Portrait

Interview mit Thomas Hoefling

Sinnzentrierung: Weshalb es im Coaching immer um Werte geht

Coaching-Anliegen fallen sehr vielfältig und individuell aus. Unabhängig von der Frage, was den Anlass zum Coaching gibt und wer die Klientinnen und Klienten sind, ist den meisten Prozessen jedoch eines gemeinsam, wie Thomas Hoefling betont: Werte- und Sinn-Themen spielen fast immer eine Rolle, wenn sie nicht sogar im Vordergrund stehen. Im Interview erläutert der Führungskräfte-Coach, wo ein sinnzentriertes Coaching ansetzen kann, und blickt zudem auf seine neue Rolle als 1. Vorsitzender des Deutschen Bundesverbands Coaching e.V. (DBVC).

16 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2025 am 20.05.2025

Ein Gespräch mit David Ebermann

Thomas Hoefling sitzt am Tisch vor einem Laptop und lächelt.

Im November 2024 wurden Sie zum 1. Vorsitzenden des DBVC-Vorstands gewählt, nachdem Sie zuvor bereits 2. Vorsitzender waren. Was hat Sie motiviert, diese Aufgabe zu übernehmen?

Das ist eine längere, organisch gewachsene Geschichte. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die den Verband gegründet haben, bin aber schon früh eingetreten. Von den rund einundzwanzig Jahren, die der DBVC mittlerweile existiert, habe ich 16 Jahre aktiv mitgearbeitet. Das war ein schöner und inhaltlich spannender Weg. Zunächst betätigte ich mich viele Jahre im Fachausschuss Mittelstand, um dann später die Säule der Unternehmensvertreter im Verband – die FCIO (Fachexperten für Coaching in Organisationen) – zu leiten. 

Bis vor drei Jahren war ich als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer der Region Stuttgart tätig. Auch in dieser Funktion, in der ich für 200 Mitarbeitende verantwortlich und für 30.000 Betriebe zuständig war, konnte ich immer wieder vom Geist des DBVC profitieren. Vor drei Jahren wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, Mitglied des Vorstands des Verbands zu werden. Ich konnte dann vor der Wahl zum 2. Vorsitzenden noch rund ein Jahr lang hospitieren und immer mal wieder an Vorstandssitzungen teilnehmen. 

Dieser Weg mündete nun im 1. Vorsitz, nachdem die vorherige 1. Vorsitzende, Christine Moscho, nach vielen Jahren der Vorstandstätigkeit aus persönlichen Gründen nicht zur Wiederwahl antreten wollte. Mich für den 1. Vorsitz zur Wahl zu stellen, war der naheliegende nächste Schritt, denn der DBVC ist meine berufliche Heimat. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen ist mir ein Vergnügen, die gemeinsame qualitativ hochwertige Weiterentwicklung des Business-Coachings ein Anliegen.

Welche dringenden bzw. großen Herausforderungen sehen Sie im Coaching-Markt und was möchten Sie als 1. Vorsitzender des DBVC diesbezüglich erreichen?

Unsere große Herausforderung ist medial sichtbar. Es geht um Qualitätssicherung – vor dem Hintergrund, dass der Begriff Coaching nicht geschützt ist. Immer wieder gibt es kritische und teils reißerische Berichterstattungen über Angebote im Markt, die als Coaching bezeichnet werden, obwohl es sich bei ihnen objektiv betrachtet nicht um Coaching handelt. Mit der Frage des Titelschutzes werden wir uns auseinandersetzen. Der DBVC muss sich darüber hinaus weiterhin als Verband positionieren, der für Qualität im Business-Coaching steht, und nach außen wirksam sichtbar machen, was qualitativ hochwertiges Coaching ausmacht. Hierzu gibt es einige Hebel. Beispielsweise sind im Verband etwa 40 Bildungsinstitute organisiert, die ständig vermitteln, was Qualität im Coaching bedeutet, indem sie entsprechende Inhalte in ihre Curricula integrieren, auf wissenschaftliche Fundierung achten und eine gewisse Umfänglichkeit der Ausbildungen gewährleisten.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, welchen Einfluss Künstliche Intelligenz (KI) im Coaching hat bzw. erlangen wird. Verbandsintern beschäftigt uns zudem das Thema der Sozialen Medien – verbunden mit der Frage, welche Plattformen wir in welcher Form nutzen wollen. Für alle drei Themenbereiche gibt es erfreulicher Weise zahlreiche Verbandsmitglieder, die Interesse haben, sich zu engagieren.

Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich einzubringen, ist im Verband generell sehr groß. Das empfinde ich als sehr bemerkenswert und es trägt dazu bei, dass die Vorstandsarbeit viel Freude macht. Es ist ein tägliches Miteinander. Auch unsere Geschäftsstelle in Osnabrück leistet hervorragende Arbeit. Seit Kurzem hat der Verein erstmals die Stelle eines Geschäftsführers besetzt, das entlastet mich sehr. Hier geht es um die weitere Professionalisierung der Verbandstätigkeit – ein Thema, bei dem ich zuversichtlich in die Zukunft blicke.

Wie stehen Sie zum Einsatz von KI im Coaching?

Das Thema ist nicht mehr wegzudenken. In den kommenden Jahren wird KI das Coaching nachhaltig prägen und bereits heute setzen Kolleginnen und Kollegen KI-gestützte Tools ein: z.B. zur Analyse von Kommunikationsmustern, zur Unterstützung bei Reflexionsfragen oder zur Optimierung administrativer Abläufe. KI hat das Coaching erreicht – darüber muss man nicht mehr diskutieren. Die entscheidende Frage lautet hingegen: Wie wollen wir diese Entwicklung gestalten? Der DBVC-Fachausschuss „Coaching in der digitalen Welt“ und eine Arbeitsgruppe zum Thema KI gehen dieser Frage aktiv nach. Die Arbeitsgruppe ist Teil unseres Think Tanks „Future of Coaching“, der sich mit technologischen Entwicklungen und ethischen sowie methodischen Implikationen befasst.

Ich bin davon überzeugt, dass KI-gestützte Anwendungen den Coaching-Prozess unterstützen und effizienter gestalten können. Die persönliche Beziehung zwischen Coach und Klient bzw. Klientin ist aber nicht ersetzbar. Aufbau und Pflege dieser Beziehung – ob in Präsenz oder online – werden auch in Zukunft eine zentrale Coaching-Kompetenz darstellen und ich bin mir sicher, dass das Kerngeschäft qualitativ hochwertigen Coachings weiterhin in der persönlichen Begegnung liegen wird. Daher sehe ich das Thema mit einer gewissen Gelassenheit. KI kann eine gute Ergänzung sein und wir haben allen Grund, aufmerksam zu beobachten, was in den nächsten Jahren durch die weitere Entwicklung der Anwendungen möglich werden wird. Den damit verbundenen Herausforderungen werden wir uns im DBVC stellen.

2023 betonten Sie, der DBVC müsse ein Auge auf die Entwicklung der Digital Coaching Provider (DCP) im Markt haben …

Im Verband haben wir uns über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mit der Thematik befasst – in einer eigens hierfür ins Leben gerufenen Gruppe, in der auch ich mich betätigte. Einerseits ging es darum, den Markt zu eruieren. Andererseits setzten wir uns mit der Frage auseinander, ob und ggf. wie der DBVC neben den großen Anbietern im Markt selbst einen DCP aufbauen könnte. Letztlich kamen wir zu dem Ergebnis, dass das nicht unser Ziel sein kann. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Ein wichtiger Aspekt lag darin, dass wir die Vorstellung hatten, das Matching von Coach und Klient bzw. Klientin deutlich individueller zu gestalten, als es bei den großen Providern der Fall ist. Im Zuge der Marktanalyse stellten wir aber fest, dass dies aufseiten der Unternehmen nicht die entscheidende Rolle spielt. Zudem hätte es, wie nach unseren Berechnungen deutlich war, einen erheblichen Aufwand bedeutet, zusätzlich Personalressourcen vorzuhalten, um das Matching zu unterstützen.

Abgesehen von diesen operativen Aspekten diskutierten wir die Frage, ob wir die Entwicklung in Richtung DCP gehen wollen, auch ganz grundsätzlich und vor dem Hintergrund der potenziell erheblichen Beeinträchtigung eines Coaching-Marktes, der von einer bunten Vielzahl Solo-Selbstständiger geprägt ist. Das haben wir stets kritisch hinterfragt und sind letztlich zu dem Ergebnis gekommen, die Finger davon zu lassen.

Als Coach unterstützen Sie Führungskräfte unter anderem im Umgang mit Konflikten. Sie sagen, Führungskräften falle es aus einer emotionalen Betroffenheit heraus häufig schwer, professionell mit Konflikten umzugehen. Wie äußert sich das?

Wenn Emotionen überhandnehmen, leidet mitunter auch die Fähigkeit, situativ sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Daher geht es im Konflikt-Coaching zunächst immer darum, einen Konflikt zu würdigen und seine Geschichte zu klären. Wir gehen – bildlich gesprochen – in den Konflikt hinein, damit seine Wirkungsweisen bewusst werden. Danach kann daran gearbeitet werden, auf der Sachebene zu guten Lösungen zu kommen.

Gehen Sie dabei auch der Frage nach, aufgrund welcher persönlichen Prägungen die emotionale Betroffenheit so stark ausfällt?

Ja. Der Umgang mit Emotionen ist sehr individuell. Er hat bei jedem Menschen eine eigene Geschichte und steht auch im Zusammenhang mit seinen Werten, die im Konflikt möglicherweise verletzt werden. Die Fragen, wie man früher mit Konflikten umgegangen ist, was man daraus gelernt hat und wie diese Erfahrungen, die bis in die frühe Kindheit zurückreichen können, das heutige Verhalten beeinflussen, spielen eine wichtige Rolle. Ich gehe erst nach diesem Schritt auf die Handlungsebene. Lösungen erarbeiten zu wollen, hätte keine Aussicht auf Erfolg, solange die Emotionen keine Einordnung erfahren haben und die eigenen Muster nicht verstanden worden sind.

Was sind mögliche Folgen, wenn jemand einen Konflikt nicht aufarbeitet und dieser unterschwellig fortwirkt?

Die Folgen sind potenziell weitreichend. Sie können sich auf die grundsätzliche Lebenseinstellung sowie -haltung der Person auswirken und im körperlichen Befinden niederschlagen. Mittelfristig sind negative Auswirkungen auf die Gesundheit möglich. Deshalb ist es unbedingt ratsam, sich rechtzeitig mit Konflikten auseinanderzusetzen, bevor sich ihre Folgen an anderen Stellen im Leben bzw. im Körper wiederfinden und gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachen. Im organisationalen Kontext können Konflikte, die auf der emotionalen Ebene ungeklärt bleiben, die Teamarbeit und Leistung erheblich hemmen. 

Sie begleiten organisationale Veränderungsprozesse. Kommt es hier besonders oft zu Konflikten?

Ja, durchaus. Drohende Veränderung ist oftmals mit der unangenehmen Erwartung verbunden, die sogenannte Komfortzone verlassen zu müssen. Wenn man einen Veränderungsprozess anstoßen will, gilt es deshalb, vorab anzuerkennen, dass eine gewisse Abwehrhaltung zunächst durchaus normal ist und dass es etwas dauern kann, Menschen abzuholen und stufenweise Akzeptanz für das Bevorstehende zu schaffen. Beim Aufsetzen eines Change-Vorhabens sollte dies – auch um Konflikten vorzubeugen – bedacht und genug Zeit eingeplant werden, um die Menschen mitzunehmen, ihnen den Sinn der Veränderung und das Positive am erwünschten Zielzustand zu vermitteln. Bei übergestülpten Veränderungsprozessen nach dem Motto „in einem Jahr wird die Organisation aus wirtschaftlichen Gründen so und so aussehen …“ verliert man die Menschen. Und das bedeutet letztlich eine erhebliche ökonomische Schwächung für ein Unternehmen.

Stichwort Sinn: Ihr Unternehmen trägt den Namen SINNZENTRIERT. Wofür steht der Begriff für Sie?

Er steht für Sinnhaftigkeit im beruflichen und auch privaten Leben. Ich habe mich früh mit zwei psychologischen Richtungen beschäftigt: zum einen mit der Transaktionsanalyse und zum anderen mit der Logotherapie nach Viktor Frankl, die ein sinnvolles Leben in den Fokus nimmt. Als ich mich mit Frankl befasste, wurde mir noch klarer, wie wichtig es ist, Sinnfragen auch in das Berufsleben zu integrieren und für sich selbst zu erörtern: Ergibt das, was ich tue, für mich Sinn? Erfüllt es mich? Was bewirkt mein Handeln für die Gesellschaft? Was hinterlasse ich? Insofern geht es darum, ein sinnerfülltes Leben zu führen, das möglichst mit den eigenen Werten harmoniert.

Unterm Strich ist nahezu jedes Coaching aus meiner Sicht auch ein Werte-Coaching. Ob es um Work-Life-Balance, um Mitarbeiterführung oder um Konflikt-Themen geht … Werte und das Thema Sinn spielen fast immer hinein. Selbst dann, wenn sie nicht im Vordergrund des Prozesses stehen, schwingen sie doch mit. Nach Frankl sollte man sich nicht – wie es heute das Credo vieler Menschen ist – fragen, was man vom Leben will. Stattdessen, so Frankl, sollte man sich fragen: Was will das Leben von mir? In dieser These kommt eine gewisse Bescheidenheit zum Ausdruck. Anders formuliert könnte sie auch lauten: Was ist meine Mission? Unter dem Begriff Mission verstehe ich hier den Auftrag, im Leben etwas zu gestalten, für etwas da zu sein und sich einzusetzen, etwas in die Gesellschaft zu tragen. Frankl prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der Selbsttranszendenz. Die Mission wiederum ist natürlich mit den eigenen Werten in Einklang zu bringen.

Weshalb fällt es Menschen mitunter schwer, sich der eigenen Werte bzw. der eigenen Mission bewusstzuwerden?

Das hängt oft mit der Geschichte eines Menschen, den daraus resultierenden Mustern und Antreibern zusammen. Auch sein soziales Umfeld kann eine Rolle spielen, wenn er aus diesem z.B. keine reflexionsanregenden Impulse erhält oder es seine Antreiber weiter verstärkt. Die Fähigkeit, im Leben innezuhalten und über die eigene Mission – über das eigentlich Wesentliche und Sinnerfüllende – nachzudenken, ist vielen Menschen nicht in die Wiege gelegt. Auch unsere Gesellschaft mit ihrem spürbaren Optimierungsdruck ist eher nicht aufs Innehalten ausgelegt. Hierbei spielen die Sozialen Medien keine untergeordnete Rolle.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie mit Führungskräften an Sinn- und Werte-Themen arbeiten?

Ich arbeite mit verschiedenen Interventionstechniken aus dem Werte-Coaching. Eine davon ist die Priorisierung der beruflichen und persönlichen Werte, verbunden mit der Frage, ob und wie die Führungskraft ihre Werte innerhalb des Unternehmens leben kann. In Unternehmen kann sich ja immer wieder einiges verändern, indem sich die Kultur wandelt, neue Führungsstile Einzug halten, neue Vorgaben erteilt werden usw. Was vielleicht bis gestern noch eine große Rolle gespielt haben mag – z.B. das Thema Gestaltungsfreiheit –, kann plötzlich aufgrund organisationaler Neuerungen hinten runterfallen.

Wenn die Freiheit, gestalten zu können, aber zu den wichtigsten sinngebenden Werten der Führungskraft gehört, stellt sich die Frage, wie sie auf die Veränderung reagieren kann. Wie geht die Führungskraft damit um, wenn sie die Erfahrung macht, ihren Sinnkorridor im Unternehmen nicht mehr leben zu können? Hier gibt es viele Handlungsalternativen, die reflektiert werden können, bis hin zur Frage, ob die Führungskraft in diesem Unternehmen noch richtig ist.

Eine zweite Intervention, mit der ich im Coaching gerne arbeite, ist der Einsatz des Wertequadrats. Dieser Ansatz zielt darauf, Werte in eine gute Balance zu bringen. Selbst positiv konnotierte Werte können uns im Wege stehen, wenn wir sie in einer extremen Form ausleben. Ein Beispiel: Ein überpünktlicher Mensch, der Pünktlichkeit eng mit Wertschätzung verbindet, leidet womöglich unter nicht selbst verschuldeter Unpünktlichkeit. Gelassenheit wäre dann eine positive Eigenschaft, die dem gegenüberstehen kann und die es für den Überpünktlichen stärker zu leben gilt.

Wo setzen Sie an, wenn eine Führungskraft mit Blick auf die eigenen Werte eine grundlegende Orientierung benötigt – unabhängig vom Arbeitsalltag?

Tatsächlich begleite ich auch Coaching-Prozesse, bei denen es weniger um akute Anlässe, sondern vielmehr um Grundsatzthemen und Weichenstellungen geht. Angenommen eine Führungskraft fühlt sich nach Jahren im Job verbraucht und müde, hat aber noch einige Jahre der Berufstätigkeit vor sich und möchte daher Klarheit darüber gewinnen, in welche Richtung sie sich zukünftig entwickeln und woraus sie Sinnhaftigkeit schöpfen will. Aufgrund dieser Zielsetzung ist es notwendig, ganz grundsätzlich die aktuelle Lebensphase der Führungskraft in den Fokus zu stellen.

Ich arbeite dann gerne mit einem Ressourcenbaum, um meinem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, sich mit bestimmten Lebensphasen, die er oder sie seit der Kindheit durchlaufen hat, auseinanderzusetzen und zu reflektieren: Welche Werte waren in den früheren Phasen für mich wichtig und welche sind es heute? Die Äste des Baums stellen dabei die verschiedenen Phasen des Lebens dar. Die Blätter repräsentieren die Werte, die Krone das Hier und Jetzt. Aus dieser Visualisierung der Werte im Zeitverlauf ergibt sich oftmals ein schönes und stärkendes Bild, das die Leitplanken und Ressourcen des Klienten bzw. der Klientin darstellt. Meiner Erfahrung nach erzeugt dieses Vorgehen in vielen Fällen Kraft, da der Person ersichtlich wird, was alles in ihr steckt. Eine mögliche Reaktion lautet z.B.: „Oh, als junger Mensch war Mut für mich ein ganz wesentlicher Wert. Im Hier und Jetzt hat er mich zwar etwas verlassen, aber ich trage ihn in mir. Vielleicht ist er sogar eine sogenannte Wertewurzel.“ Im Coaching könnte dann je nach Situation weiterführend reflektiert werden, was Mut heute für den Menschen bedeutet und wie er ihn wieder stärker leben könnte.

Wie stellt sich das Thema Sinn in der konkreten Führungsarbeit dar?

Wenn es um Mitarbeiterführung geht, finde ich es enorm wichtig, dass Führungskräfte mit den Teammitgliedern immer mal wieder die Sinndebatte führen. Dabei sollten sie die Frage klären, als wie sinnhaft die Arbeit aktuell von den Mitarbeitenden empfunden wird.

Zielt Ihr Coaching im Kontext sinnerfüllter Führung demnach darauf, ein an Sinn ausgerichtetes Denken der Führungskräfte zu fördern?

Ja. Wenn die Mitarbeitenden wenig Sinn in ihrem Handeln sehen, sollten die Alarmglocken läuten. Natürlich kann man dann nicht einfach sagen: „Okay, ab kommendem Monat ändert sich deine berufliche Aufgabe, wenn das mehr Sinn ergibt.“ Die Diskussion mit den Mitarbeitenden zu führen und mittel- oder langfristig nach Wegen zu suchen, das Handeln sinnhafter zu gestalten, halte ich in solchen Fällen aber für das Gebot der Stunde. Wir wissen ja, wie positiv sich eine intrinsische Motivation und das Gefühl der Sinnhaftigkeit auf Menschen auswirken und wie sehr die Unternehmen von motivierten Mitarbeitenden profitieren können.

Wodurch stießen Sie auf das Thema Coaching?

Nach meinem Studium an der Hochschule für Verwaltung arbeitete ich in verschiedenen Ministerien in Baden-Württemberg und war nebenberuflich als Trainer für Führungskräfte tätig. Es ereignete sich dann einer der scheinbaren Zufälle im Leben, die weichenstellend sein können: Ich war an der Führungsakademie des Landes tätig. Prof. Dr. Elke Berninger-Schäfer – heute Inhaberin des Karlsruher Instituts und sehr geschätzte Kollegin im DBVC – führte damals Coaching-Seminare an der Akademie durch und fragte mich, ob ich Lust hätte, teilzunehmen. So kam ich – es müsste etwa das Jahr 2004 gewesen sein – zum Thema Coaching.

Wie kam es dann dazu, dass Sie sich mit Ihrem Unternehmen selbstständig gemacht haben?

Neben meiner Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer der Region Stuttgart führte ich nebenberuflich immer wieder Führungskräfte-Coachings durch. Als ich die Tätigkeit bei der Handwerkskammer vor drei Jahren beendete, war eigentlich klar, dass ich das zu meinem neuen Hauptberuf machen würde: Führungskräfte-Trainings und -Coachings.

Welche Rolle hat Ihre eigene Sinnfindung dabei gespielt?

Ich empfinde es als großes Glück, jetzt sehr selbstbestimmt leben zu können. Die Herausforderung in der Rolle als Hauptgeschäftsführer habe ich sehr gerne wahrgenommen, die Selbstbestimmtheit blieb allerdings oftmals auf der Strecke. Das ist jetzt anders. Ich habe wunderbare Aufträge und genieße es, in dieser Phase meines Lebens als Coach sowie Trainer in der Wirtschaft und der Politik unterwegs zu sein. Vor rund einem Dreivierteljahr bin ich zudem – nach mehr als 50 Jahren in Stuttgart – ins niedersächsische Lüneburg gezogen. Hier kann ich noch einmal ganz andere Erfahrungen in einem für mich wunderbaren neuen Umfeld sammeln. Aktuell engagiere ich mich für die Stadt Lüneburg und die Bevölkerung hier zum Thema Glück, das ja eng mit der Frage nach Sinnhaftigkeit verbunden ist.

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