Ethik

Die Macht des Lebensskripts

Ethische Herausforderungen und die Rolle des Coachs

Unser Handeln ist von Botschaften geprägt, die früh im Leben verinnerlicht und zum Bestandteil unseres Lebensskripts wurden. Sie wirken unbewusst und können uns im Ausleben unserer persönlichen Freiheit einschränken – bis hin zur Selbstsabotage, wenn die Botschaft beispielsweise lautet: „Sei nicht glücklich!“ Im Coaching können diese Botschaften hinterfragt und eine Neuausrichtung angestrebt werden. Eine Aufgabe, die Coaches in einer tiefgehenden und verantwortungsvollen Weise herausfordert.  

15 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2025 am 20.05.2025

Ein Mann hält ein aufgeschlagenes Buch in seinen Händen. Das Buch leuchtet.

Das Lebensskript: Definition

Das Konzept des Lebensskripts, wie von Claude Steiner (1982) formuliert, beschreibt die unbewussten „Drehbücher“, die Menschen auf Basis früher Kindheitserfahrungen entwickeln und die ihr Denken, Fühlen und Handeln steuern. Ein Lebensskript ist kein bewusster Plan, sondern vielmehr eine tief verankerte Orientierung, die uns schützt und gleichzeitig begrenzt. Es sagt uns, was wir tun sollen und was wir nicht tun dürfen. Verbote wie „Denke nicht!“, „Sei nicht glücklich!“ oder „Sei nicht wichtig!“ sind Beispiele derartiger Botschaften.

Auf einen Blick

Symbol einer Lupe
  • Lebensskripte stellen „Drehbücher“ dar, denen Menschen in ihrem Leben unbewusst folgen.
  • Sie können Menschen durch Einschärfungen bzw. Bannbotschaften in ihrer persönlichen Freiheit einschränken.
  • Indem Lebensskripte im Coaching sichtbar gemacht und hinterfragt werden, entstehen Räume, in denen Veränderung und Wachstum möglich werden.  

Nach Steiner (ebd.) werden die Botschaften in der Kindheit durch verbale und nonverbale Kommunikation von Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen vermittelt. Sie sind unbewusste Aufträge, die oft mit emotionalen Konsequenzen verbunden sind, wenn sie nicht befolgt werden. Solche Botschaften werden auch Einschärfungen oder Bannbotschaften genannt. Sie bestimmen unbewusst das Lebensskript eines Menschen und wirken im Erwachsenenalter häufig als Einschränkungen der persönlichen Freiheit (ebd.).

Doch welche ethischen Herausforderungen ergeben sich, wenn Lebensskripte die Freiheit und Autonomie von Menschen einschränken? Was bedeutet dies für Coaches, die mit Klientinnen und Klienten im Kontakt sind, deren Handlungsspielräume von solchen Botschaften geprägt sind?

Ethik und Lebensskript: Problem oder Dilemma?

Die Arbeit mit Lebensskripten kann Coaches an die Grenzen ethischer Entscheidungsfindung führen. Hierbei ist es wesentlich, zwischen ethischen Problemen und ethischen Dilemmata zu unterscheiden, da beide unterschiedliche Herausforderungen darstellen und unterschiedliche Herangehensweisen erfordern.

Ethische Probleme: Klarheit zwischen „richtig“ und „falsch“

Ethische Probleme zeichnen sich durch eine klare Trennlinie aus: Es gibt eine moralisch „richtige“ und eine „falsche“ Handlung. Diese Art der Herausforderung erfordert vom Coach in erster Linie Klarheit, Mut und die Fähigkeit, die Botschaften des Lebensskripts sichtbar zu machen. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht, das die Botschaft „Sei nicht wichtig!“ betrifft: Eine Klientin, die keine Komplimente annehmen kann, verweigert sich oft der Anerkennung durch andere und damit auch der Möglichkeit, wertvolle soziale Bindungen aufzubauen. Sie reagiert auf Komplimente mit Ablehnung, indem sie etwa sagt: „Das war doch nichts Besonderes! / Ach, das ist doch selbstverständlich!“ Hier zeigt sich ein klar umrissenes Problem: Die Skriptbotschaft hindert die Klientin daran, zwischenmenschliche Nähe zuzulassen, und steht ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung im Weg.

Die ethische Verantwortung des Coachs: Der Coach kann hier einerseits die Botschaft hinter dem Verhalten identifizieren sowie benennen und andererseits Wege aufzeigen, diese zu hinterfragen. Z.B. könnte er behutsam spiegeln: „Mir fällt auf, dass Sie des Öfteren Anerkennung zurückweisen. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum das so ist?“ Ein solcher Ansatz ist eindeutig: Die Lösung liegt darin, das Verhaltensmuster zu hinterfragen und Alternativen zu entwickeln.

Trotz der Klarheit des Problems erfordert die Lösung Feingefühl. Es ist wesentlich, dass der Coach die Klientin nicht bloßstellt oder ihr das Gefühl gibt, „falsch“ zu sein. Stattdessen könnte der Coach das Verhalten in einen Kontext setzen: „Vielleicht haben Sie früher gelernt, dass es nicht wichtig ist, Komplimente anzunehmen. Können Sie sich an mögliche Situationen in der Vergangenheit erinnern? Was könnte passieren, wenn Sie es heute ausprobieren?“ Diese Haltung eröffnet der Klientin neue Möglichkeiten, ohne sie zu drängen.

Ethische Dilemmata: Spannung zwischen konkurrierenden Werten

Im Gegensatz zu ethischen Problemen sind ethische Dilemmata durch die Gleichrangigkeit zweier oder mehrerer konkurrierender Werte gekennzeichnet. Diese Situationen sind deutlich komplexer, da sie keine simple Lösung bieten. Stattdessen wägt der Coach gemeinsam mit seinem Gegenüber ab, welcher Wert in der jeweiligen Situation Vorrang haben könnte.

Ein Beispiel: Ein Klient, der die Botschaft „Sei nicht glücklich!“ verinnerlicht hat, könnte sich selbst immer wieder daran hindern, Erfüllung und Freude zu erleben. Diese Botschaft könnte sich beispielsweise in der Tendenz zeigen, destruktive Beziehungen aufrechtzuerhalten und Erfolge unbewusst systematisch zu sabotieren. Hier zeigt sich ein ethisches Dilemma, weil der Klient zwischen zwei gleichrangigen Werten steht:

  • Loyalität gegenüber einer Beziehung, die ihm emotional wichtig erscheint.
  • Persönliches Wachstum, das er nur erreichen kann, indem er diese Beziehung loslässt.

Der Coach erkennt, dass die Botschaft „Sei nicht glücklich!“ den Klienten daran hindert, sich für sein eigenes Wohl zu entscheiden. Doch gleichzeitig steht er vor einer schwierigen Abwägung: Soll er den Klienten direkt konfrontieren und möglicherweise dessen Loyalität infrage stellen? Oder soll er vorsichtig vorgehen, um den Klienten zu schützen?

Die ethische Herausforderung: In einem solchen Fall gibt es keine „richtige“ oder „falsche“ Lösung. Stattdessen kann der Coach die Werte des Klienten respektieren und gleichzeitig behutsam mittels Fragen darauf hinarbeiten, dass der Klient seine Skriptbotschaft reflektiert: „Was könnte passieren, wenn Sie sich erlauben würden, wirklich glücklich zu sein? Welche Auswirkungen hätte das möglicherweise auch auf Ihre aktuelle Beziehung?“ Diese Fragen zielen darauf ab, dem Klienten die Konsequenzen seiner Entscheidungen bewusst zu machen. Sie ermöglichen es ihm, seine Werte zu hinterfragen und neu zu gewichten, ohne ihm eine bestimmte Richtung vorzugeben.

Spannungsfeld Problem vs. Dilemma

Ein weiteres Beispiel verdeutlicht die Grenze zwischen ethischem Problem und Dilemma. Es geht um die Botschaft: „Denke nicht!“ Eine Klientin, die diese Botschaft verinnerlicht hat, könnte Schwierigkeiten haben, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Sie verlässt sich in herausfordernden Situationen auf Autoritäten, sucht bei ihnen nach Bestätigung und erwartet auch vom Coach klare Anweisungen. Hier liegt die ethische Herausforderung in der Abwägung: Der Coach erkennt, dass die Botschaft „Denke nicht!“ die Klientin in ihrer Autonomie einschränkt. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Coach selbst in eine autoritäre Rolle gedrängt wird, wenn er dem Wunsch der Klientin nach klaren Anweisungen nachgibt. So kann im Coaching eine Dynamik entstehen, in der der Coach Gefahr läuft, entweder die Kontrolle zu übernehmen oder die Klientin zu überfordern.

Ethisches Problem

Die Einschränkung der Autonomie der Klientin stellt ein ethisches Problem dar, weil sie deren Fähigkeit, unabhängig zu denken, erheblich behindert. Der Coach sieht klar, dass die Klientin lernen kann, eigene Lösungen zu entwickeln. Ziel des Coachings könnte daher sein, die Klientin in die Lage zu versetzen, eigenständig zu reflektieren und zu entscheiden. Ein gezieltes Nachfragen kann hier helfen, etwa: „Welche Optionen sehen Sie in dieser Situation? Was könnte passieren, wenn Sie die Verantwortung übernehmen?“

Ethisches Dilemma

Das Dilemma entsteht durch die Spannung zwischen der Förderung der Eigenverantwortung und der psychologischen Sicherheit der Klientin. Wenn der Coach die Klientin zu stark herausfordert, könnte diese sich emotional überfordert fühlen und das Coaching abbrechen. Andererseits läuft der Coach Gefahr, durch zu viele Anweisungen die Dynamik der Einschärfung „Denke nicht!“ zu verstärken, indem er unbewusst die autoritäre Rolle übernimmt.

Ein möglicher Ansatz könnte darin bestehen, die Klientin schrittweise an die Eigenverantwortung heranzuführen. Der Coach könnte sie langsam dazu ermutigen, nach und nach eigene Gedanken zu formulieren und mögliche Entscheidungen zu treffen, ohne sie zu überfordern.

Aufgaben des Coachs

Reflexion bildet das ethische Fundament und zugleich den methodischen Kern professionellen Coachings, insbesondere im Umgang mit dem Spannungsfeld zwischen Problemorientierung und Dilemmabewältigung. In diesem Kontext wird der Coach zum Akteur eines moralischen Dialogs, der eine tiefgreifende Selbsterkenntnis voraussetzt. Er steht vor der zentralen Frage: Handelt er autonom und authentisch oder folgt er unreflektiert eigenen Mustern? Diese Selbstprüfung zielt darauf ab, unbewusste Neigungen – etwa zur Übernahme von Kontrolle – kritisch zu hinterfragen. Ein Coach, der beispielsweise selbst eine Antreiberdynamik wie „Sei perfekt!“ aktiviert hat, könnte dazu neigen, optimal intervenieren zu wollen und die Verantwortung der Klientin zu übernehmen. Um dies zu vermeiden, sind regelmäßige Supervision und Selbstreflexion essenziell.

Ebenso verlangt die ethische Verantwortung eine Reflexion über die interpersonelle Dynamik der Coaching-Beziehung. Der Coach agiert in einem Spannungsfeld zwischen Autorität und Autonomie der Klientin. Es gilt, einen relationalen Raum zu schaffen, der die Würde der Klientin wahrt und gleichzeitig Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Hier wird deutlich, dass Coaching nicht neutral ist, sondern stets in einem sozialen und moralischen Kontext agiert.

Eine weitere ethische Dimension zeigt sich in der Frage nach der Angemessenheit von Herausforderungen. Der Coach hat die Aufgabe, die Klientin zu fördern, ohne sie zu überfordern. Dies bedarf einer fein austarierten Balance zwischen Impulsgebung und Zurückhaltung, die nicht nur auf methodischer Expertise, sondern auch auf einem tiefen Respekt für die Selbstbestimmung der Klientin beruht.

Im Zentrum dieses Prozesses steht die Praxis der dialogischen Verantwortung. Indem der Coach die Klientin durch offene und explorative Fragen zur autonomen Reflexion anregt, überträgt er schrittweise Verantwortung. Dieser Ansatz verkörpert eine ethische Haltung, die nicht nur das Handeln im Coaching, sondern auch dessen normative Grundlagen adressiert. Der Coach wird so zum Begleiter eines Prozesses, der auf die Befähigung der Klientin zur Selbstbestimmung und zur Verwirklichung ihrer individuellen Möglichkeiten zielt – ein Akt, der letztlich das Prinzip der Würde und Freiheit des Menschen in den Mittelpunkt rückt.

Interventionen für die Bannbotschaft „Denke nicht!“

Ein wissenschaftlich-philosophischer Ansatz im Coaching, der ethischen Anspruch und transaktionsanalytische Perspektiven integriert, offenbart sich in der Kunst, die Klientin aus obigem Beispiel in einem dialogischen Prozess zur Selbstermächtigung zu führen. Zentral ist dabei die Praxis des explorativen Fragens. Fragen wie „Was wäre, wenn Sie sich selbst erlauben würden, eine Entscheidung zu treffen? Was könnte passieren?“ öffnen nicht nur einen Raum für Reflexion, sondern stärken zugleich das Vertrauen in die eigene Urteilskraft. Dies ist ein ethischer Akt, der die Autonomie der Klientin würdigt und gleichzeitig eine behutsame Herausforderung bietet (Rogers, 1961).

Darüber hinaus spielt das reflektierte Spiegeln eine entscheidende Rolle. Der Coach benennt Muster und Verhaltensweisen, ohne sie zu bewerten, und ermöglicht der Klientin damit eine vertiefte Selbstwahrnehmung. Ein Beispiel könnte lauten: „Mir fällt auf, dass Sie häufig nach meiner Meinung fragen. Könnte es sein, dass es Ihnen schwerfällt, Ihrer eigenen Einschätzung zu vertrauen?“ In dieser Haltung manifestiert sich ein ethisches Engagement für die Selbstermächtigung der Klientin, indem sie ermutigt wird, ihre inneren Prozesse zu hinterfragen, ohne sich dabei verurteilt zu fühlen (Berne, 1964; Steiner, 1982).

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die schrittweise Übertragung von Verantwortung. Hierbei unterstützt der Coach die Klientin, zunehmend eigene Entscheidungen zu treffen, und fördert so ihre Selbstwirksamkeit. Fragen wie „Welche kleinen Entscheidungen könnten Sie heute treffen, um ein erstes Gefühl von Selbstwirksamkeit zu gewinnen?“ können dazu beitragen, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Diese graduelle Rückgabe von Verantwortung spiegelt eine ethische Haltung wider, die sowohl die Selbstbestimmung der Klientin als auch die Verantwortung des Coachs für einen unterstützenden Prozess betont (Deci & Ryan, 1993).

Abschließend wird die Stärkung des Erwachsenen-Ichs aus der Transaktionsanalyse als zentraler ethischer und praktischer Fokus hervorgehoben. Das Erwachsenen-Ich steht für Präsenz, Reflexion und stärkt die Fähigkeit, skriptfreie Entscheidungen im „Hier und Jetzt“ zu treffen. Der Coach kann die Klientin dabei unterstützen, aus diesem Zustand heraus zu agieren, indem er sie dazu ermutigt, bewusste und präsente Entscheidungen zu treffen. Dies erfordert nicht nur methodisches Geschick, sondern auch eine ethische Verpflichtung, die Klientin in ihrer Fähigkeit zu stärken, ein autonomes und reflektiertes Leben zu führen (Harris, 1973).

Dieser Ansatz verdeutlicht, dass Coaching nicht lediglich aus der Anwendung von Techniken besteht, sondern auch ein ethischer Prozess ist. Er stellt die Würde und Selbstbestimmung des Klienten bzw. der Klientin ins Zentrum und fördert eine dialogische Praxis, die Freiheit und Verantwortung in einem wechselseitigen Verhältnis zur Entfaltung bringt.

Das ethische Vorgehen des Coachs: Reflexion und Haltung

Die ethische Praxis eines Coachs ist entscheidend für die Qualität der Beziehung zu seinem Gegenüber und den Erfolg des Coaching-Prozesses. Insbesondere in der Arbeit mit Lebensskripten, die tief in der Psyche eines Menschen verankert sind, erfordert ethisches Handeln eine klare Haltung und reflektierte Entscheidungen. Drei zentrale Prinzipien – Transparenz, Empowerment und Grenzen – bilden dabei die Basis einer professionellen Coaching-Arbeit. Diese Prinzipien greifen ineinander und ermöglichen eine Balance zwischen Förderung und Schutz der Klientinnen und Klienten.

Transparenz: Vertrauen durch Offenheit schaffen

Transparenz bedeutet, dass der Coach offenlegt, warum er bestimmte Methoden, Fragen oder Interventionen einsetzt. Diese Offenheit gibt Klientinnen und Klienten die Möglichkeit, den Prozess besser zu verstehen, und schafft Vertrauen. Sie verhindert, dass der Coach als undurchsichtige Autorität wahrgenommen wird, was insbesondere bei Personen mit Lebensskripten wie „Denke nicht!“ von Bedeutung ist. Warum ist Transparenz wichtig?

  • Vertrauensbildung: Klientinnen und Klienten, die erkennen, dass der Coach keine versteckte Agenda hat, fühlen sich sicherer. Dies ist besonders wichtig, wenn die Arbeit mit Lebensskripten alte Ängste oder Unsicherheiten berührt.
  • Förderung der Autonomie: Transparenz hilft, die Hintergründe des Prozesses zu verstehen und bewusster an der Entwicklung der eigenen Autonomie teilzunehmen.
  • Vermeidung von Projektionen: Ein transparenter Coach reduziert das Risiko, dass unbewusst Erwartungen oder Ängste auf ihn projiziert werden.

Ein Coach könnte sagen: „Ich stelle Ihnen diese Frage, weil ich beobachtet habe, dass Sie häufig Entscheidungen vermeiden. Meine Absicht ist, Sie zu ermutigen, Ihre eigenen Gedanken dazu zu entwickeln.“ Diese Erklärung zeigt dem Gegenüber, dass die Intervention bewusst gewählt wurde, und lädt ein, das Muster selbst zu reflektieren.

Empowerment: Eigenverantwortung fördern

Empowerment bedeutet in diesem Kontext, Menschen zu befähigen, eigene Lösungen zu finden und ihre Autonomie zu stärken. Der Coach ist nicht der Experte, der fertige Antworten liefert, sondern ein Begleiter, der die Selbstwirksamkeit der Klientinnen und Klienten unterstützt.

  • Aufbrechen der Lebensskripte: Klientinnen und Klienten, die durch Botschaften wie „Denke nicht!“ geprägt sind, haben oft verlernt, selbstständig zu handeln. Empowerment stärkt sie, diese Dynamiken zu durchbrechen.
  • Langfristige Entwicklung: Personen, die eigene Lösungen entwickeln, lernen, auch bei zukünftigen Herausforderungen selbstständiger zu agieren.
  • Stärkung des Selbstvertrauens: Indem Klientinnen und Klienten erleben, dass sie in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen, gewinnen sie Vertrauen in ihre Fähigkeiten.

Ein Mensch mit der Botschaft „Sei nicht wichtig!“ könnte durch Empowerment lernen, Anerkennung zuzulassen. Der Coach könnte fragen: „Wenn Sie versuchen würden, dieses Kompliment einfach anzunehmen, wie würde sich das anfühlen? Welche Bedeutung könnte es haben?“ Diese Frage regt an, eine eigene Perspektive zu entwickeln.

Grenzen: Schutz und Professionalität wahren

Grenzen zu setzen, ist ein wesentlicher Bestandteil ethischen Handelns, sowohl im Interesse der Klientinnen und Klienten als auch des Coachs. Die Arbeit mit Lebensskripten kann emotionale Intensität erzeugen, die den Coach herausfordert, seine professionelle Distanz zu wahren. Wie wirken sich Grenzen auf die Coaching-Beziehung aus?

  • Schutz der Klientinnen und Klienten: Diese müssen sich darauf verlassen können, dass der Coach ihre emotionalen Grenzen respektiert und den Prozess in einem sicheren Rahmen hält.
  • Selbstschutz des Coachs: Coaches, die keine klaren Grenzen ziehen, laufen Gefahr, in eine Rolle das Dramadreiecks (Verfolger, Retter, Opfer; vgl. Wehrs, 2024) zu geraten oder sich emotional zu überlasten.
  • Professionelle Integrität: Grenzen bewahren die Struktur des Coaching-Prozesses und verhindern, dass persönliche Dynamiken die Arbeit dominieren.

Eine Person mit der Botschaft „Sei nicht glücklich!“ könnte z.B. versuchen, den Coach emotional zu involvieren, etwa indem sie dramatische Geschichten teilt, die Mitleid hervorrufen. Ein reflektierter Coach erkennt diese Dynamik und setzt Grenzen: „Ich verstehe, dass diese Situation schwierig für Sie ist. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie Sie damit umgehen können.“ Der Fokus bleibt auf der Entwicklung des Gegenübers, nicht auf der emotionalen Involvierung des Coachs.

Fazit: Ethik und Reflexion als Schlüssel

Die Arbeit mit Lebensskripten bewegt sich stets im Spannungsfeld zwischen klaren ethischen Problemen und komplexen Dilemmata, bei denen konkurrierende Werte sorgfältig abgewogen werden müssen. In beiden Fällen erfordert professionelles Coaching eine Haltung, die sowohl die Autonomie der Klientinnen und Klienten respektiert als auch deren Entwicklung fördert.

Transparenz, Empowerment und das Setzen von Grenzen bilden hierbei die Basis einer ethischen Praxis. Gleichzeitig benötigt diese Begleitung eine fortlaufende Selbstreflexion des Coachs, indem er achtsam die eigenen Muster beobachtet.

Literatur

Berne, E. (1964). Spiele der Erwachsenen. Reinbek: Rowohlt.

Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 2, S. 223–238.

Harris, T. A. (1973). Ich bin o.k. – Du bist o.k. Reinbek: Rowohlt.

Rogers, C. R. (1961). Entwicklung der Persönlichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta.

Steiner, C. (1982). Wie man Lebenspläne verändert. Paderborn: Junfermann.

Wehrs, T. (2024). Die Anwendung des Dramadreiecks im Coaching. Coaching-Magazin, 4, S. 33–37.

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