Beruf Coach

Online-Coaching für Anfänger

Was beim Einstieg beachtet werden sollte

6 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2021 am 24.02.2021

Online-Coaching hat viele Vorzüge – sowohl für Klienten als auch für Coaches. Um nur einige zu nennen: Räumliche Distanzen werden überwunden, sodass potenzielle Klienten bei ihrer Coach-Suche nicht durch geografische Aspekte eingeschränkt werden. Die terminliche Planung der Coaching-Sessions ist zudem flexibler mit beruflichen und privaten Verpflichtungen in Einklang zu bringen. An- und Abfahrten entfallen, wodurch nicht nur die Reisekosten sinken. Coaches können die dazugewonnenen zeitlichen Ressourcen effektiv nutzen, um weitere Aufträge zu bearbeiten. Das bedeutet: Opportunitätskosten werden reduziert. Der Umstand, sich am Bildschirm keiner Infektionsgefahr aussetzen zu müssen, kommt im Zuge der aktuellen Coronavirus-Pandemie als weiterer Pluspunkt hinzu. Auch wenn viele Coaches langfristig nicht auf die Vorzüge des unmittelbaren, nicht kanalreduzierten Kontakts im Präsenz-Coaching verzichten wollen und auch nicht müssen, bleibt festzuhalten: Der Markt verändert sich und Online-Coaching ist mehr als eine Übergangs- oder Notlösung. Schließlich werden dessen praktische Vorteile weder den Coaches noch den Klienten und Auftraggebern verborgen bleiben.

All dies sollte jedoch nicht dazu verführen, sich blindlings dem Online-Coaching zu verschreiben, ohne sich näher damit befasst zu haben. Denn: Online-Coaching erfordert spezifische Kompetenzen. Beispielsweise sind ein an den Medieneinsatz angepasstes Sprachverhalten (Berninger-Schäfer, 2020), ein souveräner und zielgerichteter Umgang mit der Technik und ein sehr gutes schriftliches Ausdrucksvermögen (Friesenhahn & Taylor, 2019) zu nennen. Coaches sollten sich dahingehend reflektieren, inwieweit sie notwendige Anforderungen bereits erfüllen und in welcher Hinsicht noch Entwicklungsbedarf gegeben ist.

Im Folgenden soll auf einige grundlegende Aspekte hingewiesen werden, die beim Einstieg ins Online-Coaching zu bedenken sind, aber nicht selten übergangen werden. Zu diesem Zweck sprach das Coaching-Magazin mit Prof. Dr. Elke Berninger-Schäfer, Senior Coach im Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (DBVC). Die in Karlsruhe ansässige Psychologin und Honorarprofessorin der Mannheimer Hochschule der Wirtschaft für Management gilt als ausgewiesene Expertin im Feld des Online-Coachings. Als Gründerin der CAI GmbH bietet sie Softwarelösungen an, die eigens für das Online-Coaching entwickelt wurden. 2018 veröffentlichte Berninger-Schäfer im Springer Verlag das Buch „Online-Coaching“.
 

Online-Coaching: Fehler vermeiden

Übertragung von Face-to-Face-Verhalten hinterfragen 

Aus Marktanalysen ist bekannt, dass das Face-to-Face-Format unter deutschen Coaches das beliebteste und am intensivsten praktizierte Setting ist (siehe z.B. Rauen, 2020). Nun haben sich im Zuge der Pandemie die Vorzeichen geändert, wie Berninger-Schäfer feststellt: „In der Corona-Krise haben viele Coaches zur Existenzsicherung auf ein medial vermitteltes Coaching ausweichen müssen, auch wenn sie sich vorher nicht mit Online-Coaching beschäftigt haben.“ Der Video-Call, so die Psychologin weiter, sei oftmals als Ersatz betrachtet worden. Da es häufig an zuvor erworbener Professionalität im Online-Coaching mangelte, seien schnell Unsicherheit und Begrenztheit spürbar geworden. Coaches, betont Berninger-Schäfer, sollten sich klar vor Augen führen, dass ein Video-Call kein Pendant zum Face-to-Face-Setting darstelle und das übliche Coaching-Verhalten nicht einfach auf ein Medium übertragen werden könne. Zusatzqualifikationen im Online-Coaching, in Medienkommunikation und -nutzung zu erwerben, sei zu empfehlen.

Coaches sind außerordentlich weiterbildungsaffin, wie die erste RAUEN Coaching-Marktanalyse (Rauen, 2020) zeigt. Daher darf angenommen werden, dass jene Praktiker, die Online-Coaching nicht nur als vorübergehende Notlösung betrachten und über die Dauer der Pandemie hinaus anbieten möchten, auch bereit sein werden, sich entsprechend weiterzuentwickeln. Die vor der Corona-Krise erhobenen Daten ließen allerdings noch kein besonderes Weiterbildungsinteresse der befragten Coaches im Bereich der Digitalisierung erkennen (ebd.).

Auseinandersetzung mit Wirkfaktoren

Es stellt sich die Frage: Weshalb wird Online-Coaching bisweilen nur als Ersatz und nicht als vollwertige Alternative zur Präsenz-Variante verstanden? Ablehnung, so Berninger-Schäfer, gründe häufig auf der Vorstellung, Beziehungsgestaltung sei im Online-Format schwierig. Auch werde häufig angenommen, dass emotionale und physiologische Faktoren aufgrund der Kanalreduktion nicht adressiert werden könnten. Tatsächlich fehle es jedoch vor allem an einer Auseinandersetzung mit den für Online-Coaching zentralen Wirkfaktoren. Hierzu zählen u.a. die intensivierte Selbstoffenbarung, Selbstreflexion und von Trancephänomenen begleitete Fokussierung der Klienten sowie die Gestaltung emotionaler Nähe (Berninger-Schäfer, 2020 & 2018).

Über das Studium der wissenschaftlichen Erkenntnislage hinaus empfiehlt Berninger-Schäfer: Coaches sollten sich mit professionell entwickelten Tools für Online-Coaching auseinandersetzen, anhand derer die kognitiven, emotionalen und physiologischen Ebenen im Coaching gezielt anzusprechen seien.

Zwecks tieferer Auseinandersetzung mit der Frage, was Online-Coaching wirksam macht, sind auch Boos und Jonas (2008), Döring (2007) sowie Geißler (2020) zur Lektüre empfohlen. Letzterer betont, dass Wirkfaktoren im Online-Coaching sowohl eine mediale als auch eine methodische Komponente aufwiesen und dass die Wirkkraft von der spezifischen Verbindung beider Komponenten abhänge, womit wiederum das Thema der Zusatzqualifikation aufgegriffen wird. Die Fähigkeit, bedarfsgerecht die richtigen Kommunikations- und Problemlösungsmedien auswählen, sie passend kombinieren und methodisch sinnvoll gestalten zu können, sei notwendig, wolle man moderne Medien im Coaching professionell nutzen.

Umgang mit Datenschutz

Coaches tragen eine Verantwortung gegenüber ihren Klienten. Dies umfasst den Datenschutz, was für die allermeisten Praktiker im Präsenz-Setting selbstverständlich sein dürfte. Im Kontext von Online-Coaching äußert sich der Aspekt zusätzlich in der Wahl der verwendeten Software. „Gerne wird zu kostenlosen Diensten gegriffen, ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass dann oft mit Daten gezahlt wird“, gibt Berninger-Schäfer zu bedenken und bekräftigt: „Zu einem professionellen Vorgehen gehört die Gewährleistung von Datensicherheit.“ Coaches sollten sorgfältig prüfen, so ihr Appell, ob die gewählte mediale Umgebung die Daten ihrer Klienten ausreichend schützt. Die Expertin empfiehlt Coaches, sich u.a. folgende Fragen zu stellen: Welche Verschlüsselungsmaßnahmen werden vorgenommen? Wo sind Serverstandort und Firmensitz? Liegen Zertifikate vor? Welche Daten werden wann gelöscht?

Datenschutz ist nicht nur aus Rechts- und Ethikgründen zu berücksichtigen, sondern auch aufgrund ganz praktischer Erwägungen, die für das Gelingen eines Coaching-Prozesses relevant sind. Friesenhahn und Taylor (2019) weisen darauf hin, dass das Thema der Datensicherheit die Offenheit der Klienten für die angesprochenen Themen sowie für das Online-Setting beeinflussen und in der Folge auf die Kommunikation einwirken kann.

Folgerichtig sollte der Datenschutz selber zum Bestandteil der Kommunikation zwischen Coach und Klient werden. Gegenüber den Klienten in Fragen der Datensicherheit auskunftsfähig zu sein, sei unabdingbarer Bestandteil eines professionellen Auftritts, so Berninger-Schäfer. Nach Friesenhahn und Taylor (2019, S. 51) sind Klienten darüber zu informieren, „was genau mit ihren Daten passiert und zu welchen Zwecken diese erhoben und ausgewertet werden“.

Fazit

Coaches präferieren zumeist das Face-to-Face-Setting. Es ist dennoch vollkommen nachvollziehbar, dass sie sich mit Beginn der Pandemie verstärkt dem Online-Coaching zugewandt haben, um ihr Geschäft aufrechtzuerhalten. Dass dies schnell geschehen musste, ist ebenfalls klar. Wer jedoch langfristig im Bereich des Online-Coachings tätig sein möchte und dies noch nicht getan hat, sollte sich tiefergehend mit der Frage beschäftigen, wie das eigene Angebot möglichst professionell und wirksam zu gestalten ist.

Literatur

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