Ignatius von Loyola (1491–1556) erlebte eine tiefgreifende innere Transformation vom ehrgeizigen Soldaten zum geistlichen Führer, die in seinen Exerzitien Ausdruck fand. Sie sind zudem fester Bestandteil in dem von ihm mitgegründeten Jesuitenorden, verkörpert durch das Zusammenspiel von tiefem geistlichen Leben und aktivem weltlichen Engagement in Bildung, Wissenschaft und Mission.
Auch heute noch bieten die Exerzitien einen spirituellen Übungsweg, der durch strukturierte Kontemplation und Gebet zu tieferer Selbsterkenntnis, Reflexion und bewussten, sinnerfüllten Entscheidungen führt. Die Kontemplation dient allerdings nicht als Selbstzweck, sondern als Basis für das persönliche und zielgerichtete Handeln. Dieser Ansatz zeichnet sich durch eine klare ethische und spirituelle Wertorientierung, das Streben nach innerer Freiheit und die Ausrichtung auf höhere Ziele aus (Ignatius, 2016).
Heutiges Coaching verbindet die Reflexion persönlicher sowie organisationsbezogener Fragestellungen mit konkretem Handeln. Die Vorgehensweise basiert vorwiegend auf den vielfältigen Ansätzen der systemischen sowie lösungsorientierten Methodik. Neben der Bearbeitung spezifischer Anliegen steht die Auseinandersetzung mit eigenen Werten, Zielen und Entscheidungen im Mittelpunkt.
Die Exerzitien, mit ihrer Fülle spiritueller Elemente, bieten vier wesentliche Anknüpfungspunkte, die auch in der Coaching-Praxis eine Rolle spielen (Rothausen, 2017): Reflexion als dynamischer Prozess, die Unterscheidung der „Geister“, Sinn- und Zielorientierung sowie die ganzheitliche Betrachtung des Menschen (Steinke, 2002).
Die Reflexion über spirituelle Prozesse und Lebensfragen wird in den Exerzitien als ein fortlaufender und dynamischer Vorgang verstanden. Ein Impuls – sei es eine Frage, eine Textstelle, ein kontemplativer Moment oder ein Bild – kann und soll eine innere Bewegung anstoßen. Dadurch können sich tiefgreifende Beobachtungen ergeben und emotionale sowie rationale Einsichten gewonnen werden. Reflexion im ignatianischen Verständnis entspricht einem Nachsinnen oder Nachspüren des Gedachten und Gefühlten. Ignatius fordert dazu auf, innere Bewegungen bewusst wahrzunehmen und diesen zu folgen. Der Exerzitiengeber – im Gegensatz zum Exerzitiennehmer – setzt Impulse und Fragen wie:
Diese offenen, weit gefassten Impulse laden den Exerzitiennehmer dazu ein, einen inneren Besinnungsraum zu betreten. Er wird ermutigt, sich geistig und emotional auf die Fragestellung einzulassen und ihre Tiefe auszuloten. Dabei geht es weniger um das Entwickeln von Lösungen, sondern vielmehr darum, das Nachspüren zu bewahren und Raum zu schaffen, damit Einsichten sich mit der Zeit entfalten können.
Im Mittelpunkt der Exerzitien steht nicht nur die innere Klärung als ein Prozess des Zu-sich-Findens, sondern auch die Ableitung konkreter Schritte und deren Umsetzung im Alltag. Es stellt das zentrale Anliegen des ignatianischen Ansatzes dar, das in der spirituellen Praxis aktiv gelebt wird.
Die bewusste Wahrnehmung innerer Bewegungen des ignatianischen Ansatzes als Quelle für Klarheit, Orientierung und Ausrichtung findet im Coaching eine Entsprechung. Persönliche Antriebskräfte, Blockaden und innere Ressourcen werden sichtbar gemacht. Die Reflexion dient dabei nicht nur der Problemlösung, sondern stärkt darüber hinaus die persönliche Handlungsfähigkeit und unterstützt so tragfähige Entscheidungen.
Dabei spielt Selbstwahrnehmung im Coaching eine entscheidende Rolle. Klienten lernen, ihre persönlichen Muster zu erkennen und ihr Erleben bewusster wahrzunehmen. Durch gezielte Reflexion und Perspektivwechsel erweitern sich Handlungsspielräume, sodass neue Lösungswege entstehen können. Grundanliegen ist es, Gedanken, Gefühle und innere Entscheidungen in Einklang mit konkreten Handlungsoptionen zu bringen. Langfristige Veränderungsprozesse werden gesichert, indem gewonnene Erkenntnisse praxisnah verankert werden und dadurch Entwicklung aktiv gestaltet wird. Coaching zielt auf die Stärkung der Selbstwirksamkeit des Klienten.
Das ignatianische Reflexionsverständnis kann die heutige Coaching-Praxis mit seinem lösungsbezogenen Ansatz durch das Element des sorgsamen Nachspürens bereichern. Dadurch lassen sich tiefere Beweggründe, Werte und Sinnfragen in das Coaching integrieren. Die Fragen „Was gibt mir Halt? Welche Haltung nehme ich ein? Und wie prägen diese Aspekte die Grundlagen meines Verhaltens? Wie gestalte ich meine Verhältnisse?“ tragen zu einer Zentrierung des Klienten bei (Lambert, 1997).
Ein zentrales Element der spirituellen Entwicklung ist das Hören auf die inneren Stimmen, die „Unterscheidung der Geister“ (Ignatius, 2016). Dabei werden innere Bewegungen wie Gedanken und Gefühle bewusst wahrgenommen und eingeordnet. Das Ziel ist es, zu erkennen, was zu Sinn, Frieden und Lebendigkeit beiträgt (Trost) und welche Bewegungen Klarheit und innere Freiheit rauben (Trostlosigkeit). Dabei sind die Betrachtung der Lebenssituation (Wo stehe ich in diesem Moment?) und die bewusste Entscheidung für lebensförderliche Impulse von zentraler Bedeutung und Voraussetzung für Wachstum, Gelassenheit und innere Freiheit.
Trost (im Sinne von innerer Freiheit und Orientierung) schenkt eine tiefe Verbundenheit mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit einer sinnstiftenden Lebenshaltung. Trostlosigkeit (im Sinne von innerer Enge und Zweifeln) beinhaltet negative Gedanken und Gefühlsregungen.
Die ignatianische Spiritualität sieht Trostlosigkeit als Anlass zum Innehalten, zur Besinnung. Stille und bewusste Neuausrichtung helfen, Klarheit zu gewinnen. Die Auseinandersetzung mit den schwierigen Seiten des Lebens und der „Gestimmtheit“ der eigenen Persönlichkeit ist ein fester Bestandteil der Exerzitien.
Der Ansatz der Unterscheidung der Geister bietet wertvolle Impulse für Coaching-Prozesse. Er sensibilisiert für innere Bewegungen und hilft Klienten, ihre emotionale Dynamik bewusst wahrzunehmen und konstruktiv zu nutzen. Für das Coaching-Verständnis öffnen sich dadurch zwei Perspektiven:
Trost steht für das Gelungene im Leben, für: Klarheit, positive Energie, Sinnhaftigkeit, das Erleben von Gelungenem, Selbstwirksamkeit, Glück – in Verbindung mit der Frage, wie diese Aspekte als Ressource fruchtbar gemacht werden können.
Trostlosigkeit verweist auf das Schwierige im Leben, auf: innere Disharmonie, das Abtauchen ins Grübeln, negative Gedankenspiralen, die Abwertung der eigenen Lebenspraxis und die Beurteilung anderer Menschen. Verbunden ist damit die Aufforderung, diese Regungen in einem ersten Schritt zu betrachten, um dann im Weiteren zu einer positiven Lebenshaltung zurückzufinden.
Das Verständnis der Unterscheidung der Geister ermöglicht es dem Coach, den Klienten bei einer inneren Standortbestimmung zu unterstützen – sowohl das Schwierige als auch das Gelungene im Leben wahr- und anzunehmen, Blockaden zu lösen und dadurch seine persönliche Entwicklung zu fördern.
Ein zentraler Aspekt des ignatianischen Ansatzes ist die bewusste Ausrichtung auf ein übergeordnetes Ziel – sprich auf das, was mich als Mensch bereichert und mein Weg ist. Es geht um das „Wofür“ – den persönlichen Sinn des Lebens. Ignatius formuliert dies als Fundament seiner Exerzitien: „Der Mensch ist geschaffen […], Gott […] zu loben, ihn zu verehren und ihm zu dienen, und so seine Seele zu retten.“ (Ignatius, 2016, S. 17)
Diese Aussage verdeutlicht, dass der Mensch eine tiefere Berufung hat, die seinem Leben Sinn und Richtung gibt. Daraus ergibt sich der Kern der ignatianischen Spiritualität: Sich aktiv mit den eigenen Werten, existenziellen Fragen und der persönlichen Berufung auseinanderzusetzen. Das Leben wird nicht als zufällige Abfolge von Ereignissen betrachtet, sondern als bewusst gestaltbare Reise mit einer größeren Vision. Diese Orientierung – auch kleine Taten sind bedeutsam – verleiht Beständigkeit und ermöglicht es, Entscheidungen im Einklang mit den inneren Überzeugungen zu treffen.
In den Exerzitien werden die Teilnehmenden schrittweise zu einer tieferen Selbsterkenntnis und Lebensausrichtung geführt. Zwei zentrale Übungen verdeutlichen diesen Prozess:
1. Meditation über zwei Lebensausrichtungen:
Die Exerzitien laden dazu ein, zwei gegensätzliche Lebenswege zu betrachten:
Diese Übung – die „Betrachtung der zwei Banner“ – hilft, persönliche Werte zu hinterfragen und sich bewusst für eine sinnerfüllte Lebensführung zu entscheiden.
2. Betrachtung des Berufungsweges:
Im Zentrum steht die Frage: Wie kann ich meine Gaben und Talente für etwas Größeres einsetzen?
Diese Reflexion geht über berufliche Entscheidungen hinaus und ermutigt dazu, persönliche Fähigkeiten bewusst zum Wohl anderer einzusetzen. Dabei wird deutlich, dass Erfüllung nicht allein eine Frage des individuellen Erfolges ist, sondern auch in der sinnstiftenden Gestaltung der eigenen Begabungen für die Gemeinschaft liegt.
Der ignatianische Ansatz bietet wertvolle Impulse für das Coaching, indem er dem Klienten hilft, Klarheit über seine Werte, Ziele und Entscheidungswege zu gewinnen (Carey & Tran, 2023). Die zentrale Frage ist: Wofür lebe und arbeite ich?
Die Frage „Was ist mir wirklich wichtig?“ bildet dabei den Ausgangspunkt. Der Coach unterstützt den Klienten dabei, tiefere Beweggründe zu reflektieren und sich seiner Werte bewusst zu werden. Folgende Fragen bieten sich an, welche die innere Ausrichtung, Orientierung und Sicherheit für Entscheidungsfindungen unterstützen:
Anschließend reflektiert und analysiert der Klient – analog zur ignatianischen „Betrachtung der zwei Banner“ – seine verschiedenen Handlungsoptionen:
Die Betrachtung der „beiden Banner/Wege“ fördert bewusste, wertebasierte Entscheidungen und hilft, einen ethischen Standpunkt auszuprägen.
Der ignatianische Ansatz versteht den Menschen mit seiner Möglichkeit zu innerem Wachstum und Veränderung als eine Gesamtheit, die Denken, Fühlen, Spiritualität und Handeln miteinander verbindet. Gelingt das, können sich weitreichende Entwicklungen ergeben. Die Dimensionen dieser ignatianischen Sichtweise sind:
Kognitiv: Die Reflexion eigener Denkmuster hilft, hemmende Strukturen zu erkennen und neue Perspektiven zu gewinnen. So entstehen bewusstere Entscheidungen, die Orientierung und Stabilität bieten. Ignatius fordert in den Exerzitien dazu auf, sich die eigene Situation durch die „Schau der Einbildung“ (Ignatius, 2016, S. 26), die persönliche Vorstellungskraft, konkret vorzustellen und mit allen Sinnen zu betrachten.
Emotional: Gefühle sind Indikatoren für innere Stimmigkeit und helfen, Blockaden sowie innere Konflikte zu erkennen. Ignatius betonte die Bedeutung, emotionale Bewegungen wahrzunehmen, die letztlich zu mehr Leben und innerer Freiheit führen.
Spirituell: Im Zentrum steht die Aufgabe, die persönliche Lebensvision zu entdecken und bewusst anzunehmen – über pragmatische Ziele hinaus hin zu einer übergeordneten Perspektive. Die Grundfrage ignatianischer Spiritualität lautet: „Wozu bin ich geschaffen?“
Praktisch: Veränderung geschieht nicht allein durch Einsicht, sondern durch konkrete Umsetzung im Alltag – das Wort braucht das Werk. So betont Ignatius (2016, S. 71): „… dass die Liebe mehr in die Werke gelegt werden muss, als in die Worte.“
Ein wirksames Coaching integriert Reflexion als gedankliche und emotionale Resonanz, Ideen- sowie Lösungsentwicklung und praktische Umsetzung. Entscheidend ist, dass Einsichten nicht abstrakt bleiben, sondern in konkrete Handlungen überführt werden. Individuelle Werte, innere Bewegungen und persönliche Ziele stehen dabei im Mittelpunkt.
Durch gezielte Fragen zu kognitiven, emotionalen, visionären und praktischen Dimensionen werden Klienten bestärkt, ihre Erkenntnisse in konkrete Schritte zu übersetzen:
Auch im Coaching wird Veränderung als dynamischer, sich gegenseitig beeinflussender Prozess begriffen. Diese Auffassung bestärkt nicht nur das Bewusstsein für persönliche Entwicklung, sondern befähigt Klienten, Veränderungen aktiv und zielgerichtet umzusetzen. Veränderung ist kein einzelnes Ereignis, sondern ein fortlaufender Prozess, der neue Erkenntnisse und Herausforderungen integriert.
Der ignatianische Ansatz betont die Wechselwirkung zwischen Reflexion und Handeln. Seine Prinzipien bereichern heutige Coaching-Prozesse auch jenseits spiritueller Kontexte. Begriffe wie Lebensvision, innere Ausrichtung und Werteorientierung erhalten die Tiefe der Reflexion und ermutigen Klienten, über rein pragmatische Ziele hinauszudenken.
Ein Coach, der sich am ignatianischen Ansatz orientiert, verkörpert Offenheit, Aufmerksamkeit und Demut gegenüber dem Prozess. Er versteht, dass zentrale Einsichten im Coaching-Gespräch nicht erzwungen werden können, sondern sich eher von selbst einstellen. Insofern besteht die Aufgabe des Coachs darin, ein entsprechendes Umfeld zu schaffen, in dem das Nachspüren von Impulsen zur Orientierung und Erkenntnis möglich ist. Ein Coaching-Ansatz im ignatianischen Sinne legt besonderen Wert auf Präsenz und Wahrnehmung. Der Coach hält den Raum und folgt den Gedanken und Emotionen des Klienten.
So gesehen, zeichnet sich die Haltung des Coachs durch drei Dimensionen aus: Demut und Zurückhaltung, bedingungslose Zugewandtheit und Offenheit für das Schwebende im Prozess.
Ignatius betont in seinen Exerzitienanweisungen, dass der Begleiter nicht den Weg vorgibt. Vielmehr begegnen sich Exerzitiengeber und -nehmer auf Augenhöhe. Diese Haltung entspricht den Grundsätzen des systemischen Coachings:
Der Coach als Ermöglicher: Der Coach vertraut darauf, dass der Klient die Antworten bereits in sich trägt. Entscheidend ist ein hingewandtes aufmerksames Zuhören (als demütige Haltung) für verborgene Einsichten. Es gilt, Gedanken, Gefühle und Absichten des Klienten wahrzunehmen, um im Weiteren angemessen darauf einzugehen.
Die Kunst der Zurückhaltung: Tiefe Erkenntnisse brauchen Zeit und Raum. Der Coach widersteht dem Impuls, den Prozess zu beschleunigen, und schafft stattdessen einen Rahmen, in dem der Klient innere Bewegungen erkunden kann. Lösungen werden nicht erarbeitet, sondern entstehen im Prozess als „Findung.“
Demut bedeutet, die Freiheit des Klienten zu achten. Ignatius warnt vor gedanklicher Überformung: „Ich wäre langsam im Sprechen, würde beim Zuhören zu lernen suchen und bliebe dabei innerlich ruhig“ (nach Rahner, 1956, S. 312–313). Ein Coach, der diesem Prinzip folgt, muss seine eigenen Vorstellungen loslassen und sich ganz auf die inneren Bewegungen des Klienten einlassen. Das erfordert Selbstreflexion und die ständige Prüfung der eigenen Rolle.
Der ignatianische Ansatz fördert eine tiefgehende Begegnung – eine Haltung liebender Aufmerksamkeit, sich selbst und anderen gegenüber. Sie geht über bloße Präsenz hinaus und umfasst ein waches, nicht wertendes Wahrnehmen des Menschen in all seinen Facetten. Coaching erfordert je nach Situation gezielte Interventionen oder bewusstes Zurücktreten. Hierfür bietet der ignatianische Ansatz folgende Prinzipien:
Ignatius (2016) betont in seinen Schriften immer wieder die Bedeutung des genauen Abwägens von dem, was für Exerzitiennehmer von „Nutzen“ ist, und unterstreicht damit die Flexibilität und Anpassung an deren individuelle Situation. Ein Coach, der diese Haltung praktiziert, erkennt, wann gezielte (z.B. lösungsorientierte) oder offenere Methoden (z.B. die Arbeit mit Bildern) geeignet sind.
Der ignatianische Ansatz geht davon aus, dass Erkenntnis und Veränderung nicht unmittelbar herbeigeführt werden können, sondern vom Exerzitiennehmer schrittweise entdeckt werden. Ein Coach schafft daher v.a. einen Raum für Besinnung (Was ist dem Klienten wichtig? Was will sich zeigen?) und für Handeln (Wie lässt sich dies im Alltag umsetzen?), während er den Spannungsbogen zwischen beiden Haltungen aufrechterhält. Dazu braucht es:
Während heutige Coaching-Methoden eher auf schnelle Problemlösung und pragmatische Veränderungen setzen – was bei konkreten Herausforderungen hilfreich ist –, verfolgt der ignatianische Ansatz ein anderes Tempo. Er eignet sich besonders für Fragen nach Sinn, Lebensausrichtung oder tiefgreifenden Wandel. Insofern gilt es als Coach zu erkennen, welcher Ansatz je nach Anliegen am hilfreichsten ist.
Ignatianische Spiritualität und heutige Coaching-Ansätze weisen sowohl Gemeinsamkeiten als auch grundlegende Unterschiede auf. Während Coaching in erster Linie themen- und ergebnisorientiert ist, setzt der Ansatz nach Ignatius von Loyola auf transzendente Sinnstiftung und deren Verankerung in Hinsicht auf das Tätigsein im Alltag. Folgende Spannungsfelder lassen sich beschreiben:
Trotz bestimmter Unterschiede bietet die ignatianische Spiritualität für das heutige Coaching wertvolle Anknüpfungspunkte (Rothausen, 2017). Die Reflexionsmethoden des ignatianischen Ansatzes – insbesondere die Selbstprüfung und die Unterscheidung der Geister – lassen sich in säkularen Kontexten für Wertearbeit und Entscheidungsfindung adaptieren (Steinke, 2002). Während Coaching individuelle Entwicklung und pragmatische Lösungswege fokussiert, eröffnet die ignatianische Perspektive eine tiefe Reflexions- bzw. Kontemplationsebene, die über das Hier und Jetzt hinausweist.
Der Spannungsbogen beider Ansätze zeigt sich in ihrer Grundhaltung: Coaching setzt auf Selbstbestimmung und flexible Methodenwahl, während die ignatianische Tradition aus einer spirituellen Haltung und Sinnsuche schöpft. Eine fruchtbare Integration gelingt, wenn ignatianische Elemente psychologisch adaptiert werden – etwa durch Aufmerksamkeitspraxis, Sinn- und Orientierungsfragen oder wertebasierte Entscheidungsprozesse. Damit liegt der Mehrwert der ignatianischen Prinzipien im Coaching weniger in einer allzu direkten methodischen Anwendung als vielmehr in der besonderen inneren Haltung und Gestimmtheit des Coachs.
Der ignatianische Ansatz verändert Coaching nicht unbedingt grundlegend in methodischer Hinsicht, sondern bietet vielmehr die Möglichkeit, dieses tiefgreifender zu gestalten. Durch eine entsprechende Integration der Ansätze der Exerzitien kann Coaching nicht nur Orientierung in Veränderungsprozessen geben, sondern verweist darauf, dass persönliche Entwicklung nicht nur im Kontext von Gemeinschaft betrachtet werden sollte, sondern sich auch gar nicht aus ihr herauslösen lässt.