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Beruf Coach

Marketing für Coaching: dezent oder offensiv?

Pro- und Kontra-Argumente

6 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2010 am 13.07.2010

PRO

Professionelles Marketing: Ein „must-have“ für jeden Coach

von Benjamin Schulz

Coaching – ein Begriff, den wir mittlerweile an jeder Ecke in den unterschiedlichsten Märkten und Branchen hören. Dass dadurch natürlich eine Verwässerung im Markt stattfindet und es potenziellen Klienten bei der Selektion von Coachs nicht gerade einfach gemacht wird, liegt auf der Hand. Wenn wir über Professionalisierung im Coaching sprechen, betrifft das unmittelbar auch die Positionierung und die dazugehörigen Marketingaktivitäten. Sicherlich lebt der Coaching-Markt immer noch primär vom Empfehlungsgeschäft. Aber nicht nur die Kunden-Neugewinnung, sondern auch Kundenbindung zählen zu einem professionellen Vermarktungskonzept. Die Fragen, die sich dabei stellen:

  • Wie schaffe ich es als Coach, mir eine hohe Reputation und ein gutes Image zu erarbeiten?
  • Warum ist eine aktive Marketingstrategie so wichtig?

Sehen wir uns das Verhalten der Klienten an: Die Entscheidung für einen Coach basiert in erster Linie nicht auf der Basis von Qualifikationen. Sondern darauf, ob der Klient ein gutes Bauchgefühl bei der Entscheidung für den Coach hat. Das glauben Sie nicht? Hier ein paar Zitate: „Vertrauen Sie dabei Ihrem Bauchgefühl. Die Vertrauensbeziehung zwischen Klienten und Coach ist der elementare Träger des Erfolgs eines jeden Coachings“ (Coaching-Informationen). Oder: „Vertrauen Sie Ihrem Gefühl. Engagieren Sie keinen Coach, wenn Sie ihn nicht mögen oder die Beziehung nicht stimmt“(Coaching-Report). – Daraus schließe ich messerscharf: Marketing ist ein Werkzeug, um das Bauchgefühl zu nähren!

Die drei wichtigsten Faktoren für einen erfolgversprechenden Marktauftritt sind die Vermittlung von Authentizität, Identität und Emotionen. Um ein erstes Beispiel zu nennen: Fotos von Coachs auf Internet-Seiten, in Broschüren und Anzeigen. Was sich hier manchmal wiederfindet, grenzt schon ansatzweise an ein Panoptikum. Von Fotos aus dem Urlaub bis hin zu Passbildern: Alles ist dort zu finden. Bilder, die entweder schon Jahre alt sind oder bei der letzten Grillparty gemacht wurden, werden wohl dem Klienten wahrscheinlich nur ein leises „Ups“ entlocken ... Damit Authentizität, Identität und Emotionen in den Kommunikationsmitteln gleich optisch ins Spiel kommen können, benötigt man als Coach einen Profi-Fotografen, der den Coach in Mimik und Gestik in Szene setzt.

Als Zweites muss ein klares Profil gezeichnet werden, mit dem Persönlichkeit und Kompetenz transportiert werden. Das ist heute ausschlaggebend für eine sichere Positionierung im Markt. Denn womit identifiziert sich der Mensch am meisten? Mit Seinesgleichen. Also muss eine Identifikation mit dem Coach gefördert werden, um beim Klienten das Vertrauen zu wecken, dass dieser Coach genau der richtige Begleiter für seinen persönlichen Klärungsprozess ist.

Ein Drittes: Vertrauen ist eines der maßgeblichen Dinge in einem Coaching-Prozess. Das sagt auch Peter-Paul Gross, der Gewinner des DBVC-Coaching-Preises 2010 in seiner Studie über Angebots- und Nachfragestrategien im deutschen Coaching-Markt. Vertrauensbildende Maßnahmen sind also ein Schlüssel, wenn es um die Vermarktung von Coachs, Trainer und Berater geht. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass Klienten „von alleine kommen“ (Schlaraffenland-Verhalten), ohne marketingseitig etwas zu tun.

Gerade die Coachs, die schon seit Jahren auf dem Markt sind und bis dato fast nur vom Empfehlungsgeschäft leben, werden es in Zukunft immer schwerer haben, sich gegen die neuen und jüngeren Coachs durchzusetzen. Denn diese nutzen beispielsweise die neuen Medien wie Social Media aktiv und legen eine höhere Gewichtung auf die Eigenvermarktung.

Das heißt: Nichts dem Zufall überlassen! Das würde ein Coach in seiner Methodik im Coaching-Prozess ja auch nicht tun. Professionelles Marketing von Profis für Profis ist das Gebot der Stunde. Ein Marketingspezialist, der sich sowohl mit dem Kontext Coaching als auch mit der Branche wirklich auskennt, ist dafür sicher ein guter Partner.

KONTRA

Marketing ist eine Kulturfrage

von Dr. Bernd Schmid

Als Weiterbildungsanbieter schalte ich keine Werbeanzeigen. Nicht nur, weil unsere Ausbildungsgruppen auch ohne Werbeanzeigen voll werden. Sondern, weil es nicht zum Wieslocher Institut für systemische Beratung passt. Wir leben Diversity und Begegnung zwischen Professionellen aus unterschiedlichen Branchen und Organisationstypen, zwischen Menschen mit verschiedenen Rollen und Funktionen in Organisationen, mit unterschiedlichen Marktauftritten und Karrierezielen, in unterschiedlichen Lebensphasen und Lebensumständen. Zu uns kommen Menschen, um ihre Professionalität aus ihrer Persönlichkeit heraus neu zu justieren. Ich wüsste nicht, wie über das Medium Werbung ein so heterogenes Feld wirksam angesprochen werden könnte.

Es gibt Standesvertreter, die hier viel spezialisierter sind und versuchen über Werbemedien an die Karrierewünsche ihrer Zielgruppe anzukoppeln. Sie suchen den Flair des Executive-Bereichs. Auch glauben einige Kollegen, dass viele Berater deshalb nicht als Executice-Coachs geeignet sind, weil sie aus einem sozial orientierten Mittelschicht-Milieu kommen und von daher nicht an Executives ankoppeln können. Sie würden ihrer Milieulogik gemäß glauben, dass es ihren Klienten um Einsicht, Beziehungsfähigkeit und Lernen gehe. Sie würden allerdings unterschätzen, wie sehr es in diesen Kreisen vielmehr um Klassen- und Machterhalt gehe. Ich finde solche Gedanken bedenkenswert und es sollte im Feld offen über die Bedeutung von Milieu diskutiert werden.

In Professionellen-Kreisen ist es schwierig, über Milieus und Grenzen offen zu kommunizieren. Das Thema wird tabuisiert, weil es ängstigt. Auf der einen Seite werden Beschämung, Verlust von Aufstiegs-Hoffnungen, auf der anderen Rechtfertigungsprobleme und Privilegien-Verluste befürchtet. Wer will schon gerne in „Neid-Debatten“ verwickelt werden? Doch bezüglich Milieus nicht stimmig unterwegs zu sein, bedeutet Erfolgseinbuße oder übermäßige seelische Anstrengung.

Daher machen wir genau diese Auseinandersetzung zum Thema in unseren Weiterbildungen. Denn Kompetenz hat nicht nur damit zu tun, welches Rollenrepertoire man beherrscht, ob man sich mit Themen, Inszenierungen und Bühnen auskennt, in denen diese Rollen zu spielen sind, sondern auch damit, ob sie aus dem eigenen Hintergrund heraus getragen wird. Es kommt halt auch darauf an, dass die eigene Art, sich mit seinen Repertoires auszudrücken und zu bewegen, zur jeweiligen Unternehmenskultur und dem dort vorherrschenden Führungsstil passt; oder zu bestimmten Märkten oder beruflichen Vereinigungen.

Womit die Teilnehmer unserer Ausbildungsgruppen konfrontiert werden, ist eine spezifische Kultur, die wir leben, an der sie teilnehmen, von der sie beeinflusst werden, die sie auch selbst beeinflussen und die sie dann weiter tragen in die Unternehmen. Wir reflektieren Kultur und wir gestalten Kultur. Wir machen die Passung von Individuum und Kultur zum Thema. Kultur entsteht durch Kultur.

Daher sind unsere Weiterbildungsteilnehmer unsere „Vertriebsleute“. Sie erzählen von ihren Erfahrungen in der Weiterbildung: zuhause, im Freundeskreis, im Unternehmen. Über Weiterbildungserfahrungen erzählt man eher als über Erfahrungen, die man in einem Coaching gemacht hat. Und das führt dann wieder dazu, dass weitere Menschen zu uns finden, die sich davon angesprochen fühlen. Denen unsere Kultur passt. Es entstehen Netzwerke.

Würden wir nun imageorientierte Anzeigenserien starten, würde das unsere Kultur konterkarieren. Dennoch wollen wir nicht abgrenzen oder polarisieren. Milieubegegnung ist auch in Beraterkreisen wichtig, spiegelt sich darin doch, was in den Organisationen und der Gesellschaft für gemeinsamen Erfolg entscheidend ist. Dies ist einer der Gründe für unser Engagement im Rahmen der Verbandsarbeit im DBVC. Wir suchen die Auseinandersetzung, proben damit auch immer wieder unsere Anschlussfähigkeit.

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