Nach oben

Beruf Coach

Versicherungspflichten und -möglichkeiten für Coaches

Rentenversicherung, Krankenversicherung & Haftpflicht

8 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 07 | 2015

Sich schon wieder vertraglich binden, monatlich Geld ausgeben, jahrelang, aber wofür? Diese Verpflichtung sehen viele Menschen, vor allem Selbstständige, als Last und teilweise als Schikane an. Allerdings vergessen sie, warum und wozu eine derartige Absicherung wichtig ist. Die Sozialversicherung ist ein System, das den Einzelnen (und dessen Familie) – von allen Versicherten gemeinsam getragen – bei Krankheit, Mutterschaft, Pflegebedürftigkeit, Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit, Erwerbsminderung, Alter und Tod absichert. Daher ist die Sozialversicherung ein Garant für den sozialen Frieden.

Es besteht bei der gesetzlichen Sozialversicherung im Grundsatz eine Versicherungspflicht. Warum ist das so? Jeder Mensch soll die Chance haben, sich gegen bestimmte Risiken abzusichern und zwar unabhängig vom Einkommen oder Risikogefährdung. Unter welchen Bedingungen und bezüglich welcher Versicherungsarten die Versicherungspflicht für Coaches und Coach-Ausbilder besteht bzw. nicht besteht, klärt der vorliegende Artikel. Vorgestellt werden im Folgenden 1. die Rentenversicherung, 2. die Krankenversicherung und 3. die Haftpflichtversicherung.

Teil 1: Rentenversicherung

Seit 1889 existiert die deutsche gesetzliche Rentenversicherung. Diese Sozialversicherung, geregelt im Sozialgesetzbuch VI (SGB), beruht auf dem Solidarprinzip und dem Äquivalenzprinzip, und dient grundsätzlich der „Zukunftssicherung“.

Diese Zukunftssicherung bezieht sich auf die Lebensphase nach dem Beruf. Allerdings wird auch vor dem Eintritt ins Rentenalter eine Rente aufgrund von Erwerbsminderung oder im Falle des Todes in Form einer Hinterbliebenenrente ausgezahlt. Daneben existieren Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben usw. D.h., dieses System dient ebenfalls der Absicherung gesundheitlicher Risiken.

Nun gibt es innerhalb des Rentenversicherungssystems einen Unterschied zwischen Angestellten und Selbstständigen, denn grundsätzlich sind jeder „Beschäftigte“ sowie bestimmte risikogefährdete Personen und Branchen versicherungspflichtig. Dies wird in § 1 und § 2 SGB VI aufgelistet.

Dem Wortlaut nach, finden wir weder den Coach noch den Coach-Ausbilder. Dies liegt sicherlich auch daran, dass der Begriff „Coaching“ nicht gesetzlich geschützt ist und keiner einheitlichen Definition unterliegt. Es liegt daher nahe, Coaches als nicht versicherungspflichtig zu verstehen.

Der Coach als Lehrer?

Wer sich nicht mit Coaching auskennt, der wäre geneigt, den Coach mit einem selbstständigen Lehrer gleichzusetzen, da eine Entwicklung und Hilfe nur mittels Wissensvermittlung, Tipps und Vorbildfunktion erfolgen könne. Und genau in diesem Sinne definiert die Deutsche Rentenversicherung den Lehrer als jemanden, der in irgendeiner Form Wissen, Können oder Fertigkeiten an andere weitergibt, wobei es nicht auf eine pädagogische Ausbildung ankommt. So kann der Business-Coach beispielsweise mit einem Sport-Coach (im Sinne eines Sporttrainers und Wissen- bzw. Vermittlers von Fähigkeiten) in Verbindung gebracht werden – und wäre damit rentenversicherungspflichtig gem. § 2 Nr. 1 SGB VI.

In der Vergangenheit kam es zu Fällen, in denen Coaches von der Rentenversicherung nachträglich als selbständige Lehrer eingestuft und zu (teils sehr hohen) Nachzahlungen in die Rentenkasse verpflichtet wurden. Das Argument: Coaching ist Wissensvermittlung und damit eine Lehrtätigkeit. Demnach „vermitteln“ Coaches Wissen zur richtigen Unternehmensführung, zur Rollenklarheit usw.

Nun wird stets im Einzelfall entschieden, ob ein Coach als Lehrer anzusehen ist oder nicht. Denn viele Personen nennen sich Coach, arbeiten allerdings überwiegend mit ihrer Feldkompetenz, sprich eigenen Erfolgen und Erfahrungen, als Grundlage, um dem Klienten einen vorbildlich verstandenen Ratschlag zu erteilen. Im Endeffekt ist jede Beratung, die einen Ratschlag, eine Meinung, eine Wertung, ein Feedback, eine Wissensvermittlung oder eine Vorbildfunktion zum Gegenstand hat, gerade kein Coaching, sondern Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten – und somit eine Tätigkeit als Lehrer im Sinne der Rentenversicherungspflicht.

Hinsichtlich der Frage, ob eine Versicherungspflicht im Einzelfall besteht, ist damit der fachliche Diskussionsstand zu Art und Ausübung von Coaching von Bedeutung. Eine reine Bezeichnung der eigenen Arbeit oder Erklärung mit Worthülsen reicht nicht aus, vielmehr muss im Einzelfall genau beschrieben werden, warum der Coach kein „Lehrer“ ist: Mit Coaching ist keine Wissensvermittlung verbunden, sondern im grundlegendsten Sinne eine „Hilfe zur Selbsthilfe“. Der Coach gibt während des Erkenntnis- oder Entwicklungsprozesses des Klienten lediglich Anstöße, Anregungen bzw. Feedback und lenkt gegebenenfalls dessen Aufmerksamkeit auf Unbeachtetes.

Dagegen wird bei der Einstufungsfrage deutlich, dass der Coach-Ausbilder faktisch eine Lehrtätigkeit ausübt und somit gesetzlich zur Beitragszahlung in die Rentenkasse verpflichtet ist. Dann muss erklärt werden, warum der freiberuflich arbeitende Coach ohne Angestellte nicht unter § 2 Nr. 9a SGB VI fällt: Denn die meisten Coaches arbeiten alleine. Eine Gegenargumentation – wie bei der Steuerpflicht – wird aufgeführt, dass der Coach ein Gewerbe ausüben würde und demnach nicht selbstständig sei. Allerdings ist Coaching kein Gewerbe.

Des Weiteren ist die sog. Scheinselbstständigkeit zu berücksichtigen (§ 2 Nr. 9 SGB VI): Wer hauptsächlich Aufträge eines Kunden erhält, steht in einer Abhängigkeit und ist als arbeitnehmerähnliche Person zu sehen. Nur eine Anstellung von versicherungspflichtigen Personen, also nicht von Mini-Jobbern, kann die Versicherungspflicht des selbstständigen Coaches vermeiden.

Der von einem Coach praktizierte Coaching-Ansatz und dessen Darstellung  in der Öffentlichkeit sollten daher einer sorgfältigen Auswahl unterliegen.

Teil 2: Krankenversicherung

Seit 1883 existiert die deutsche gesetzliche Krankenversicherung. Diese Sozialversicherung, geregelt im Sozialgesetzbuch V, dient der Gesundheitssicherung und beruht ebenfalls auf dem Solidar- und dem Äquivalenzprinzip.

Diese Gesundheitssicherung bezieht sich auf jede Lebensphase, wobei jeder Mensch mitverantwortlich für den eigenen Gesundheitszustand ist: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.“ (§ 1 SGB V)

In diesem Rahmen werden Sach- und Dienstleistungen angeboten oder auch Krankengeld gezahlt. Was benötigt wird, wird stets im Einzelfall – hauptsächlich in der Zusammenarbeit mit dem Arzt – entschieden. Grundsätzlich werden die Kosten für Therapien bei Krankheit, Mutterschaft oder nach einem Unfall voll oder teilweise durch die Krankenkasse erstattet.

Hierbei gilt es, einen Unterschied zwischen Angestellten und Selbstständigen zu beachten, denn grundsätzlich ist jeder „Beschäftigte“ versicherungspflichtig sowie bestimmte risikogefährdete Personen und Branchen. Dies wird in § 5 SGB V und § 6 SGB VI aufgelistet.

Teil 3: Haftpflicht

Über die gesetzlichen Versicherungssysteme hinaus stellt die Haftpflichtversicherung insbesondere für Coaches ein relevantes Thema dar. Sie schützt vor möglichen, aus der Arbeit mit Klienten resultierenden Schadensersatzansprüchen.

Dieser Schadensersatz bezieht sich auf jeden durch ein Tun oder ein Unterlassen eingetretenen Schaden. Es gibt diverse Haftungstatbestände, die stets die Wiedergutmachung in Geld, wenn die Naturalrestitution nicht möglich ist, vorsieht. Dies kann je nach Fall sehr teuer werden, wenn kostbare „Güter“ wie Leib, Gesundheit, Ehre oder kostbare materielle Dinge beschädigt oder zerstört worden sind.

Gegen diese Haftpflicht kann man sich ab- und versichern. Dafür existiert die private Haftpflichtversicherung. Unterschieden werden private, berufliche, betriebliche und für bestimmte Lebensbereiche abgestimmte Haftpflichtversicherungen. Coaches und Coach-Ausbildern ist eine Haftpflichtversicherung gesetzlich nicht vorgeschrieben, wie dies beispielsweise für Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater vorgesehen ist. Insofern besteht hier kein Zwang, Geld in eine Solidargemeinschaft zu investieren – denn auch eine Haftpflichtversicherung funktioniert letzten Endes über dieses Prinzip.

Allerdings sollten auch Coaches und Coach-Ausbilder ihr eigenes Risiko prüfen, ob während und durch ihre Tätigkeit Menschen oder Dinge zu Schaden kommen könnten: Der Coach beschädigt aus Unachtsamkeit dessen Smartphone, Designertasche oder sonstige Wertgegenstände – oder er verschüttet ein (heißes) Getränk über den Klienten. Ferner gibt es Coachings mit Eventcharakter, weil man einer sportlichen Aktivität wie Klettern im Hochseilgarten, Wasserrafting, Yoga, Laufen usw. nachgeht oder Museen bzw. Cafés besucht.Ist dieses Risiko gegeben, so sollte der Abschluss einer speziellen Haftpflichtversicherung in Betracht gezogen werden. Jede einzelne Versicherungsgesellschaft bietet unterschiedliche Konditionen zu einem vertraglich abgesicherten Risiko.

Grundsätzlich ist aber fraglich, welches Risiko beim Coaching wahrscheinlich ist, wenn der Coach nur die Prozessverantwortung hat und der Klient die Lösungsfindungs- und Ergebnisverantwortung trägt. Wenn sich der Klient aufgrund der im Coaching gewonnenen Erkenntnisse von seiner Familie trennt, seinen sicheren und gut bezahlten Job kündigt oder derart egoistisch seinen weiteren Weg beschreitet, dass andere Menschen zu Schaden kommen – oder der Klient begibt sich in eine starke Abhängigkeit zum Coach, weil er Coaching als Therapieersatz nutzt wodurch er letztlich psychischen Schaden nimmt. Zwar trägt hier der nur die Prozessverantwortung innehabende Coach grundsätzlich keine Schuld. Jedoch handelt es sich hierbei um ein sehr komplexes Thema, das, betrachtet unter bestimmten Aspekten, gerichtlich unterschiedlich betrachtet werden und der Coach doch zur (Mit-)Verantwortung gezogen werden könnte (mehr hierzu: Coaching-Magazin 2/2014, 3/2014 und 2/2015).

Schluss

Wer coacht, muss nicht nur professionell gut arbeiten um Geld zu verdienen, sondern dieses Geld wieder investieren. Investitionen erfolgen nicht nur in die eigene Weiterbildung und Werbung, sondern sollten für die Zukunft getätigt werden: Stichwort Sozialversicherungen. Indiskutabel ist die Verneinung der Pflicht zur Kranken- und Rentenversicherungspflicht. Diskutabel ist die Entscheidung über eine freiwillige Haftpflichtversicherung.

Literatur

Dieser Artikel gefällt Ihnen?

Dann unterstützen Sie unsere redaktionelle Arbeit durch den Abschluss eines Abonnements und ermöglichen Sie es uns, auch in Zukunft fundiert über das Thema Coaching informieren zu können.