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HR

Coaching-Kultur bei innogy/RWE

Internes Coaching

9 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 01 | 2017

RWE und innogy wollen ihre Coaching-Kultur weiterentwickeln und auf eine breitere Basis stellen. Deshalb wurde entschieden, bei RWE und der neugegründeten Tochtergesellschaft innogy ab 2017 das interne Coaching auszuweiten.

Coaching wird von vielen Klienten als das effizienteste Entwicklungsinstrument wahrgenommen. Im Konzern wird es seit rund 20 Jahren eingesetzt. Anfänglich war Coaching – wie so oft in großen Unternehmen – dem Top-Management vorbehalten und wurde ausschließlich von externen Coaches begleitet. Aktuell wird externes bereits durch internes Coaching ergänzt. Auch in Zukunft wird externes Coaching weiterhin Teil des Coaching-Angebotes im Konzern sein – der Klient entscheidet, was für ihn infrage kommt.

Die Wurzeln internen Coachings im Konzern

Eher inoffiziell begannen unternehmensinterne Coaches, Führungskräfte und Mitarbeiter zu coachen – vor etwa zehn Jahren, unterstützt von ganzheitlich denkenden Führungskräften, die hierin eine Entwicklungsmöglichkeit für Mitarbeiter und Organisation sahen. Im Rahmen des Veränderungsprogramms Delivery Breakthrough Performance (DBP) fand das interne Coaching seine organisationale Verankerung. Im DBP coachen seit nunmehr vier Jahren 80 interne Coaches die Teilnehmer des Veränderungsprogramms. Die Mitarbeiter, die im Rahmen des DBP als unternehmensinterne Coaches aktiv wurden, wurden zuvor in einem zweitägigen Zertifikats-Workshop mit intensiven Coaching-Übungen vertraut gemacht. Viele von ihnen haben zusätzlich eine umfangreiche externe Coaching-Ausbildung absolviert.

Warum internes Coaching?

Das interne Coaching bietet einige Vorteile: Einerseits schlummern in der Belegschaft reichlich Kompetenz und Potenzial, andererseits reduziert der Einsatz eigener Ressourcen die externen Kosten. Der interne Coach bringt neben Coaching-Know-how profunde Kenntnisse über das Unternehmen und die Energiebranche mit. Dies ermöglicht ihm, reale Beispiele abzurufen. Klienten erleben den Coach aufgrund seiner Erfahrungen im Berufsalltag als in hohem Maße authentisch.

Internes Coaching fügt sich in die bei innogy/RWE praktizierte Lernphilosophie ein: Zu 70 Prozent lernt der Mitarbeiter oder die Führungskraft durch „on the job“-Erfahrungen. 20 Prozent werden durch Coaching ergänzt und nur zehn Prozent durch die Teilnahme an Präsenztrainings.

Anspruch und Herausforderung: Coaching-Kulturentwicklung stärken

Künftig sollen Mitarbeiter und Führungskräfte noch intensiver als Coaches eingesetzt werden. Mit der Umsetzung dieses Ziels wurde ein eigens hierfür zusammengestelltes Projektteam (siehe Abschnitt „Struktur des Projekts“) beauftragt. Über all dem schwebt der eingangs erwähnte Anspruch, die Coaching-Kultur im Konzern weiterzuentwickeln.

Nach Recherchen des Projektteams verfügen innogy und RWE über rund 230 extern ausgebildete Coaches. Das Potenzial, das die Kollegen mit Coaching-Qualifikation darstellen, wird derzeit aber nur teilweise genutzt. Warum? Eine der Hauptursachen dürfte die Arbeitsbelastung sein, da die internen Coaches Coachings zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit durchführen.

Hinzu kommen innerbetriebliche Bedenken wie: „Eigene Mitarbeiter können doch nicht bei uns intern coachen! Das ist Externen vorbehalten!“ Diese Haltung ist nicht mehr zeitgemäß, denn angesichts neuer Aufgaben und Rollen wird der Coaching-Bedarf steigen – Ursache sind die immer schnelleren Veränderungen im Unternehmen und im Marktumfeld sowie neue Programme für Potenzialträger und Trainees, die – wie oben beschrieben – immer auch Coaching-Anteile enthalten werden. Deswegen müssen die Verantwortlichen den Bedenken entgegenwirken. Dabei sollte behutsam vorgegangen werden, um Schritt für Schritt die nötige Akzeptanz für internes Coaching zu schaffen.

Hierbei müssen auch die landesspezifischen Coaching-Kulturen an den internationalen Standorten des Konzerns berücksichtigt werden. Sowohl von den Coaching-Aktivitäten und Prozessen her als auch in Sachen Qualität sind an den Unternehmensstandorten höchst unterschiedliche Voraussetzungen vorzufinden. Bei der britischen Tochter npower wird internes Coaching seit gut acht Jahren angeboten. 52 interne Coachs begleiten Führungskräfte und Mitarbeiter zu allen Coaching-Themen und -Anlässen. Die niederländische Tochter Essent hingegen hat das Coaching schon vor Jahren ausgelagert. Dort übernimmt ein externer Anbieter alle anfallenden Aufgaben wie Administration, Matching von Coach und Klient,  das Coaching selbst sowie die Evaluation. In Tschechien, Ungarn, Polen, der Slowakei und in Deutschland wird externes sowie internes Coaching angeboten – letzteres auch im Rahmen von Veränderungsprogrammen.

Dazu hat jeder Unternehmensteil – national wie auch international – sein eigenes Verständnis von Coaching. Bei einigen existiert derzeit kein konzeptionell abgesteckter und etablierter Coaching-Prozess. Zum Teil erhalten externe Coaches einen Dauerauftrag. Dies entspricht in keiner Weise dem Grundsatz, Coaching stets mit einem klaren Ziel zu verbinden und zeitlich zu befristen. Hinsichtlich des verfolgten Coaching-Ansatzes und des Coaching-Verständnisses zeigt sich demnach  kein ein einheitliches Bild.

Im Rahmen des angestoßenen Projekts sollen vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen insbesondere zwei Ansätze verfolgt werden, um das übergeordnete Ziel einer zeitgemäßen und an professionellen Standards orientierten Coaching-Kulturentwicklung zu verwirklichen:

1. Das Potenzial interner Coaches stärker nutzen
2. Qualitätsverbesserung auf prozessualer Coaching-Ebene

Projektauftrag und Implementierung

Zunächst entstand das Projekt „Coaching“, indem nationale und internationale Coaching-Experten nach Verbesserungen gesucht haben. Diese wurden durch das Kern-Projektteam (siehe Abschnitt „Struktur des Projekts“) bearbeitet. Dieser erste Schritt ist abgeschlossen, derzeit wird eine konzernweite, internationale Coaching-Community aufgebaut. Das Projekt soll von Vorstands- bis Mitarbeiterebene implementiert werden und ist für folgende Themen gedacht:

- Standortbestimmung
- Führungsrolle/-aufgabe
- Neue(s) Aufgabe/Rolle/Team
- Veränderungsmanagement
- Work-Life-Balance
- Konfliktmanagement
- Agilität
- Kommunikation und Kooperation
- Karriere

In diesem Kontext soll es künftig drei Rollen für die internen Coaches geben. Diese Rollen orientieren sich am Know-how und an der Erfahrung der internen Coaches:

1. Der Coach hat am DBP-Coaching-Zertifikatsworkshop oder an einer kurzzeitigen externen Coaching-Qualifikation teilgenommen.
2. Der Senior Coach verfügt über eine ein- bis zweieinhalbjährige Coaching- oder systemische Berater-Ausbildung. Er kennt eine Vielzahl von Coaching-Tools, nimmt regelmäßig an Supervision und Weiterbildungen teil und übt sich in Selbstreflexion.
3. Der Lead Coach ergänzt das Profil des Senior Coaches durch einen „proved track record“, d.h., er hat bereits erfolgreiche Evaluationsergebnisse intern durchgeführter Coachings (auch auf hoher Führungsebene) nachgewiesen.

Ein Teilauftrag des Projekts besteht zudem darin, die Qualität von internen und externen Coachings hinsichtlich der Prozesse zu verbessern. Dazu wurde Folgendes erarbeitet:

- ein Best-practice-Coaching-Prozess
- eine Übersicht aller Coaching-Aktivitäten bei innogy/RWE
- eine strukturierte Vorgehensweise für die Bewerbung als interner Coach bzw. für die Auswahl interner Coaches
- eine Vorgehensweise zur Messung der Reife des internen Coaches pro Level (Coach, Senior Coach, Lead Coach)
- eine Definition von Rolle und Aufgaben der lokalen Coaching-Partner
- eine Struktur der angestrebten Coaching-Community

Struktur des Projekts

Neu ist die kontinuierliche Zusammenarbeit mit der eigens ins Leben gerufenen Task-Force Coaching. Dabei gab es keinen getakteten Projektplan, vielmehr ging es darum, sich auszutauschen, ein Netzwerk zu bilden, Meinungen einzuholen und eine Lösung gemeinsam zu tragen. Gefragt war und ist ein hohes Maß an spontanem Einbinden neuer Perspektiven. Dabei dient die Task-Force als Steuerungs- und Entscheidungsgremium. Sie besteht aus:

- dem Konzern-Leiter HR
- dem Konzern-Leiter Change Management
- dem Leiter Learning Solutions (Center of Expertise People Development)
- der Projektleiterin Coaching

Das international besetzte sechsköpfige Kern-Projektteam ist für die inhaltliche Bearbeitung des Projektauftrags verantwortlich. Es besteht aus fünf Coaching-Experten bzw. ausgebildeten Coaches sowie einer neutralen Kollegin, die keine Coaching-Vorkenntnisse hatte. Die Teilnahme der neutralen Kollegin erwies sich als sehr hilfreich – sie deckte die Perspektive der Klienten ab. Mit im Boot waren zudem 27 Coaching-Partner aus Ländern, in denen innogy und RWE tätig sind (Großbritannien, Niederlande, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen, Deutschland). Sie lieferten wertvolles Feedback zu den erarbeiteten Inhalten.

Aktueller Stand und Ausblick

Die inhaltliche Bearbeitung des Projektauftrags ist abgeschlossen, das Team geht nun in die Phase des Community-Buildings über. Geplant ist ein Strategieworkshop zum Aufbau einer flexiblen, internationalen, agilen und digitalen Coaching-Community. Die Projektergebnisse werden derzeit mit allen Stakeholdern abgestimmt, als da wären der Bildungsausschuss, der Gesamtbetriebsrat, der IT-Fachausschuss sowie der Datenschutz.

In Vorbereitung sind derzeit die Rahmenprozesse. Dazu zählt der Aufbau einer zielgruppenspezifischen Intranet-Seite im HR Portal. Die Coaching-Guidelines sind geschrieben. Im nächsten Schritt gilt es, potenzielle interne Coaches zu finden. Dazu wird eine Intranet-Kampagne ins Leben gerufen – mit deren Hilfe Mitarbeiter mit Coaching-Qualifizierung aufgefordert werden, sich als interner Coach zu bewerben. Dabei ist es ausdrücklich erwünscht, dass die internen Coaches ihre eigene Lernphilosophie einbringen. Aus technischer Sicht kommen Präsenz- und Video-Chat-Formate in den Coachings infrage, die je nach Bedarf kombiniert werden können.

Seit Anfang November wird das interne Coaching in der innogy-Unternehmenssparte „Netz & Infrastruktur“ im Rahmen eines Piloten getestet. So sollen die Projektergebnisse im Zusammenhang mit der Implementierung internen Coachings und der Qualitätsverbesserung auf prozessualer Coaching-Ebene getestet werden. Zunächst fanden die Beratungsgespräche mit den leitenden Führungskräften statt, die Coaching-Bedarf avisiert haben. Mitte März 2017 treffen sich alle Coaching-Partner zum ersten internationalen Coaching-Community-Tag (1st Coaching Partner day). Der innogy-HR-Leiter sowie der innogy-Leiter des Bereichs Change-Management werden diesen Tag als Sponsoren begleiten.

Pilot „Executive Coaching“ in der innogy Netz & Infrastruktur

Insgesamt 55 leitende Angestellte erhielten im Rahmen des Pilotprojekts das Angebot eines internen Coachings. Vorgesehen sind Coaching-Prozesse von bis zu sieben Terminen, die in einem Zeitraum von maximal sieben Monaten durchgeführt werden und in denen klassische Coaching-Themen behandelt werden. Dabei ist die Teilnahme selbstverständlich freiwillig. Innerhalb des Coachings wird eine große Anzahl unterschiedlicher Coaching-Tools angewandt: TGROW, zirkuläres Fragen, Systemvisualisierung, Transaktionsanalyse, Aufstellungsarbeit, RET etc.

Die acht zur Verfügung stehenden internen Senior- und Lead-Coaches (darunter auch vier leitende Führungskräfte mit externer Coaching-Ausbildung) wurden vorab informiert und mit allen Materialien ausgestattet, die sie für eine Durchführung der Coaching-Prozesse benötigen. Interne Coach-Profile liegen dem lokalen Coaching-Partner vor, der für das Matching von Coach und Klient zuständig ist. Den leitenden Führungskräften liegt ein Infopaket zum Piloten vor.

Inwieweit nehmen leitende Führungskräfte das interne Coaching an? Und nehmen sie die acht internen Coaches als echte Unterstützung wahr? Diese Fragen soll der Pilotversuch beantworten bzw. Erkenntnisse liefern. Darüber hinaus besteht im Rahmen dieses Piloten die Möglichkeiten, der innogy Netz & Infrastruktur die umsetzungsreifen „Produkte“ des Projektteams testhalber an die Hand zu geben. Ob Prozessunterlagen oder Erfahrungen auf prozessualer Ebene in der Durchführung internen Coachings: Das Feedback der Coaching-Partner und internen Coaches wird in die Projektergebnisse einfließen, bevor die konzernweite Implementierung startet.

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