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Wissenschaft

Unter sechs Augen

Die Wirkung von Pferden im Coaching

Für die Einen taugt es bestenfalls zur Manager-Unterhaltung, für die Anderen ist es ein wertvolles, gewinnbringendes Feedback-Instrument: Tier- und insbesondere pferdegestützte Coachings sind unübersehbar ein kontrovers diskutierter Trend im Maßnahmenspektrum der Personalentwicklung. Ein Grund hierfür: Bislang fehlte es an wissenschaftlichen Untersuchungen, die Wirkung und Effektivität pferdegestützter Coaching-Ansätze in den Blick nehmen. Die hier vorgestellte Studie setzt an, diese Lücke zu schließen.

13 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2015 am 18.11.2015

Aktuelle Forschungsergebnisse belegen die Wirkung von Coaching und erste theoretische Ansätze postulieren Wirkmechanismen erfolgreichen Coachings. Doch der Markt ist vielfältig. „Was lernt der Boss vom Ross?“ – solche und ähnliche Wortspiele sind als Zeitschriftentitel und Seminarangebote zu finden, ohne dass die Effektivität derartiger Angebote bislang ausreichend untersucht wurde. Daher sollte die Wirksamkeit des pferdegestützten Coaching-Settings wissenschaftlich hinterfragt werden.

In diesem Artikel sind wesentliche Ergebnisse einer empirischen Studie zusammengefasst, die sechs pferdegestützte Coaching-Prozesse detailliert beleuchtet hat. Als theoretische Basis dienten bestehende Untersuchungen des therapeutischen Kontexts sowie Wirkannahmen einschlägiger Coaching-Ansätze.

Effekte pferdegestützter Therapie

Pferde werden im therapeutischen und heilpädagogischen Kontext seit den 50er-Jahren eingesetzt, also wesentlich länger als im Coaching. Aus Mensch-Tier-Beziehungen können in therapeutischen Einsatzbereichen mit unterschiedlichen Tierarten positive Effekte resultieren (Julius et al., 2014). Allein die Anwesenheit eines Tieres kann den Blutdruck senken, entspannend oder euphorisierend wirken und Depressionen lindern. Als Fluchttiere kommunizieren Pferde mit ihren Artgenossen und auch Menschen überwiegend nonverbal. Im Laufe des Domestikationsprozesses hat sich das Wahrnehmungssystem des Pferdes auf Körpersignale von Menschen verfeinert, sodass sie unmittelbar auf den menschlichen Ausdruck reagieren können (Opgen-Rhein, 2011). Die Interaktion mit einem Pferd fördert damit die Psychomotorik, das Körpergefühl und die nonverbale Ausdrucksfähigkeit.

Da das Pferd ein Bedürfnis nach sozialen Banden hat, wendet es sich dem Menschen zunächst grundsätzlich zu. Daneben können Tiere Akzeptanz und Bestätigung spenden sowie die emotionale Öffnung des Menschen fördern (Vernooij & Schneider, 2007). Als Herdentiere testen sie kontinuierlich die Vertrauenswürdigkeit und Führungsfähigkeit des Gegenübers, um falls nötig selbst die Führungsposition einzunehmen. Eine Herde bietet dem Pferd in freier Wildbahn Überlebensschutz. Herden sind durch eine Rangfolge, beginnend mit dem Alpha-Hengst und ranghöheren Stuten, strukturiert (Krüger et al., 2014).

Tiergestützte therapeutische und pädagogische Angebote zielen häufig auf Kinder, Jugendliche, Ältere oder Erwachsene mit besonderem Förderungsbedarf ab. Coaching wird zwar häufig von Führungskräften und anderen Personen im beruflichen Kontext in Anspruch genommen, doch könnten die angerissenen therapeutischen Effekte auch im Coaching nützlich sein. Coaching-Ansätze basieren zudem auf wesentlichen Therapierichtungen und werden nachfolgend exemplarisch mit Annahmen zur Wirkungsweise von Pferden verknüpft.

Wirkannahmen pferdegestützten Coachings

Pferde agieren gemäß ihrer Grundbedürfnisse und akzeptieren Menschen unabhängig von deren Status oder Aussehen. Menschen können auch zu Tieren eine innige Beziehung aufnehmen und ihr Bindungsbedürfnis befriedigen (Julius et al, 2014). Außerdem wirken Tiere als sogenannte soziale Katalysatoren emotional öffnend und vertrauensbildend, was sich positiv auf die Beziehung des Klienten zum Coach auswirken kann (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2011). Eine akzeptierende, empathische und echte Beziehung zwischen Coach und Klient ist wesentlicher Wirkungsmoment personenzentrierten Coachings, das sich auf Basis der Gesprächspsychotherapie nach C. Rogers (2009) entwickelte. Die echte und akzeptierende Begegnung mit einem Pferd kann demzufolge diese Beziehungsform unterstützen und die emotionale Selbstexploration des Klienten fördern.

Grundannahmen der Verhaltenstherapie finden sich im kognitiv-behavioristischen Ansatz wieder. Demnach ist Verhalten erlernt und im Coaching werden unter anderem eine Bedingungsanalyse (Identifizierung vorausgehender, begleitender und nachfolgender Bedingungen eines Verhaltens) sowie eine Exposition (das konkrete Erleben angstbezogener Parameter) durchgeführt (Opgen-Rhein, 2011). Pferdegestützt können beide Elemente handlungsorientiert erfolgen. Dabei ist v.a. die körpersprachliche Interaktion des Klienten mit dem Pferd im Fokus und ermöglicht ein Erfühlen und wiederholtes Üben von Verhaltensweisen. Dazu muss sich das Anliegen in der Interaktion mit dem Pferd widerspiegeln können (z.B. nonverbale Überzeugungskraft) und in den Berufsalltag transferiert werden.

Psychoanalytisch betrachtet ist ein Pferd ein Archetyp, der das unbewusst Psychische, Unkontrollierbare und kraftvoll Animalische verbildlicht (Jung, 1985). Außerdem bietet das Pferd eine weitere Möglichkeit zur Übertragungsbeziehung, bei der sich Gefühle früherer Beziehungen in der aktuellen Situation wiederholen. In der Begegnung mit dem Pferd können frühere Konflikte, unbewusste Gefühle oder Fantasien aktualisiert und auf das Tier projiziert werden. Diese können im Coaching aufgegriffen und einer bewussten Bearbeitung zugänglich gemacht werden (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2011).

Aus den skizzierten theoretischen Zusammenhängen geht hervor, dass Pferde je nach Perspektive mit verschiedenen Intentionen im Coaching eingesetzt werden können. Ihre konkrete Wirkungsweise im Coaching wurde in der nachfolgend beschriebenen Studie detailliert empirisch untersucht.

Studienaufbau

Die Untersuchung umfasst sechs Coaching-Fälle, die entsprechend gängiger Gütekriterien erhoben, analysiert und ausgewertet wurden (Friesenhahn, in Druck). Die Akquise der Studienteilnehmenden erfolgte über Newsletter einschlägiger Fachzeitschriften, Netzwerke und Verbände. Die Coaches mussten über eine Qualifikation im Coaching- und Pferde-Bereich verfügen. Die Klienten wurden durch deren Coaches über die Studien informiert. Jeder Fall wurde aus der Perspektive des Coachs und des Klienten über den gesamten Prozess hinweg betrachtet, um plötzliche Veränderungen und abweichende Einschätzungen berücksichtigen zu können. Die Coaching-Prozesse sind unterschiedlich lang (zwischen einer und fünf Sitzungen), wobei teilweise alle, teilweise einzelne Sitzungen mit Pferden unterstützt wurden.

Zur Untersuchung wurden quantitative Erhebungsinstrumente entwickelt (Ratinginventar, Fragebogen) sowie qualitative Verfahren eingesetzt (Interview, videografische Segmentierungsanalyse) und in der Datenauswertung trianguliert. Neben der Frage der Unterstützungsweise von Pferden beziehen sich weitere Forschungsfragen auf die Art und Weise der Beziehungsgestaltung von Coach und Klient sowie auf die Bedeutung emotionaler und intuitiver Wahrnehmungsprozesse. Letzterer Aspekt kann hier jedoch nicht weiter ausgeführt werden.

Der Einfluss von Pferden im Coaching und im Speziellen auf die Beziehung von Coach und Klient wurde qualitativ exploriert. Dazu wurden wenn möglich je Fall drei Sitzungen gefilmt. Die Videos wurden einer qualitativen Segmentierungsanalyse unterzogen sowie in Selbstkonfrontationsinterviews eingesetzt. Mithilfe der Segmentierungsanalyse wird ein Überblick über den Ablauf der pferdegestützten Sitzungen erzeugt. Dazu wurden die Videos in Segmente eingeteilt und mit einem Standbild, einer Erklärung und einem charakteristischem Titel die Abfolge des Geschehens zusammengefasst (Dinkelaker & Herrle, 2009). Im Zuge dessen wurden Ausschnitte ausgewählt, zu denen die Studienteilnehmenden im Anschluss an die Coaching-Prozesse interviewt wurden. Bei der Betrachtung der Videos wurden sie gebeten, das Gezeigte mit ihren Gefühlen und Gedanken in der Ursprungshandlung zu kommentieren, sodass innerpsychische Prozesse verbalisiert wurden – das sogenannte Selbstkonfrontationsinterview nach Breuer (1995). Zusätzlich beinhaltete jedes Interview problemzentrierte, leitfadengestützte Fragen. Die Interviews wurden inhaltsanalytisch ausgewertet (Mayring, 2010).

Studienergebnisse

Die Effekte der untersuchten pferdegestützten Coachings lassen sich in zwei Bereiche zusammenfassen: Zum einen wurden sich die Klienten ihrer eigenen Verhaltens-, Denk- und Gefühlsmuster bewusst und begannen diese zu verändern, z.B. sich weniger Zeitdruck zu machen oder erreichte Ziele zu genießen. Zum anderen steigerten sie ihre Führungskompetenz, indem sie ihren verbalen und nonverbalen Ausdruck in Übereinstimmung brachten, ihren persönlichen Führungsstil reflektierten und lernten, ihn flexibel anzupassen.

Das Anliegen der Klienten im ersten und sechsten Fall war es, anderen Personen wirklich vertrauen zu können und sich von den Bewertungen anderer unabhängig zu machen. Im zweiten Fall ging es um die Nachsorge der Klientin nach einem Burn-out und das empfundene innere Ungleichgewicht, das sich auf ihren Führungsstil auswirkte. Im dritten, vierten und fünften Fall reflektierten die Klienten ebenfalls die Wirkung ihres Führungsstils, wobei der körpersprachliche Ausdruck und der Einfluss durch die eigene Persönlichkeit zentral waren.

Die Pferde wurden in allen Fällen zu Demonstrations- und Übungszwecken eingesetzt. Das bedeutet, entweder zeigte der Coach mit dem Pferd ein bestimmtes Verhalten (z.B. volles Vertrauen zu haben, indem er sich von hinten an das Tier anlehnte) oder der Coach stellte dem Klienten eine Aufgabe, die er gemeinsam mit dem Pferd bewältigen sollte. Dabei wurden typische Muster der Klienten sichtbar. Wurde mit mehreren Pferden gearbeitet, erkennen die Klienten Unterschiede in den Reaktionen der Pferde und erhalten so eine zusätzliche Perspektive auf ihre Wirkung (Fall 1, 3, 4, 5).

Eine durchgängig eingesetzte Aufgabe war es, das Pferd durch einen Hindernisparcours zu führen (z.B. über Stangen, im Slalom durch Pylonen oder rückwärts aus einer Sackgasse heraus). Teilweise symbolisierten die Hindernisse Herausforderungen aus dem beruflichen Kontext des Klienten (z.B. ein Projektziel). Häufig wurde auch eine Übung eingesetzt, bei der die Klienten eines oder mehrere Pferde dazu bringen sollten, im großen Kreis um sie herum zu gehen oder zu traben. In Form solcher und ähnlicher Übungen wurden die Pferde im Laufe der Sitzungen immer wieder aktiv und handlungsorientiert einbezogen.

In den pferdegestützten Sitzungen wird aus der Dyade eine Triade, in der der Coach zeitweise zum Beobachter zweiter Ordnung wird. Die Coaches betrachteten in allen Fällen die Reaktionen von Klient und Pferd, um anschließend Feedback geben zu können. Dabei können intuitiv gebildete Hypothesen des Coachs anhand des Beobachteten konkret besprochen werden. Das erleichtert es, weiterführende Fragen oder Interventionen gezielt auszuwählen. Die Gespräche zwischen den pferdegestützten Übungen sollten die Reflexion der Aufgabe unterstützen sowie die Bedeutung für das Coaching-Thema verdeutlichen. Damit wird das Tier zum „Diagnosemedium im Beziehungsdreieck“ (Kupper-Heilmann, 2012; 365).

Körpersprache, Emotionalität und Transfer

Der Einbezug von Pferden im Coaching legt den Fokus auf die Körpersprache des Klienten, in der sich häufig das emotionale Empfinden widerspiegelt. Der Klient geht mit typischen Körperhaltungen und intuitiven Verhaltensmustern an die Übungen heran. Auf diesen körperlichen Ausdruck reagiert das Pferd entsprechend. In der Interaktion mit dem Tier erleben die Klienten die direkte Reaktion, z.B. ob es ihnen freiwillig folgt, sie beachtet, es nervös oder ruhig wirkt. Daran können Inkongruenzen zwischen innerer Überzeugung und Auftreten deutlich und spürbar werden, z.B. eine überspielte Unsicherheit.

Die Klienten können zudem verschiedene Ausdrucksweisen mit den Pferden ausprobieren und z.B. den Führungsstil bewusst variieren, bis sie ihn als stimmig empfinden. So wurden in allen Fällen bislang unbewusste, intuitive Verhaltensweisen deutlich. In zwei Fällen erkannten die Klienten Ähnlichkeiten zwischen ihrem und dem Charakter des Pferdes (Fall 4, 6). Auch die bewusste Auswahl des jeweiligen Pferdes für den jeweiligen Klienten kann daher relevant sein.

Die Übungen mit den Pferden ermöglichen ein aktives Handeln und Erleben vielfältiger Emotionen, sodass eine prozessuale Aktivierung erfolgt, die zur Veränderung nötig ist. Die Erlebnisse mit den Pferden wurden auf den Berufsalltag transferiert. Zum Beispiel erinnerte sich die Klientin des fünften Falles an ihr positives Gefühl, als sie bemerkte, dass alle Pferde ihr selbst nach der Übung noch freiwillig folgten. Dieses Gefühl unterstützte sie in ihrem Berufsalltag als junge Teamleiterin.

Insgesamt beschrieben die Klienten bei den pferdegestützten Übungen Gefühle wie Ärger, Angst, Neugier, Freude etc., also sowohl negative wie auch positive Emotionen, was auf eine emotionale Selbstwahrnehmung schließen lässt.

Die Beobachtung der emotionalen Reaktionen der Klienten unterstützte zudem das empathische Gespür der Coaches. Im ersten und zweiten Fall wurden die Pferde als „emotionale Anzeiger“ beschrieben, da die Reaktionen der Pferde, z.B. wenn sie sich plötzlich neben die Klienten stellten, als Hinweis auf eine hohe Emotionalität der Klienten interpretiert wurden. Die Bewältigung von herausfordernden Übungen führte in fünf der sechs Fälle zu Selbstwirksamkeitserfahrungen, die die Klienten als emotionale Ressourcen in ihren Veränderungsprozessen bestärkten.

Pferd und Klient interagieren teilweise auch außerhalb der Übungen, z.B. beschnuppert das Pferd den Klienten (Fall 1, 2) oder Klient und Pferd atmen gleichzeitig laut aus (Fall 2, 5). Die Klienten lehnten sich an das Pferd an oder streichelten es und beschrieben eine beruhigende, Ruhe ausstrahlende Wirkung des anwesenden Pferdes (Fall 1, 4, 6). Die soziale Katalysatorfunktion wurde in drei Fällen (1, 3, 5) beschrieben, indem die unvoreingenommene Reaktion des Pferdes als weniger verletzend empfunden wurde, als das entsprechende Feedback des Coachs. Erkennt der Coach zusätzlich schnell charakteristische Eigenschaften des Klienten und spiegelt sie zurück, fördert das das Vertrauen des Klienten in den Coach.

Herausforderung für die Coach-Klient-Beziehung

Neben diesen Möglichkeiten birgt die Pferdeunterstützung jedoch auch eine Herausforderung für die Coach-Klient-Beziehung. In einigen Fällen (1, 4, 5) wird deutlich, dass die Übungen mit den Pferden die Interaktion zwischen Coach und Klient stark anregte. Die Klienten waren zum Teil vorher, aber vor allem nach den Übungen emotional expressiv. Der Redeanteil des Klienten war dann höher als der des Coachs und es scheint, als versuchte der Klient den Coach nach dem intensiven Erleben mit den Pferden aktiv einzubeziehen und an seinen emotionalen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Die Sequenzen, in denen der Klient eher auf die Pferde als auf den Coach fokussiert ist, wirken für das Miteinander von Coach und Klient als Unterbrechungen.

Coach und Klient müssen sich dadurch häufiger aktiv neu aufeinander einstellen. Da die Übungen teilweise schwierig für die Klienten sind, brauchen die Coaches das richtige Zeitgefühl für eine Unterbrechung, bevor der Klient zu frustriert ist (v.a. Fall 3). Es kommt daher auch darauf an, wie der Coach die Übungen in das weitere Coaching einbezieht und die emotionale Offenheit des Klienten zur Zielerreichung nutzen kann. Kann der Coach nicht an die Aufnahmebereitschaft des Klienten anknüpfen, ist dieser Moment vertan oder der Klient fühlt sich weniger von ihm verstanden. Der Einsatz von Pferden kann sich folglich auch negativ auf die Beziehung zwischen Coach und Klient auswirken.

Ausblick: Von der Dyade zur Triade

Die Hinzunahme eines Pferdes beeinflusst den Coaching-Prozess und die Beziehung zwischen Coach und Klient. Es wurden wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse be schrieben, die aufzeigen, dass die Unterstützung von Pferden eine Möglichkeit sein kann, die körpersprachliche, emotionale und intuitive Ebene im Coaching verstärkt einzubeziehen. Der Coach hat eine entscheidende Rolle in diesem Beziehungsdreieck und muss durch die Beobachtungen, das Feedback, die resultierenden Fragen und Interventionen den Prozess steuern. Daher ist nicht das Pferd der Coach, sondern diese Rolle wird nach wie vor durch den Coach selbst eingenommen.

Ohne die Reflexion der Beobachtungen und den Transfer in die Berufspraxis bleibt der Kontakt des Klienten zum Pferd unspezifisch. Übergeneralisierende Heilversprechen sollten also weiterhin kritisch hinterfragt werden, da in dieser komplexen triadischen Dynamik des pferdegestützten Coachings vielfältige Kompetenzen nötig sind, um einen zielgerichteten Nutzen aus dieser Methode ziehen zu können. Es werden neben Coaching-Kompetenzen z.B. auch Fachwissen zum Umgang mit Pferden, das entsprechende logistische Umfeld oder die Fähigkeit, mögliche Effekte des Pferdes auf den Klienten einzuschätzen, benötigt.

Aus den untersuchten Fällen wurde deutlich, dass der Einsatz der Pferde, beginnend mit der Anzahl und dem Aufbau der Übungen, zwar auch intuitiv erfolgt, aber meistens bewusst vom Coach geplant wird und daher mit Hypothesen über Ursache und Wirkung verbunden ist. Für die weitere Professionalisierung pferdegestützter Personalentwicklungsmaßnahmen wäre eine einheitliche theoretische Fundierung nötig.

Um den praktischen Einsatz von Pferden im Coaching begründen zu können, bedarf es eines schulenübergreifenden Rahmens, der einerseits eine theoretische Basis bietet und andererseits offen genug ist, um unterschiedliche Coaching-Ansätze integrieren zu können. Einen solchen Rahmen stellt eine allgemeine Beratungstheorie dar, die die Selbstorganisation und dynamische Synchronisation von Systemen berücksichtigt (Schiersmann et al., 2015; Friesenhahn, in Druck). Unter dieser Perspektive können in einem pferdegestützten Coaching typische, anliegenspezifische Muster nicht nur auf kognitiver Ebene versprachlicht, sondern auch emotional nachempfunden und behavioral ausgedrückt werden. Dann kann ein Coaching unter sechs Augen sinnvoll und effektiv sein.

Literatur

  • Breuer, Franz (1995). Das Selbstkonfrontations-Interview als Forschungsmethode. In Eckard König & Peter Zedler (Hrsg.). Bilanz qualitativer Forschung. Band 2: Methoden. Weinheim: Deutscher Studien Verlag. 159–180. 
  • Dinkelaker, Jörg & Herrle, Matthias (2009). Erziehungswissenschaftliche Videographie. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Friesenhahn, Johanna (in Druck). Durch Synchronisation zur Synergie im Coaching. Dissertation, Universität Heidelberg.
  • Greiffenhagen, Sylvia & Buck-Werner, Oliver N. (2011). Tiere als Therapie. Nerdlen: Kynos Verlag.
  • Julius, Henri; Beetz, Andrea; Kotrschal, Kurt; Tuner, Dennis C. & Uvnäs-Moberg, Kerstin (2014). Bindung zu Tieren. Göttingen: Hogrefe.
  • Jung, Carl. G. (1985). Die Archetypen und das kollektive Unbewusste. Freiburg: Walter-Verlag.
  • Krüger, Konstanze; Flauger, Birgit; Farmer, Kate & Hemelrijk, Charlotte (2014). Movement initation in groups of feral horses. In Behavioral Processes, 103, 91–101.
  • Kupper-Heilmann, Susanne (2012). Pferde als Diagnose- und Fördermedium. In Jutta Buchner-Fuhs & Lotte Rose (Hrsg.). Tierische Sozialarbeit. Wiesbaden: VS Verlag. 353–367.
  • Mayring, Philipp (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. Weinheim: Beltz.
  • Opgen-Rhein, Carolin (2011). Wirkweisen pferdegestützter Therapie. In Carolin Opgen-Rhein, Marion Kläschen & Michael Dettling (Hrsg.). Pferdegestützte Therapie bei psychischen Erkrankungen. Stuttgart: Schattauer. 11–22.
  • Rogers, Carl R. (2009). Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. München: Reinhardt.
  • Schiersmann, Christiane; Friesenhahn, Johanna & Wahl, Ariane (2015). Synergetisch beraten im beruflichen Kontext. Göttingen: Hogrefe.
  • Vernooij, Monika A. & Schneider, Silke (2007). Handbuch der tiergestützten Intervention. Wiebelsheim: Quelle & Meyer.

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