Beruf Coach

Fragen an Anja Mumm

Senior-Coach (DCV) und Coach-Ausbilderin Anja Mumm beantwortet Fragen aus der Praxis

Anja Mumm, Senior-Coach (DCV) und Coach-Ausbilderin, beantwortet Fragen aus der Coaching-Praxis.

4 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2016 am 07.09.2016

Der Coaching-Markt ist relativ unübersichtlich und scheint gesättigt. Haben hier „Neulinge“ überhaupt eine Chance?

Ersteres ist leider ein Fakt – trotz aller Bemühungen der Coaching-Verbände, über die letzten zehn Jahre Standards und Kompetenzen zu definieren und zu kommunizieren. Gesättigt ist der Markt meiner Ansicht nach jedoch nicht. Und – trotz aller Intransparenz – scheinen die Klienten heute besser informiert zu sein. Sie suchen nach Qualifikationen und Empfehlungen, vergleichen. Wenn man als Coach eine fundierte Ausbildung hat, sich weiter qualifiziert, seine eigene Persönlichkeit entwickelt, klare Prozesse aufsetzt und sich im Markt stimmig positioniert, dann hat man auch eine Chance als Neuling. Für den Erfolg wesentlich sind die Fähigkeit und der Wille, Kunden zu gewinnen, Akquisition zu betreiben, zu netzwerken. Das wird von den „Jung-Coaches“ leider oft vergessen.

Welche Kompetenzen braucht ein Coach und warum sind diese für Führungskräfte ebenfalls unabdingbar?

Ein Coach braucht Fachkompetenz, Beziehungskompetenz, Prozesskompetenz und Selbstkompetenz. Im Deutschen Coaching Verband (DCV) hat die Zertifizierungskommission unter der Federführung von Oliver Müller, Ann-Catrin Kienle und mir selbst daraus ein Kompetenzmodell entwickelt, dass die Grundlage für die dortigen Zertifizierungen bildet. Unter Fachkompetenz verstehen wir relevantes Hintergrundwissen über Psyche und Entwicklung von Menschen und Coaching-Wissen. Beziehungskompetenz ist die Fähigkeit zur werteorientierten Interaktionsgestaltung sowie Konflikt- und Feedbackfähigkeit. Unter Prozesskompetenz subsumieren wir alles, was es braucht, um den Coaching-Prozess ziel- und lösungsorientiert aufzusetzen und zu steuern. Und Selbstkompetenz ist der Wille, sich selbst einigermaßen durchdrungen zu haben und insgesamt eine authentische Persönlichkeit zu sein. Und genau an diesen Eigenschaften erkennt man auch einen guten Coach. Viele dieser Kompetenzen benötigen heute auch Führungskräfte, die in schnelllebigen, digitalisierten, globalisierten, agilen etc. Zeiten bestehen wollen. Daher mein Credo: Jede Führungskraft benötigt auch Coaching-Kompetenzen.

Wo liegt der Nutzen einer Zertifizierung eines Coaching-Verbands?

Der Nutzen einer Zertifizierung ist mindestens zweifach, sofern man das „Siegel“ nicht einfach nur kaufen kann. Einmal schafft es etwas mehr Transparenz im Dschungel. Jemand, der z.B. beim DCV oder DBVC anerkannt ist, muss seine umfangreichen Qualifikationen nachweisen. Darüber hinaus wird man auch noch zu einem Zertifizierungsgespräch gebeten, in dem Kompetenzen beobachtet werden können, die jenseits der auf dem Papier nachweislichen Ebene liegen. Das alles findet unabhängig von dem ausbildenden Institut statt – eine neutrale Fachinstanz sozusagen. Der Coach selbst reflektiert sich in dem Prozess idealerweise umfassend. Und die interessierten Klienten können sich darüber informieren, was für diese Zertifizierung alles notwendig war.

Worin liegt für Sie der Reiz, als Coach zu arbeiten?

Der Antrieb für mich war immer schon, das Leben angenehmer und lebenswerter zu gestalten. Ich glaube zutiefst daran – und beobachte das dann logischerweise auch –, dass die meisten Menschen unter ihren Möglichkeiten bleiben. Jeder Mensch hat Fähigkeiten, Talente, Werte, Bedürfnisse. Wenn man im Laufe seines Lebens diese Fähigkeiten und Talente lebt, seine Werte und Bedürfnisse versteht und auch hinterfragt, dann haben Menschen am Ende des Lebens das Gefühl, ein erfülltes Leben gelebt zu haben. Und ich denke, wenn jeder Mensch für sich selbst Zufriedenheit fände, dann wäre die Welt ein besserer Ort. Ziemlich idealistisch ... Dazu kommt, dass mich Menschen einfach interessieren. Was treibt sie an, wie konstruieren sie sich ihre Wirklichkeit, was macht sie zufrieden? Die Kölner sagen: „Jede Jeck is anders!“ Das ist auch gut so. Denn genau das finde ich spannend.

Warum dauert ihre Coaching-Ausbildung so lange und wird nicht im Block angeboten?

Aus den zuvor geschilderten Kompetenzen für Coaches ergibt sich, dass auch das Coach-Werden einen Entwicklungsprozess erfordert. Diese Entwicklung braucht Zeit und die Möglichkeit, diese in das eigene Leben zu integrieren. Noch ein Spruch, diesmal aus Afrika: „Das Gras wächst nicht schneller, in dem man daran zieht.“ Das gilt auch für die Ausbildung zum Coach.

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