltung für einen Coach bedeutet und wie diese gestärkt werden kann.

Auf einen Blick

Symbol einer Lupe
  • Für die Gestaltung eines guten Coaching-Prozesses benötigen Coaches eine starke innere Haltung, um Übertragung, Gegenübertragung und Projektionen vorzubeugen.
  • Sich in Achtsamkeit und Selbstreflexion zu üben, kann zur Wahrung und Stärkung der neutralen inneren Haltung beitragen.
  • Stehen Coaches vor schwierigen Situationen, kann zudem Supervision hilfreich sein.

Was bedeutet die „innere Haltung“ eines Coachs?

In seiner Haltung muss der Coach in der Lage sein, frei von selbst auferlegtem Druck, frei von Übertragung, Gegenübertragung und frei von Vorurteilen, den Klienten durch die Coaching-Session zu führen und ihm gleichzeitig einen sicheren Raum zu bieten. Es sollte also keiner der eigenen inneren Anteile im Vordergrund stehen. Das bedeutet nicht, dass der Coach keine Anteilnahme oder Gefühle zeigen darf. Es bedeutet lediglich, dass er eine starke Abgrenzungsfähigkeit besitzen muss, um den schmalen Grat zwischen professioneller Neutralität und emotionaler Beteiligung zu treffen. Denn in einer Coaching-Session steht der Klient im Mittelpunkt, es geht um sein Leben, sein Thema, seine Problemstellung – der Coach ist für den Prozess verantwortlich.

Herausforderungen in Coaching-Sessions

So weit, so gut. Doch es gibt Momente in Coaching-Sessions, die den Coach vor eine besondere Herausforderung stellen und die neutrale Haltung in Gefahr bringen: Momente, in denen der Klient starke emotionale Reaktionen hat, z.B. inneren Widerstand leistet, Frustration zum Ausdruck bringt oder Ängste an die Oberfläche kommen und damit den Coach in seinen eigenen Themen triggert. 

Dies könnte konkret so aussehen: Der Klient berichtet von Grübeleien und häufigem Stress. Das behindert ihn besonders in seinem Job als Projektleiter so schwer, dass er seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden kann und kurz vor einem Burnout steht. Kurz gesagt: So geht es für ihn nicht mehr weiter! Viele Entspannungstechniken, Atemübungen und das Lesen von Selbsthilfebüchern haben bisher nicht die so sehnlichst gesuchte Lösung hervorgebracht. Im Verlauf der Coaching-Sessions stellt sich heraus, dass das Verhalten des Klienten aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus resultiert. Aufgrund dessen kann er nur sehr schlecht „nein“ sagen, strebt nach Perfektion und ein „sehr gut“ gibt es für ihn nicht – lediglich ein „erfüllt“ oder „versagt“. Dieses Minderwertigkeitsgefühl treibt ihn so sehr an, dass er auch die Arbeit von anderen Kollegen übernimmt, nur um etwas Anerkennung zu bekommen. Das hat ihm in seinem Arbeitsleben zwar schon einige Erfolge eingebracht, doch jetzt merkt auch schon der Chef, dass die Leistung nachlässt.

Dem Klient gegenüber sitzt ein Coach, dessen Vater ihm bis in seine späten Jugendjahre immer das Gefühl gegeben hat, nie genug zu sein. Daher kennt der Coach dieses Minderwertigkeitsgefühl, das sich so unangenehm und erdrückend in der Brust breit macht und lähmend wirkt. In diesem Moment gibt es zwei Möglichkeiten: Der Coach ist sich dessen bewusst. Also entscheidet er sich, in seinen inneren neutralen Zustand zurückzukehren, sich wieder auf den Klienten zu konzentrieren und diesem den Raum für dessen Gefühle zu eröffnen und gemeinsam daran zu arbeiten. Die andere Möglichkeit ist, seine Erlebnisse und die dazugehörigen Gefühle auf den Klienten – vielleicht ganz unbewusst – zu projizieren. Wie einfach wäre es in diesem Moment für den Coach, zu sagen: „Ich kenne dieses Gefühl auch sehr gut, das geht vorbei.“ Oder: „Probiere doch einmal xy aus, das hat mir sehr geholfen.“ Doch hier wäre die professionelle Neutralität einer Projektion gewichen und der Coaching-Prozess hätte seine zielgerichtete Richtung verloren. Also entscheidet sich der gut ausgebildete und selbstreflektierte Coach für das erste Szenario.

Doch es gibt auch die einseitige Variante: Der Coach ist zu ehrgeizig und macht sich selbst zu viel Druck, dass der Klient eine nachhaltige Lösung finden muss. Vielleicht hat er sogar schon eine Lösung im Kopf, die dem Klienten helfen könnte. So überlegt er sich schon die nächste Frage, die in Richtung Lösung führen könnte, und überhört das Gesagte des Klienten und verliert somit den Anschluss. Der Klient wird also vom Coach in Richtung Lösung gelenkt, die aber lediglich aus Sicht des Coachs zufriedenstellend wäre und vielleicht gar keine Lösung ist, die der Klient sich vorstellen kann. Die Folge davon ist, dass der Coaching-Prozess seine Geradlinigkeit verliert und eine individuelle Lösungsfindung für den Klienten erstmal unmöglich wird.

Doch wie kann das verhindert werden? Für eine starke innere Haltung des Coachs ist es essenziell, die eigenen Werte, Glaubenssätze und Triggerpunkte zu kennen, um die Distanz zum Thema zu wahren und dem Klienten einen sicheren Raum für Entwicklung anbieten zu können. Nur so kann die Coaching-Qualität sichergestellt werden.

Ansätze zur Stärkung der inneren Haltung: Achtsamkeit und Selbstreflexion

Um im gegenwärtigen Moment ganz beim Klienten zu sein und die persönliche Perspektive auf die Coaching-Inhalte außen vor lassen zu können, gibt es viele individuelle Ansätze, die auch die innere Haltung des Coachs stärken:

  • Neugierde: Hinter jeder Aussage, hinter jedem Gefühlsausdruck und hinter jeder Mimik und Gestik des Klienten verstecken sich kleine Botschaften. Daher gibt es immer etwas zu entdecken. Ist es nicht spannend, wie jeder Klient eine andere Denkweise und eine andere Ausdrucksweise an den Tag legt? Der Coach sollte über den gesamten Coaching-Prozess neugierig bleiben und gemeinsam mit dem Klienten die Antworten auf dessen Fragen finden.
  • Vertrauen: Jeder Klient bringt eine gewisse Lebenserfahrung mit und hat entsprechend schon vieles im Leben erreicht. Daher gibt es immer Ressourcen, die hilfreich für den Coaching-Prozess und im besten Fall auch für die Lösungsfindung sind. Diese Ressourcen gilt es herauszufinden, zu (re)aktivieren und für das Erreichen des Ziels so einzusetzen, dass die Anwendung gut in den Alltag integrierbar ist. Der Coach sollte also stets Vertrauen in die Ressourcen seines Klienten haben und zuversichtlich sein, dass dieser damit eine nachhaltige Lösung für sich findet.
  • Aktives Zuhören: Wer wirklich aktiv zuhört – und das nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit den Augen – hat gar keine Kapazität mehr, mit den Gedanken in die eigenen Muster abzudriften. Indem der Coach aktiv auf das Gesagte des Gegenübers achtet und dabei seine Bewegungen, Mimik und Gestik im Blick behält, kann auch das rein Äußerliche bereits viel aussagen. So kann ein tiefer Seufzer verraten, dass sich etwas Druck beim Klienten gelöst hat oder ein abschweifender Blick einen tiefen Gedankengang andeuten, der in der nächsten Frage wieder aufgegriffen werden kann. Und an dieser Stelle ist ein Nicken oder Lächeln ein schönes Zeichen an den Klienten, dass der Coach ihm folgen kann und auch emotional bei ihm ist.
  • Pacing: Pacing ist eine hervorragende Technik, um dem Klienten zu spiegeln, dass der Coach das Gesagte versteht. Sätze wie „ist dir bewusst, wie viel du schon erreicht hast?“ oder „für mich klingt das so, als hättest du schon sehr viel Stärke in dir“ vermitteln dem Gegenüber Sicherheit und zeigen, dass der Coach Interesse an seinem Klienten hat. Besonders zu Beginn der Zusammenarbeit kann Pacing die Vertrauensbildung fördern. Aber auch im weiteren Verlauf des Coaching-Prozesses sollte Pacing eine Technik sein, die der Coach regelmäßig anwendet. So kann der Coach nah am Klienten bleiben und stärkt ganz nebenbei seine innere Haltung. (Coaching Akademie Berlin, 2025)
  • Transparenz: Um nicht in die falsche Richtung zu führen, sollte ein Coach in regelmäßigen Abständen die Coaching-Schritte oder durchgeführten Interventionen transparent machen – und sich die Zustimmung des Klienten dafür einholen. Nur dieser weiß, ob sich das Vorgehen für ihn stimmig anfühlt. In diesem Zuge dürfen auch die Gefühle und Empfindungen des Coachs transparent gemacht werden, wenn es zur Situation passt („mich berührt das auch“, „das kann ich sehr gut nachempfinden“). Durch transparentes Coaching kann sich der Coach auch immer selbst in den gegenwärtigen Moment zurückholen, da er dadurch sein Vorgehen vom Gegenüber verifizieren lässt.

Die innere Haltung des Coachs kann und sollte auch außerhalb der Coaching-Sessions ein Thema sein, an dem der Coach regelmäßig arbeitet. Diese Selbstreflexion sollte keine einmalige Sache sein, sondern ein fortlaufender Prozess. Hierfür gibt es folgende Ansätze:

  • Journaling: Ob vor oder nach einer Coaching-Session, der Coach sollte sich einen Moment Zeit nehmen, um sich in einen guten mentalen Zustand zu bringen. Vor einer Session kann der Coach eine kurze mentale Reise an einen Lieblingsort machen, um seine Gefühle zu regulieren und innere Ruhe einkehren zu lassen. Einige tiefe Atemzüge können hier auch schon den Unterschied machen. Nach einer Session – wenn der Coach die Inhalte und Fortschritte sowieso schriftlich festhält – kann er hier auch explizit sein eigenes Verhalten während der Coaching-Session durch Verschriftlichung reflektieren. In diesem Zuge kann er auch direkt feststellen, warum eine etwaige starke Reaktion von ihm aufgetreten ist, und mit der inneren Arbeit beginnen.
  • Supervision: Nur ein reflektierter Coach ist ein guter Coach! Sobald ein Coach ein Gefühl, Thema oder Problem in seiner Reaktion identifiziert hat, sollte er professionelle Unterstützung in Form einer Supervision in Anspruch nehmen. Denn nur, wer sich selbst um sein Inneres kümmert, kann Klienten dabei helfen, sich um deren Inneres zu kümmern. Im ersten Schritt ist es erstmal zweitrangig, um welche Art der Supervision es sich handelt. Wichtig ist, dass der Coach seine Gefühle, Themen, Probleme mit jemandem teilen und besprechen kann, der ihm unvoreingenommen helfen kann. Im Verlauf des Prozesses kann der Coach dann entscheiden, ob ein einzelnes Gespräch ausreicht oder ob das Thema tiefgehender, z.B. in Form einer Therapie oder in mehreren Supervisions-Sessions erforscht werden soll. Im eingangs genannten Beispiel könnte der Coach sich seinem Glaubenssatz zuwenden, nicht genug zu sein, und auf innere Entdeckungsreise gehen, welcher innere Anteil von ihm daran noch festhält und wie dieser Anteil entlastet werden kann. An dieser Stelle soll auch erwähnt werden, dass ein Gespräch unter Coaching-Kollegen, mit dem Partner oder guten Freunden schon helfen kann.

Um also im gegenwärtigen Moment einer Coaching-Session vollkommen präsent für den Klienten sein zu können, ist es für den Coach erforderlich, die Themen zu bearbeiten, die aus seiner Vergangenheit stammen, damit ihm die Wahrung der neutralen inneren Haltung auch in Zukunft möglich ist.

Eine gute Nachricht

Die gute Nachricht ist: Coaches sind Menschen und Menschen haben Muster, Trigger und Glaubenssätze, die in Emotionen, Gefühle und Reaktionen resultieren. Die sehr gute Nachricht ist: Diese Emotionen, Gefühle und Reaktionen sind veränderbar. Sobald sie gefühlt und zu einem Hindernis für eine erfolgreiche Coaching-Session werden, sollte ihnen Aufmerksamkeit geschenkt werden. 

Das Wichtigste für die Klienten ist ein vertrauensvoller, sicherer Raum, in dem sie sich dem Coach gegenüber öffnen und sich weiterentwickeln können. Dafür ist eine starke innere Haltung des Coachs unabdingbar, die dadurch gewährleistet werden kann, dass er sich außerhalb der Coaching-Sessions seinen eigenen Themen widmet. Diese Verantwortung sich selbst und auch seinen Klienten gegenüber ist ein sehr wichtiger Aspekt für die erfolgreiche Coaching-Praxis.

Als Coach sollte immer die eigene stetige Weiterentwicklung im Vordergrund stehen. Das mag nach einem anstrengenden Prozess klingen, doch es birgt unendlich viele Möglichkeiten, das eigene (Gefühls-)Leben zu verändern und diese Erfahrungen gewinnbringend in die Coaching-Sessions einbringen zu können. Mit der Zeit kommt auch die Erfahrung und es wird leichter fallen, die Neutralität – auch während einer herausfordernden Coaching-Session – zu wahren.

Literatur

Coaching Akademie Berlin (2025). Pacing. Abgerufen am 17.03.2025: www.coachingakademie-berlin.de/service/lexikon-glossar/pacing/

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