International

Coaching internationaler Führungskräfte

Internationales Coaching

6 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 05 | 2007

„Ich bin seit drei Monaten in Deutschland und habe ein Problem mit meinem Chef, egal was ich sage, er hört mir nicht zu!“ Mit diesen Worten schildert eine sehr nette vietnamesische Dame ihr Anliegen. Sie ist vorübergehend in Deutschland tätig und ist interessiert an Coaching. Auf die Frage, ob ihr Chef auch Vietnamese sei, antwortet sie: „Er ist Deutscher, aber das spielt keine Rolle, denn es ist auch so mit meinem englischen und vietnamesischen Vorgesetzten“.

An dieser Stelle wurde mir wieder einmal bewusst: kulturelle Unterschiede können, müssen aber nicht, Ursache für Probleme sein. Das Coaching einer international agierenden Führungskraft hat daher meistens Anteile eines klassischen Führungskräfte-Coachings.

Übergänge von einer Kultur in eine andere sind in der Regel schwierige Phasen, in denen der Coach als vertrauter Ansprechpartner unterstützt und begleitet. Doch wo genau liegen nun die Schwerpunkte des internationalen Coachings, warum können gerade internationale Manager besonders von Coaching profitieren und was sollte ein international arbeitender Coach beachten?

Internationale Führungskräfte

Internationale Führungskräfte sind sowohl Manager anderer Nationen, die in Deutschland arbeiten, als auch deutsche Führungskräfte, die in einem internationalen Umfeld agieren, etwa die Leitung eines international zusammen gestellten Teams übernommen haben. Die relevanten Coaching-Themen sind erfahrungsgemäß vor allem Führung, Selbstmanagement, Kommunikation und interkulturelle Fähigkeiten. Coaching ist in diesen Themen im internationalen Umfeld ganz besonders sinnvoll, denn:

Kommunikation und Führung sind bereits zwischen Personen aus ähnlichen Kulturkreisen oftmals problembehaftet – umso mehr gilt dies, wenn zusätzlich kulturelle Unterschiede hineinspielen. 

Konflikte und Frustrationserlebnisse sind hierbei oftmals unvermeidlich. Das Selbstmanagement wird regelmäßig an seine Grenzen geführt. Für diesen Personenkreis ist es wichtig, kulturelle Unterschiede hinsichtlich Verhalten und Wertsystemen nicht nur zu akzeptieren und zu verstehen, sondern auch als Lern- und Wachstumschance zu begreifen und wertzuschätzen. Hier ist der Mensch in seiner Gesamtheit gefordert, Verstand und Sprache, Emotionen und Beziehungen, Körperbewusstsein und Körpersprache müssen sich kohärent im Einklang befinden. Dies erfordert lebenslanges Lernen. Es ist die Aufgabe des Coachs, die Führungskraft dabei zu begleiten und in ihrer Entwicklung zu fördern.

Internationales Coaching

Das internationale Coaching beinhaltet fünf Bereiche:

  • Überprüfung auf klassische Inhalte
  • Kulturelles Wissen
  • Kulturelles Verständnis
  • Internationale Coaching-Themen
  • Präventives Coaching

1. Überprüfung auf klassische Inhalte

Das Beispiel der vietnamesischen Dame zeigt: die erste Aufgabe des Coachs ist festzustellen, welches Gewicht interkulturelle Themen am Coaching haben, etwa indem der Coach nachfragt, inwieweit ähnliche Situationen sich auch in anderen rein nationalen Kontexten in der Vergangenheit ergeben haben.

Eine weitere Möglichkeit dies abzuklären sind Rollenspiele bei denen der Coach die Rolle eines Mitarbeiters oder Vorgesetzten spielt. Auch kann ein Coach die Führungskraft eventuell in Aktion am Arbeitsplatz begleiten und sich einen direkten Eindruck verschaffen. Das Coaching kann oftmals bereits einen Mehrwert liefern, ohne auf internationale Aspekte Bezug zu nehmen.

2. Kulturelles Wissen

Die zweite Aufgabe des Coachs liegt darin, bei Bedarf ein Bewusstsein für fehlendes interkulturelles Wissen bei der Führungskraft zu wecken und sie dabei zu unterstützen, Wissenslücken zu schließen, etwa durch Literaturvorschläge, Feedback durch den Coach oder der Vermittlung bzw. Durchführung eines interkulturellen Trainings.

3. Kulturelles Verständnis

Da angesichts einer sich schnell verändernden Welt interkulturelles Wissen nie vollständig und nie aktuell sein kann, besteht die dritte Aufgabe des Coachs darin, das interkulturelle Verständnis der Führungskraft zu schärfen, um zu erwartende Abweichungen zu dem vermeintlichen „Wissen“ handhaben zu können. Zu diesem Zweck wird anhand verschiedener „Kulturdimensionen“ wie z.B. Machttoleranz, Beziehungsorientierung und Umgang mit Zeit, die Führungskraft darin unterstützt ihren eigenen Standpunkt zu reflektieren. Dies ist eine notwendige Voraussetzung für das Erkennen kultureller Unterschiede. Wer nicht weiß, wo er selbst steht, kann auch den Unterschied zu anderen nicht wahrnehmen.

4. Internationale Coaching-Themen

Neben der Selbstreflexion anhand der Kulturdimensionen bringen Führungskräfte ihre eigenen Anliegen aus den Themen Führung, Selbstmanagement und Kommunikation in das Coaching hinein. Hier besteht die vierte Aufgabe des Coachs darin, Lösungsmöglichkeiten mit der Führungskraft zu erarbeiten, zu neuen Einsichten und verbesserten Kompetenzen zu erlangen. Der Coach muss sich in die Rolle des internationalen Umfelds hineinversetzen können und sich fragen, wie die Führungskraft auf ihn in einem solchen Umfeld wirken würde, d.h. welche Kultur-Dimensionen bei diesem Manager relevant sind.

Bei dem Thema Führung spielen verschiedene kulturelle Aspekte eine Rolle, z.B. welche Erwartungen haben Mitarbeiter an Führungskräfte, mit welchen Führungsstil sind sie aufgrund ihrer Kultur vertraut oder auch die Frage, ob sich eine Führungskraft erst das Vertrauen verdienen muss oder sie es von vornherein aufgrund Alter, Position oder Herkunft besitzt. Hat eine Führungskraft ihre eigenen „führungs“-relevanten Kultur-Dimensionen ausreichend reflektiert, kann der Coach darauf aufbauend nun das Thema Führung entsprechend dem konkreten Anliegen weiter bearbeiten und die Führungskraft dabei unterstützen international notwendige Kernkompetenzen im Bereich Führung potential- und entwicklungsorientiert auszubauen.

Veränderungen bedingen oftmals temporäre Verunsicherung und stellen Selbstmanagement und Kommunikation unter Veränderungsdruck. So sind diese Themen vor dem Hintergrund der relevanten kulturellen Dimensionen wie z.B. „offener/reservierter Umgang mit Fremden bzw. Unbekannten“, „Direktheit vs. Implizieren in der Sprache“, „Gefühlsbetonung in der Kommunikation“ und andere in das Coaching einzubeziehen.

5. Präventives Coaching

Die fünfte Aufgabe eines internationalen Coachs liegt im präventiven Coaching. Eine Reihe international wichtiger Kernkompetenzen wie soziale Fähigkeiten, persönliche Autonomie und Stabilität, Empathie und Ausdrucksfähigkeit, Frustrationstoleranz, Flexibilität und Improvisationsgeschick sind Garanten einer erfolgreichen internationalen Führungskraft. Die Steigerung dieser Kompetenzen ist integraler Bestandteil des internationalen Coachings.

Das Coaching internationaler Führungskräfte wird immer wichtiger. Durch Bearbeitung dieser fünf Gebiete können Führungskräfte ihre internationale Kompetenz und Effizienz deutlich steigern.

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