Kontrovers

Der Coach-Ausbilder als Vorbild?

Wann und warum ein Coach-Ausbilder zum schlechten Vorbild wird

Bekannterweise darf sich jeder „Coach“ nennen und als solcher seine Dienste anbieten. Schließlich ist der Beruf nicht geschützt, jedwede Ausbildung also gar nicht nötig. Entscheidet man sich aber für den professionellen Weg einer soliden Ausbildung, so kommen die ersten Fragen auf: Welcher Ansatz passt zu mir, komme ich mit dem Ausbilder klar? Leider gibt es gerade unter den Ausbildern gelegentlich schlechte Coaches, die damit zu schlechten Vorbildern werden und so schlechtes Coaching lehren und verbreiten. Wie kann man sie erkennen und was gilt es bei der Wahl des Ausbilders zu beachten?

9 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2017 am 06.09.2017

Wer sich entschließt, sich mit Coaching auseinanderzusetzen, hat vielfältige Aspekte zu berücksichtigen, um eine passende Entscheidung treffen zu können:

  • Will ich gecoacht werden oder coachen können?
  • Welchen Benefit hat eine Coaching-Ausbildung für mich? Ist der ROI realistisch?
  • Welcher Coaching-Ansatz ist für mich passend?
  • Wie wird Coaching in der Ausbildung erklärt und erlebbar gemacht?
  • Wie geht der Coach-Ausbilder mit kritischen Fragen um?
  • Kann er grundsätzlich Andersartigkeit akzeptieren?
  • Hat er eine feste Vorstellung vom Leben mit hoher Lebensqualität oder ist er flexibel und traut seinen Klienten zu, selbst beurteilen zu können, was für sie ein Leben mit hoher Lebensqualität ist?
  • Welcher Mensch ist mir als Coach-Ausbilder und Mentor sympathisch?
  • Passt das Image des Coaching-Instituts zu mir?
  • Passen die Werte der Coaching-Theorie bzw. des -Ansatzes zu meiner Art, mit Menschen umzugehen?

Neben diesen Klassikern sollte man sich mit dem Beruf oder der Berufung als Coach auseinandersetzen. Nicht nur für sich selbst, sondern auch die Position des Coach-Ausbilders sollte dazu einbezogen werden. Denn diese Entscheidungen haben Folgen, weil man mit dem Ausbilder öffentlich verbunden bleibt. Sicherlich gibt es einen Unterschied, ob man selbstständiger Coach wird oder intern coachen darf bzw. mithilfe der Coaching-Ausbildung seine (Führungs-)Aufgaben wertschöpfender ausüben kann. Aber was passiert, wenn der Coach-Ausbilder ein schlechtes Vorbild ist? 

Erwartungshaltung an Coach-Ausbilder und Coach

Sowohl Coaching als auch das Lehren von Coaching ist eine Tätigkeit zur Personalentwicklung, da es Hilfe zur Selbsthilfe darstellt. Mittlerweile ist beides akzeptiert und wird weder auf ein Podest gestellt noch als letzter Rettungsversuch zur Problembehebung angesehen. Dennoch wird Coaching als eine besondere Intervention der Personal- und Führungskräfteentwicklung genutzt. Insofern heißt es, dass Coaching Haltung und kein Handwerk ist. 

Grundsätzlich wird erwartet, dass man nicht manipuliert oder von anderen abhängig gemacht wird. Respektloses und autoritäres Verhalten wird abgelehnt. Die Hilflosigkeit des Menschen dürfe man nicht ausnutzen, weder emotional noch sonst wie. Man solle dazu berufen sein und es nicht als klassische Tätigkeit zum Geldverdienen ansehen. Mal mehr und mal minder sind Verbandszugehörigkeiten wichtig, mal mehr und mal weniger steht die Qualität und Werteorientierung im Fokus. Insofern differieren Erwartungen und Anforderungen immer mal wieder. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel: 

Man erwartet, dass der Mensch, der etwas lehrt, dies auch selber lebt. Ein klassisches Vorbild eben. Denn ein Vorbild ist ein richtungsweisendes, idealisiertes Muster, mit dem man sich identifizieren kann. Ein Vorbild ist also ein Abbild eines Ideals, eines starken standhaften Wertes. Der Identifikation folgt der Wunsch einer mehr oder weniger umfangreichen Nachahmung. So entsteht eine Abhängigkeit. Diese sollte positiv sein, um eigenes Denken und Entscheiden nicht zu behindern. In der Coaching-Welt erwartet man dies ebenfalls. Diese Erwartung bezieht sich auf das Verhalten, authentische Auftreten und die Integrität des Coachs bzw. Coach-Ausbilders. Konkrete Anforderungen sind:

  • Bodenständigkeit, authentisches Selbstbewusstsein, Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen
  • Selbstreflexion, Wertschätzung (wie Respekt, Dankbarkeit, Achtsamkeit, Freundlichkeit), Diskussionsfähigkeit, Kritikfähigkeit
  • Vielfältige Erfahrungen mit Menschen
  • Fähigkeit zur sozialen Interaktionen aus diversen Perspektiven
  • Wunsch zur steten Weiterbildung und -entwicklung

Die Messlatte für einen Coach scheint höher zu liegen als für einen Berater oder Trainer, weil Coaching auf das Auslösen von Motivation ausgerichtet ist, sodass der Klient seine eigenen Ressourcen bewerten und für sich einsetzen kann, wie er es für gut empfindet. Hinderliche Ressourcen werden soweit bearbeitet, dass sie Sinn und Nutzen stiften oder vermieden werden können. Falls dem Klienten Ressourcen fehlen, hat er die Chance, diese Lücke zu schließen.

Die Tätigkeit des Coach-Ausbilders zielt eher auf die Entwicklung von Talenten und Entfaltung von Potenzialen ab, die eng mit der Persönlichkeit des Menschen verbunden sind. Diese emotionale Verbindung muss nicht nur respektiert, sondern achtsam behandelt werden; Entwicklungen müssen bedacht gesteuert werden. Dafür muss der Ausbilder integer, selbstbewusst und sensitiv sein sowie die Fähigkeit haben, in dem Gegenüber das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen zu schaffen, um letztlich die Motivation zur Veränderung auslösen zu können. Geduld und Disziplin sind die Grundsteine, emotionale Ausbrüche sollten nicht passieren – aber Gefühlsregungen werden durchaus erwartet.

Schlechtes Vorbild

Der Beruf Coach ist staatlich nicht geschützt, sodass sich jeder ans Coachen machen kann – oder eben an die Ausbildung neuer Coaches. Entsprechend gibt es viele Coaching-Ausbildungen, die qualitativ von sehr gut bis grotesk einzustufen sind und die ebenso qualifizierte Coaches auf den Markt bringen. 

Negativbeispiele solcher Ausbilder können dann z.B. nicht erklären, was Coaching ist, geschweige denn die Abgrenzung zu Beratung, Training, Führung und Krankenbehandlung konkret erläutern. Hier herrschen Schlagwörter vor, die fast schon inhaltlich variabel eingesetzt werden können: Man gehe mal auf Personalmessen zu diversen Coaching-Ständen oder lasse sich die Dienstleistung Coaching und Coach-Ausbildung auf einigen Infoabenden erklären. Entertainment pur, weil das erzählt wird, was der potenzielle Kunde hören will, um zu buchen. Inhalte und Wissen machen Platz für eine besondere Art des Verkaufs und Vertriebs. 

Beispielsweise wird/werden

  • der systemische Ansatz mit dem Konstruktivismus oder als „Prozess“ erklärt,
  • „systemisch“ und „Systemtheorie“ synonym verwendet,
  • ein Coaching-Prozess nach Ursache-Wirkung in einer Linearität erklärt,
  • Coaching als erlernbares Handwerk dargestellt, das nichts mit einer Werthaltung zu tun hat,
  • abgestritten, dass „reines Coaching“ existiere, weil man immer noch Trainer, Berater oder/und Therapeut sein müsse,
  • Coaching als Feedbackgespräch verkauft, damit man dem Kunden seine Stärken und Schwächen konkret benennen und Tipps und Lösungen geben kann, wie man das zu ändern hätte,
  • Coaching als Beratung bezeichnet, damit der Coach seine Sicht der Dinge anderen aufzwingen kann,
  • die Beziehung zwischen Coach und Klient als irrelevant klassifiziert, weil Gefühlsduselei nicht erlaubt sei,
  • eine gute Coaching-Beziehung und damit der Wirkfaktor emotionale Unterstützung abgelehnt, obwohl sie signifikant auf die Zielfindung und Zielerreichung des Klienten Einfluss nimmt,
  • therapeutische Ansätze zur Arbeit mit gesunden Menschen gelehrt,
  • die Bearbeitung von psychischen Krankheiten im Coaching gelehrt, damit die künftigen Coaches u.a. Depressionen, suizidale Gedanken, Angstzustände, Süchte oder maladaptive Verhaltensweisen „coachen“ können,
  • Coaching als Gelddruckmaschine angepriesen,
  • die Verbindung der eigenen Persönlichkeit mit „Coaching“, um authentisch aufzutreten und zu coachen, vollkommen vermieden, sodass ein stupides Abspielen des Gelernten erfolgen muss,
  • der Coaching-Schüler als dumm dargestellt, sodass der Coach-Ausbilder immer wieder korrigieren und sich als perfektes Vorbild inszenieren kann,
  • die Kommunikation plötzlich schlechter oder bricht ab, weil der Coaching-Schüler (auch kritische) Fragen äußert.

Weiterhin kann man es als unprofessionell bezeichnen, wenn ein Coach-Ausbilder selbst nicht coacht, sprich das nicht anwenden kann, was er selbst lehrt.

Der Einfluss des Images

Über den Coaching-Ansatz, die Kompetenzen als Coach und die Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Themen baut man sich nicht nur ein kostbares Repertoire, sondern auch ein gewisses Image auf. Ein Coach-Ausbilder hat ein gewichtigeres Image als ein Coach, weil seine Taten Auswirkungen auf seine ausgebildeten Coaches haben. Wer also coacht, der steht auch – bewusst oder unbewusst – in einer gewissen Verbindung zu seiner „Coaching-Schule“. Denn wer coacht, versucht zunächst das anzuwenden, was er in der Ausbildung gelernt hat. Wirkt dies nicht oder reicht es nicht, bildet er sich autodidaktisch weiter. 

Problematisch wird es, wenn der ausgebildete Coach weiterhin mit seinem Zertifikat oder Abschluss bei einer bestimmten Schule wirbt, obwohl der Coach-Ausbilder fragwürdige Methoden vertritt und lehrt – die man anfangs vielleicht nicht als solche erkannt hat. Gleiches gilt, wenn der Ausbilder im Laufe der Zeit seine Lehren ins Negative gewandelt oder Fragwürdiges zum Coaching publiziert hat. Das alles löst diverse Assoziationen aus, die letztlich das Image des ausgebildeten Coachs treffen. Zumal ein Image selten von Fakten, sondern eher von subjektiven Eindrücken, Assoziationen und der Zugehörigkeit lebt: Dann ist es manchmal irrelevant, ob man die Meinung des dubiosen Coach-Ausbilders nicht teilt, egal, ob man von seinen Taten Kenntnis hatte. Jeder Mensch konstruiert sich seine eigene Sicht der Dinge, hinterfragt dies bis zu einem bestimmten Punkt und bildet sich eine darauf basierende eigene Meinung. 

Entsprechend sollte man sich unbedingt fragen: Möchte ich zu einer Coaching-Schule gehören, dessen Coach-Ausbilder ein schlechtes Image hat? Möchte ich, dass meine Arbeit abgewertet wird, weil mein Ausbilder essenzielle Werte missachtet, fragwürdige Lehren vertritt oder sogar andere, z.B. Konkurrenten, öffentlich herabwürdigt?

Fazit

Wertschätzung, Freundlichkeit, Achtsamkeit, Diskussionsbereitschaft und Freude an der Arbeit mit anderen Menschen sind zentrale Voraussetzungen für einen Coach und v.a. Coach-Ausbilder. Natürlich gibt es auch hier Sympathien und Antipathien bezüglich der Personen aber auch der Methoden. Intoleranz und Ignoranz sollten keinen Platz in der Arbeit mit Menschen haben. 

Schauen Sie sich mindestens drei unterschiedliche Coaches bzw. Coaching-Ausbildungsinstitute an, lassen Sie die Eindrücke auf sich wirken, schlafen Sie ein paar Nächte drüber und ggf. sprechen Sie über das Thema mit Ihrem Partner oder Freunden. Wichtig ist jedoch, dass Sie die Entscheidung letztlich selbst treffen und sich nirgendwo hineinreden lassen.

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