Portrait

Die Stimme als professionelles Werkzeug in Coaching und Führung

Interview mit Johannes Wördemann

Coaches stellen Fragen, arbeiten mit Paraphrasierungen, spiegeln den Klientinnen und Klienten ihre Eindrücke. All das heißt: Coaches sprechen. Dasselbe trifft auf Führungskräfte zu. Auch sie nutzen ihre Stimmen, um die Mitarbeitenden zu erreichen. Dennoch wird die Bedeutung der Stimme als Werkzeug einer professionellen Präsenz nicht selten unterschätzt, wie Johannes Wördemann weiß. Der Sprecher, Coach und Stimmtrainer unterstützt sowohl Coaches als auch Führungskräfte darin, einen wirkungsvollen und authentischen Stimmeinsatz zu entwickeln.

15 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2025 am 09.09.2025

Ein Gespräch mit David Ebermann

Man sieht ein Profilbild von Johannes Wördemann.

An der Musikhochschule Stuttgart haben Sie Sprechkunst und Kommunikationspädagogik studiert und waren bis vor Kurzem stellvertretender Chefsprecher des SWR-Sprecherteams. Wie kam es dazu, dass Sie diesen Weg eingeschlagen haben?

In Berlin, wo ich geboren und aufgewachsen bin, studierte ich zunächst Geschichte und Romanistik auf Magister. Das Studium machte mir Spaß, ich wusste allerdings nicht so recht, was ich am Ende damit anfangen sollte. Außer der romantischen Entgleisung, Feuilletonist in Paris zu werden, viel mir nicht besonders viel ein. (lacht) Eines Tages verfolgte ich ein Interview mit der Schauspielerin Martina Gedeck, die – was ich nicht wusste – eigentlich Germanistin ist und bereits an ihrer Promotion arbeitete, als sie entschied, Schauspiel zu studieren. Im Interview wurde sie gefragt, weshalb sie die Germanistik an den Nagel gehängt habe. Sie antwortete, dass ihr die Geisteswissenschaften zu unkörperlich seien. Das löste etwas in mir aus. Ich dachte lange über diese Aussage nach und habe dann mein Studium abgebrochen, obwohl ich bereits fast scheinfrei war. 

Ich begann das Studium der Sprecherziehung in Stuttgart und schloss nach vier Jahren als Diplom-Sprecherzieher ab. Die Entscheidung habe ich nie bereut – auch weil es ein sehr künstlerischer Studiengang ist, der beispielsweise viel Bühnentraining beinhaltet. Das lag mir und kommt heute nicht nur meiner Arbeit am Mikrofon zugute, sondern auch dem Coaching. Zum SWR kam ich über ein Praktikum. So wurde ich Teil des Sprecherteams – zunächst in Stuttgart, dann in Baden-Baden. Nach acht Jahren ziehe ich mich nun vom Posten des stellvertretenden Chefsprechers zurück, weil es immer mehr wird mit den Coachings und Trainings.  

Was begeistert Sie an der Arbeit mit der Stimme?

Die Stimme wurde 2025 nicht umsonst als Instrument des Jahres ausgezeichnet. Sie ist ein Tool, mit dem sich nicht nur im Radio oder in der Musik vieles anfangen lässt. Man kann mit ihr in den Köpfen anderer Gedanken, Stimmungen und Bilder erzeugen. Sie ist zugleich ein Tool, an dem man arbeiten kann – mit dem Ziel, sich wohler zu fühlen und die eigene Wirkung zu verbessern. Das ist zunächst etwas Physiognomisches, denn am Stimmklang sind über 100 Muskeln beteiligt. 

Wenn wir über die Stimme sprechen, dürfen wir den Körper nicht vergessen, denn beides gehört zusammen. In meinen Trainings spreche ich daher vom Embodiment der Stimme – also der Fähigkeit, Stimme und Körper so in Einklang zu bringen, dass Präsenz spürbar und hörbar wird. 

Meine Trainings und Coachings sind daher sehr körperorientiert: Wie stehe ich da? Kann ich einen Raum einnehmen? Darüber hinaus begeistert mich an der Stimme, dass in ihr so viel Emotion mitschwingt, weshalb sie auch etwas sehr Intimes hat. Ich sage immer: Die Stimme kann eine Visitenkarte sein, aber auch eine Verräterin. Sie ist ein entscheidender Kanal emotionaler Kommunikation. In meinen Trainings und Coachings möchte ich hierfür ein Bewusstsein schaffen. Verknüpft mit den Fragen: Wann nutze ich meine Stimme gezielt als Visitenkarte und wann kann ich eher lockerlassen? Schließlich ist es auch ein Privileg, privat sein zu können. Wie schaffe ich es, im Business-Kontext eine professionelle Authentizität herzustellen, die sich für mich weder falsch und unecht noch zu privat anfühlt?

Als stellvertretender Chefsprecher trugen Sie Führungsverantwortung. Wurde das Thema Coaching dadurch für Sie interessant?

Definitiv. Führungskräfte im Hörfunk führen viele Feedbackgespräche mit den Mitarbeitenden, z.B. über die Performance am Mikrofon. Man hat es in diesem Berufszweig häufig mit dem „Künstlertyp“ zu tun, der eher emotional gestrickt ist, weniger rational. Führungskräfte sollten in solchen Gesprächen selbst emotional – und natürlich auch stimmlich – zentriert bleiben, die Dinge nicht persönlich nehmen und sich fragen: Wie kann ich mein Gegenüber stärken und unterstützen? Am Mikrofon herrscht enormer Performancedruck, was vor allem für Newcomer oftmals schwierig ist. Es bietet sich dann an, zu reflektieren, wie sich von außen – z.B. von den Redaktionen – herangetragener Stress etwas abpuffern lässt. Was kann die Person in Drucksituationen stabilisieren, wenn sie etwa live über fünf Minuten am Stück abliefern soll? 

Meine Coaching-Ausbildung hat mir hier sehr geholfen – methodisch und hinsichtlich meiner Rollenklarheit. Ein weiterer Aspekt bestand darin, dass ich angehende Lehrkräfte an einer Pädagogischen Hochschule darin unterrichtete, die eigene Stimme und Präsenz im Unterricht einzusetzen. Dann kam ich zum Training und entwickelte mich hier weiter. Meine Coaching-Ausbildung ging ich letztlich auch an, da ich in diesem Zuge gemerkt habe: Wenn man an der Stimme eines Menschen arbeitet, arbeitet man immer auch an seiner Persönlichkeit. Ich war noch jung – 29 Jahre – als ich anfing, mit Einzelpersonen zu arbeiten. Dabei stieß ich immer wieder an Punkte, die für die Klientinnen und Klienten emotional schwierig waren oder es potenziell hätten sein können. Ich kam aus diesen Situationen zwar gut raus, spürte aber die damit einhergehende Verantwortung und wollte mich methodisch breiter aufstellen.

Wie hängen Stimme, Präsenz und Führungskommunikation zusammen?

Es geht um Rollenfestigkeit und um das, was ich mit dem Begriff der professionellen Authentizität meine. Eine Führungskraft, die neu in ihrer Funktion ist und sich vor ihrem Team oder größeren Gruppen präsentieren muss, hat schlagartig eine ganz andere Sichtbarkeit. Ich betrachte hier sowohl die Mindset- als auch die Bodyset-Ebene, da sie zusammenarbeiten und -wirken. Auf der Mindset-Ebene sind Führungskräfte häufig schon gut aufgestellt. Auf der Bodyset-Ebene benötigen sie aber oft noch Stabilisierung, um schwierigen Situationen – z.B. auf Bühnen – standzuhalten, intellektuell und kognitiv präsent, aber auch körperlich und emotional zentriert zu bleiben. Wie kann ich meine Präsenz auch physisch sowie stimmlich halten und den Raum einnehmen? Dabei spielt unter anderem die Atmung eine wichtige Rolle. Geht sie hoch, weil ich Stress verspüre, oder schaffe ich es, in der Bauch- bzw. Zwerchfellatmung zu bleiben? Dies hat einen direkten Impact auf den Stimmklang. Ist er brüchig, zu hoch oder das Sprechtempo zu schnell, werde ich nicht so gut ankommen, wie ich es könnte.

Auch die Prosodie, sprich die lautlichen Eigenschaften der Stimme, beeinflusst die Wirkung in starkem Maße. So macht z.B. ein entspannter Stimmklang im positiven Sinne sehr viel aus und daran kann man arbeiten. In meinen Coachings sage ich immer: „Werden Sie Experte bzw. Expertin für innere Spannungszustände und schauen Sie, wie Sie sich in entsprechenden Situationen regulieren können!“ Insgesamt geht es also um die Verbesserung von Selbstwahrnehmung, -management und -führung, die ich als ein maßgebliches Ziel von Coaching betrachte. Dazu gehört es natürlich auch, die inneren Persönlichkeitsanteile – etwa mittels des inneren Teams – anzusehen und hier gut organisiert zu sein, die Hebel in der Hand zu halten. Ich stelle mir das gerne wie ein inneres Mischpult vor, über das ich mich regulieren kann.

Auf dem Foto blickt ein junger Johannes Wördemann in die Kamera. Er trägt eine schwarze Lederjacke und hat die Arme verschränkt. Links neben ihm ist ein Mikrofon.

Woran merken Personen, dass sie hinsichtlich ihrer Stimme und Präsenz ein Problem haben? Welche Erlebnisse führen sie ins Coaching?

Nicht wenige kommen aufgrund von negativen Erfahrungen. Man könnte auch von „mini-traumatischen“ Erlebnissen sprechen, ohne damit einen klinischen Kontext zu meinen. Wenn man vor Publikum mit rotem Kopf und piepsiger Stimmt spricht, bedeutet das unmittelbar einen hör- und sichtbaren Kompetenzverlust. Den Leuten danach wieder Lust zu machen, rauszugehen und mit Selbstvertrauen zu ihren Adressaten zu sprechen, ist ein wichtiger Teil meiner Coachings. Oft führt auch ein negatives Feedback seitens des Unternehmens dazu, dass jemand in mein Coaching kommt. Es heißt in diesen Fällen beispielsweise, die Führungskraft könne sich nicht durchsetzen oder entfalte keine Wirkung. Die Personen haben häufig bereits ein Gefühl dafür, dass es ihnen an Präsenz mangelt. Die ganzheitliche Wahrnehmung fehlt aber: Bin ich geerdet? Wo ist mein Atem? Was passiert in mir, während ich gestresst bin und wie genau wirkt das auf andere? Dahingehend möchte ich Bewusstsein schaffen und die Menschen empowern.

Innere Konflikte können hier hineinspielen. Wie wirken sie sich auf Stimmeinsatz und Präsenz aus?

Vielen ist nicht klar, wie sich intrapersonale Konflikte auswirken und wie schnell sich folgende Kette abspielt: Reiz – Körper – Gefühl – Gedanke. Im Gedanken werden die Menschen wach und fragen sich beispielsweise: Was mache ich hier eigentlich? Was will ich als 35-jährige Führungskraft einem 60-jährigen Mitarbeiter überhaupt erzählen? Das Gefühl zuvor kann z.B. ein Kloß im Hals gewesen sein. Die körperliche Reaktion findet wahnsinnig schnell statt. Es kann ein kleines Zucken oder die nach oben rutschende Atmung sein. Der Trick besteht darin, eine Sensorik hierfür zu entwickeln und das Innehalten zu trainieren, um die Kette zu unterbrechen. 

Es gibt den Begriff der „lockeren Bereitschaftshaltung“. Er kennzeichnet die Fähigkeit, beim Sprechen auf alles reagieren zu können. Diese Bereitschaftshaltung sollten auch Führungskräfte etablieren, um flexibel reagieren und sich in schwierigen Momenten regulieren zu können. Die Regulation läuft häufig über die Atmung. In stressigen Situationen haben wir die Tendenz, immer weiter einzuatmen, wodurch die Stimme letztlich gepresst wirkt. Und dann entsteht der hörbare Kompetenzverlust. Hier lässt sich gut ansetzen, indem das Innehalten und Setzen von Pausen geübt wird. Den Leuten Mut zu machen, in die Selbstwirksamkeit zu gehen, gehört natürlich ebenfalls dazu. Übrigens: Als Coaches sollten wir im Gespräch mit unseren Klientinnen und Klienten natürlich ebenfalls eine lockere Bereitschaftshaltung einnehmen, um uns auf unser Gegenüber einlassen zu können.

Arbeiten Sie im Coaching auch daran, innere Konflikte aufzulösen?

Ja. Ich externalisiere gerne und arbeite mit Bodenankern, sodass wiederum der Körper eine Rolle spielt. Auf diesem Wege kommen auch sehr verkopfte Menschen meiner Erfahrung nach schnell ins Spüren. Ist ein Persönlichkeitsanteil identifiziert, der dafür sorgt, dass die Person in schwierigen Situationen „hochschießt“, schauen wir, wie dieser Anteil „auf die Ersatzbank“ gesetzt werden kann, um zu einer nachhaltigen Lösung zu kommen. In diesem Zuge arbeite ich mit den Klientinnen und Klienten auch daran, neue Beliefs zu etablieren – positiv wirkende Glaubenssätze. Coaching- und Trainingsmethoden gehen in meiner Begleitung Hand in Hand.

Sie unterstützen auch Coaches im richtigen Umgang mit ihrer Stimme und sagen, dass ihre Bedeutung als professionelles Werkzeug im Coaching oftmals unterschätzt werde. Wie ist das zu verstehen?

Menschen hören gerne entspannte Stimmen. Ein Coach, der mit einer Prosodie spricht, die als unangenehm empfunden wird, kann zwar dennoch erfolgreich sein. Es ist aber auch sehr gut möglich, dass dies eine Limitierung darstellt – hinsichtlich der Bereitschaft des Gegenübers, sich dem Coach zu öffnen. Spricht der Coach hingegen mit einer angenehmen Stimme, die Resonanz erzeugt und Empathie vermittelt, und in einem Tempo, das nicht zu hoch ausfällt, kann sich der Klient bzw. die Klientin eher entspannen und locker werden. Das ist wichtig, denn häufig kommen die Menschen ja mit einem Konflikt oder einem als unangenehm empfundenen Problem, sodass sie anfangs eher „steif“ sind und sich nicht automatisch öffnen. Es geht hier um Beziehungsaufbau. Ein angenehmer Stimmeinsatz, der das Gefühl vermittelt, gut aufgehoben zu sein, ist einer von mehreren Faktoren, die sich vertrauensfördernd auswirken können. Klingt der Coach nicht empathisch, sondern eher technisch-kühl, kann dies eine Distanz herstellen und Möglichkeiten im Coaching verbauen. 

Die Stimme ist daher ein mächtiges Instrument, um zügig ins Arbeiten und in die Wirkung zu kommen. Das wird nicht selten unterschätzt. Es lohnt sich vor diesem Hintergrund, die eigene Stimme, die Atmung, den Körper samt Sitzhaltung usw. bewusst wahrzunehmen und eine Sensibilität hierfür zu entwickeln. Der Körper ist die Basis. Auf ihm baut die Atmung auf, welche unmittelbar die Stimme beeinflusst. Darüber hinaus ist es hilfreich, bestimmte Sprechtechniken zu erlernen, z.B. schwebende Betonungen. Ein Coach kann seine Stimme heben und senken. Oder er hält sie in der Schwebe, um sein Gegenüber zur Wahrnehmung der eigenen Innenwelt anzuregen.

Welche Rolle spielen nonverbale Signale und Rhetorik hinsichtlich einer professionellen Gesamtwirkung?

Es spricht der ganze Mensch. Insofern sind auch diese Aspekte wichtig. Gestik und Mimik unterstützen die gegebenen Impulse. Rhetorik spielt ebenfalls ins Gesamtbild hinein. Bei den Klientinnen und Klienten kann diesbezüglich deutlich mehr ankommen, als dem Coach bewusst ist. Sprachliche Macken wie das permanente Einstreuen irgendeines Füllwortes können z.B. als wenig professionell wahrgenommen werden. Wirkt das Auftreten eines Coachs dadurch insgesamt nicht kongruent, kann es sein, dass sich sein Gegenüber nur bedingt öffnet, da es kein ausreichendes Vertrauen entwickelt. Ein weiterer Aspekt, an dem es sich als Coach zu arbeiten lohnt, ist das Innehalten und Zulassen von Pausen, denn hier geschieht das Interessanteste im Coaching. In den Pausen wird den angestoßenen Gedanken und Prozessen nachgespürt. Einem inneren Performance-Druck oder dem Methodenkarussell im Kopf zu erliegen, ist daher für das Coaching hinderlich.

Sie weisen darauf hin, dass die Stimme immer wirkt – auch dann, wenn sie nicht bewusst eingesetzt wird. Wie vermeiden Coaches es, aufgesetzt rüberzukommen, wenn sie gedanklich permanent bei ihrer Stimme sind?

Üben, üben, üben – und zwar außerhalb des Coaching-Rahmens! Das Ziel muss darin bestehen, Vertrauen in die eigene Wirkung zu entwickeln, sodass man eben nicht gedanklich um sie kreist und dadurch den Fokus auf das eigentliche Coaching verliert. Wer sich auf die eigene Wirkung und den souveränen Umgang mit der Stimme als Instrument verlassen kann, kommt natürlicher rüber. Dazu gehört wiederum eine gute Selbstwahrnehmung: Wie klingt meine Stimme, wenn sie entspannt ist und die Atmung stimmt? Wann habe ich ein gutes Sprechtempo? 

Wenn ich mit Coaches und Führungskräften daran arbeite, ein Gefühl für und Vertrauen in ihre authentische Wirkung zu entwickeln, lasse ich sie gerne Lyrik sprechen. Wer Kinder hat, sollte ihnen vorlesen. Auch das schult enorm. Zudem bietet es sich an, vor einem Klientengespräch ganz klassische Aufwärmübungen zu nutzen. Coaches können sich erst einmal körperlich abklopfen, um wach zu sein. Sie können Atemübungen einsetzen – sich z.B. auf einen Tennisball stellen und die Atmung gefühlt in den Ball abgeben, um sich körperlich zu zentrieren. Die Stimme sollte mit kleinen Sprechübungen aufgewärmt werden. 

Ein junger Johannes Wördemann steht an einem Pult des Literaturhaus Stuttgart und hält einen Vortrag,

Worin bestehen – zusammenfassend – die wichtigsten „Regeln“, die Coaches hinsichtlich der Arbeit mit dem Instrument Stimme beherzigen sollten?

Coaches sollten vor allem mit sich selbst gut in Kontakt sein, um sich und ihre Stimme wirkungsvoll regulieren zu können. Dabei ist es entscheidend, auf die „Durchlässigkeit“ von Körper, Atmung und Stimme zu achten. Sie sollten bereit sein, Emotionen in der Stimme zuzulassen und über sie zu transportieren. Wenn es um die Arbeit an der Stimme geht, gilt zudem, was auch im Coaching selbst der Fall ist: Es gibt keine quick fixes! Es braucht etwas Zeit – und manchmal auch den Mut, die risikofreie „Vollkaskozone“, in der man sehr zurückgenommen agiert, zu verlassen. Sich also z.B. zu trauen, auch die eigene Person durchscheinen zu lassen, wenn es angebracht ist.

Worauf ist im Online-Coaching zu achten, um trotz der Kommunikationskanalreduktion Präsenz auszustrahlen?

Es gibt spannende Forschung dazu, dass Voice-only-Kommunikation besonders effektiv sein kann. Daher gilt für mich hinsichtlich der Technik: Der Ton ist wichtiger als das Bild, wenngleich der in der Übertragung sichtbare Bereich natürlich auch eine bedeutende Rolle spielt. Klanglich gut abgenommen zu werden, um dem Gegenüber einen guten Output zu ermöglichen, sollte unbedingt berücksichtigt werden. Langsam zu sprechen und immer wieder Pausen zu lassen, ist ebenfalls empfehlenswert. Auch eine noch bildlichere Sprache kann hilfreich sein. Versteht man jemanden schlecht oder kann man ihm schwer folgen, sodass man sich stark auf das Gesprochene konzentrieren muss, wird die Atmung oftmals flacher. Das ist sowohl für die Stimme, die dünner wird, als auch für die Sauerstoffversorgung, die wiederum die kognitiven Fähigkeiten beeinflusst, nicht optimal. Und: Gestik zu nutzen, ist selbst dann sinnvoll, wenn sie nicht im Bild sichtbar ist, weil sie zum natürlichen Ausdruck gehört, die Stimme begleitet und unterstützt. Sich beim Sprechen auf die Mimik zu reduzieren, weil nur der Kopf zu sehen ist, wirkt komisch. Den Körperanschluss gänzlich zu verlieren und kaum Emotionen zu transportieren, lässt die Stimme zur rein sachlichen Information werden. Und dies kann das Gegenüber nerven, ohne dass man es überhaupt merkt. 

Ein weiterer Gesichtspunkt: In Video-Übertragungen haben wir die Tendenz, uns selbst anzuschauen. Das mag eine Art Selbstkontrolle sein. Direkt in die Kamera zu schauen, hat aber eine enorme Wirkung auf den Gesprächspartner bzw. die -partnerin. Es lohnt sich daher, sich den Blick auf das eigene Bild abzugewöhnen. Ich selbst habe mir hierfür eine Zeit lang ein Post-it mit dem Spruch „I love you“ hinter die Webcam geklebt. All diese kleinen technischen, sprachtechnischen und körperlichen Aspekte, mittels derer Coaches sich auf ihre Klientinnen und Klienten einstellen, sind Bausteine dessen, was ich als digitale Empathie bezeichne.

Dieser Artikel gefällt Ihnen?

Dann unterstützen Sie unsere redaktionelle Arbeit durch den Abschluss eines Abonnements und ermöglichen Sie es uns, auch in Zukunft fundiert über das Thema Coaching informieren zu können.

Das könnte Sie auch interessieren:

Coaching-Newsletter erhalten

Der Coaching-Newsletter ist kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden. Bitte tragen Sie Ihre E-Mail-Adresse ein. Sie erhalten dann eine Aktivierungs-E-Mail. Erst nach dem Anklicken des Links erhalten Sie den Newsletter. Sollte die E-Mail nicht eingehen, überprüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner.

Nach oben