Allein in Deutschland sind ab 2025 über 13.000 Unternehmen, von großen Konzernen bis hin zu kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) von der EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) betroffen (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2024). Ab 2026 wird die gesetzliche Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen in der gesamten Europäischen Union zu einer neuen Realität. Damit folgt die EU den von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 definierten 17 Nachhaltigkeitszielen, den UN Sustainability Goals 2030 (SDG), die um die fünf Säulen Menschen, Planet, Wohlstand, Frieden, Partnerschaft gestaltet sind (ebd.; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, 2024).
Um kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung zu entlasten (Europäische Kommission, 2025), hat die EU im Februar 2025 ein Paket zum Bürokratieabbau auf den Weg gebracht. Welche Unternehmen wie viel Berichterstattung leisten müssen, ist Stand Mitte 2025 noch nicht festgelegt.
Es ist deutlich, dass die Bedeutung des nachhaltigen Wirtschaftens für Unternehmen wie Kunden immer wichtiger wird. Unternehmen können somit Nachhaltigkeit als echten Wettbewerbsvorteil nutzen, statt Greenwashing zu betreiben.
Die Mindestanforderung im Rahmen der Berichtspflicht kann durch mechanisches Reporting, eine rein formale und prozessgesteuerte Herangehensweise an die Erstellung der geforderten Berichte, erfüllt werden. Dabei liegt der Fokus darauf, Daten zu sammeln, Vorgaben zu erfüllen und die gesetzlich oder regulatorisch vorgeschriebenen Informationen fristgerecht, ohne tiefere Reflexion oder strategische Einbindung der Inhalte in die Unternehmenskultur oder -prozesse, zu liefern.
Mit lediglich diesem Fokus verpassen Unternehmen jedoch Chancen: ein Überdenken des unternehmerischen Handelns und die zunehmende Ausrichtung auf nachhaltiges Wirtschaften als Teil der langfristigen Strategie. Eine mehrwertorientierte Haltung ändert den Umgang mit den Daten:
Aus der Ausbildung zum Nachhaltigkeitsmanager an einer IHK-Akademie wird bestätigt, dass derzeit der Umgang mit dem Reporting im Fokus liegt, nicht die Entwicklung der inneren Qualitäten oder der dem Reporting zugrunde liegenden Wertschöpfung.
Wie aber entwickeln sich Unternehmen von einer rein mechanischen Berichtspflicht hin zu einer gelebten, wertschöpfenden Nachhaltigkeitskultur?
Es ist verführerisch, gleich mit den Inhalten zu beginnen und eine der vielen angebotenen „besten 5 Schritte“ oder „10 Dinge, auf die Sie unbedingt achten sollten“ auszusuchen. Erfahrungsgemäß haben die Beteiligten auf allen Ebenen allerdings weniger Schwierigkeiten mit den neuen Inhalten, sondern vielmehr mit ihrer eigenen inneren Entwicklung, die die Grundlage für den Weg zu nachhaltigem Wirtschaften und einem neuen, bewussteren Umgang mit sozialen und ökologischen Herausforderungen ist.
Was kann Unternehmern, Führungskräften und Mitarbeitern helfen, Umweltkennzahlen, CO₂-Bilanzen oder soziale Indikatoren zu nutzen, um die Notwendigkeit eines tiefergehenden Wandels zu erkennen und Maßnahmen zur Veränderung einzuleiten? Coaching fokussiert auf der inneren Entwicklung der eigenen Haltung und des Verhaltens und ist damit grundsätzlich eine wirksame und durch die vielen gut ausgebildeten Coaches breit zugängliche Unterstützung für die Beteiligten.
Zudem bieten die Inner Development Goals, kurz IDG, einen klaren Rahmen, wie die Anforderungen praktisch umgesetzt werden können. Dementsprechend geben die IDG konkret an, welche Fähigkeiten und Haltungen notwendig sind für die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele. Wesentliche Elemente, um den Wandel von einer rein mechanischen Berichtspflicht hin zu einer gelebten Nachhaltigkeitskultur zu ermöglichen, sind dabei (Inner Development Goals, 2025a):
Der Anforderungsrahmen beinhaltet 23 Qualitäten, Haltungen und Kompetenzen, gegliedert in fünf Themenfelder, um Anliegen bzw. Themen nachhaltig umzusetzen (siehe Abbildung). Der Rahmen unterstützt grundsätzlich die nachhaltige Umsetzung aller für die Person oder das Team wichtigen Themen.
Zudem sind die IDG durch die Einbindung einer großen Zahl von Entwicklern, Impuls- und Feedback-Gebern aus aller Welt kultur- und sprachübergreifend einsetzbar. Das ist für multinationale Unternehmen interessant, da weniger Zeit in das Schaffen eines gemeinsamen Verständnisses und mehr Zeit in die innere Entwicklung und äußere Kooperation investiert werden kann.
Abb. 1: Übersicht der fünf Themenfelder mit den 23 IDG, Quelle: Inner Development Goals (2025b), Framework, https://innerdevelopmentgoals.org/framework/
Grundsätzlich sind die IDG ohne Expertenwissen einsetzbar. Coaching kann dabei den Prozess der Umsetzung signifikant beschleunigen – für den Einzelnen, für ein Team, für die ganze Organisation – und kann verhindern, dass Frustration in den ersten Schritten zum Abbruch und Rückfall in die reine Berichtspflicht führt.
Anhand einiger Praxiserfahrungen wird die breite Einsatzmöglichkeit der IDG als Landkarte für individuelle, Team- oder Organisations-Entwicklungsprozesse skizziert.
Der HR-Leiter einer Division trifft sich regelmäßig mit seinem Strategieteam, bestehend aus den zentralen HR-Business-Partnern und dem Leiter seiner zentralen Service-Abteilung, um die HR-Arbeit strategisch auszurichten. An jeden dieser Workshops schließt ein weiterer Workshop mit dem ganzen HR-Team an.
Im November 2023 holte sich der HR-Leiter Unterstützung beim Design und der Moderation des Strategieworkshops. Die Zielsetzung war, das bisher erreichte zu besprechen, für das nächste halbe Jahr den strategischen Fokus zu setzen und gemeinsam ein passendes Design für den direkt anschließenden Team Workshop zu entwickeln. Ohne auf die Details der IDG einzugehen und gleich alle 23 Kompetenzen zu erklären, moderierte die Coach den Workshop entlang der fünf Themenfelder Sein, Denken, Beziehung, Zusammenarbeit, Handeln. Jedes Thema startete mit einem Soziogramm – einer Aufstellung zwischen zwei Polen, z.B. „völlig abgelenkt <> vollständig präsent“ – und genügend Zeit, sich im Team auszutauschen (die folgenden Ausführungen stützen sich auf Inner Development Goals, 2025b):
Im ersten Schritt, das dem Themenfeld Sein entspricht, teilten die Teammitglieder mit, in welchem Ausmaß sie gerade präsent sind, was sie ablenkt von der Arbeit im Team und was sie generell beschäftigt. Sie nannten ihre Strategien, um präsenter zu sein, stellten dar, was ihnen hilft, sich innerlich gut zu fokussieren und sich auszurichten, und warum das für die Qualität der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Erfolgs wichtig ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war der Umgang mit Situationen, in denen sie aus gutem Grund nicht so präsent sein konnten:
Jeder für sich spürte die eigene Präsenz. So konnten alle im zweiten Schritt die eigenen strategischen Themen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Fragen dabei waren:
Hier wechselt nun die Perspektive von der einzelnen Person auf die Gruppe. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Beziehung innerhalb des Führungsteams, sowie zum eigenen Team, deren Einbindung in die Entwicklung und die Umsetzung der strategischen Themen. Die wesentlichen Aspekte hierbei waren:
Mit einer guten Beziehung als Grundlage setzte sich das Team in den nächsten Schritten mit Kommunikation und Zusammenarbeit auseinander. Daraus entstand eine Landkarte verschiedener strategischer „Buckets“ mit konkreten Aktivitäten. Die Fragen hierbei waren:
Als letzter Schritt fehlte noch der Startschuss, sprich der Übergang zum Handeln. Die Diskussion entwickelte sich wesentlich rund um Mechanismen:
Die so gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen nutzte die Teilnehmenden zum Design des Workshops mit dem erweiterten Team, das die gleichen fünf Themenfelder mit den Soziogrammen zum Einstieg in die jeweiligen Schritte anwandte. Sie klärten, wer welche Rolle und Verantwortung in jedem Schritt des Designs übernimmt und wo Gestaltungsräume für die Teilnehmer sind.
Die Coach entwickelte ihre Rolle vom Halten des wertschätzenden Raums bis der Dialog eine offene und tiefe Qualität angenommen hatte zu Beginn, bis zum Impulsgeber für das Design am Ende. Die grundlegende Haltung dahinter war, das Team zu befähigen, seinen Prozess zu gestalten und sein Design für den Teamworkshop selbst zu erarbeiten.
Dieser Fall zeigt eine wesentliche Qualität der IDG, die unabhängig vom Inhalt trägt: Es geht darum, ein Thema gemeinsam nachhaltig und wirksam umzusetzen. Ein Wert für die Nachhaltigkeit entsteht auch, wenn das Team und die Organisation an anderen, für sie relevanten Themen diese Form des Arbeitens übt. Kommt dann Nachhaltigkeit als Inhalt dazu, lässt sich auf das geübte Verhalten aufbauen.
Für den Coach bieten sich in allen Dimensionen Möglichkeiten der Unterstützung an. Beispiele reichen vom einzelnen Klienten, der seine Präsenz, Identität und Klarheit reflektieren und erhöhen möchte, über das Team, das seine Beziehung und Zusammenarbeit verbessern will, bis zur Führungskraft, die eine nachhaltige Umsetzung sicherstellen und dafür die eigene Rolle reflektieren und Dialogkompetenz erweitern möchte.
Weitere Fallbeispiele, bei denen der Inhalt „Nachhaltigkeit“ über die IDG bearbeitet wurde, zeigen, dass die IDG durch ihre klare Struktur und einfache Sprache in unterschiedlichen Kontexten erfolgreich eingesetzt werden können:
Eine Gemeinde mit einem Klimarat reflektiert ihre Nachhaltigkeitsinitiativen und entwickelt mit Bürgern neue Ideen für die weitere, wirkungsvolle Zusammenarbeit an Nachhaltigkeitsthemen. Als wesentlicher Motor dafür wurde die engere Beziehung zwischen allen Vereinen und ehrenamtlichen Gruppen, die über die letzten Jahrzehnte verloren ging, identifiziert. (Gemeinde Diespeck, 2024)
Workshop zu IDG und Heldenreise, um den Teilnehmenden der Sustainable-Konferenz zu helfen, ihr (nachhaltiges) Herzensthema wirksam umzusetzen. Es gilt, viele Hindernisse zu überwinden, innerlich zu wachsen, andere zu begeistern. Die IDG und die Schritte der Heldenreise lassen sich sehr gut kombinieren und bieten für Coaches eine Möglichkeit, neue, nachhaltige Qualitäten in die Arbeit mit der Heldenreise zu integrieren. (Sustainable Conference, 2024)
Coaching spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit in Unternehmen und Organisationen. Es bietet einen Rahmen, in dem Führungskräfte und Teams sich der Bedeutung von Nachhaltigkeit bewusst werden und Strategien entwickeln können, um nachhaltige Praktiken zu integrieren. Ein zentraler Aspekt des Coachings in diesem Bereich ist die Sensibilisierung für Umweltfragen und soziale Verantwortung. Es hilft Individuen und Gruppen, ihre Rolle in Bezug auf nachhaltiges Handeln zu verstehen und motiviert sie, proaktive Maßnahmen zu ergreifen.
Coaching kann Führungskräfte ermutigen, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Unternehmenskultur und -strategie zu betrachten. Dies umfasst die Entwicklung von umweltfreundlichen Geschäftspraktiken, die Förderung von Ressourceneffizienz und die Implementierung von Initiativen mit ökologischem und sozialem Nutzen. Coaching unterstützt ein tiefgreifendes Verständnis für die langfristigen Auswirkungen von Entscheidungen auf Umwelt und Gesellschaft.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Entwicklung von nachhaltigen Praktiken für die Umsetzung. Diese beinhalten kritisches Denken, kreative Problemlösung und die Förderung nachhaltiger Innovationen. Coaching hilft, Widerstände und Herausforderungen bei der Implementierung neuer, nachhaltiger Prozesse zu überwinden.
Zusammenfassend ist Coaching ein mächtiges Werkzeug, das Organisationen dabei unterstützt, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Es fördert das Bewusstsein und die Fähigkeiten für nachhaltiges Handeln und trägt dazu bei, eine Kultur der Nachhaltigkeit zu fördern, die tief in den Werten und Praktiken einer Organisation verankert ist.