Beruf Coach

Was ist vom Online-Coaching zu halten?

3 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 06 | 2001

Der Coaching-Markt boomt immer mehr, leider eine Entwicklung mit Nebenwirkungen: Mittlerweile werden nahezu alle Formen von klassischer Beratung, Trainings, Schulungen und Seminaren von Anbietern jeglicher Art als "Coaching" neu vermarktet - von Esoterik-Angeboten und "Online-Coachings" ganz zu schweigen.  

Damit hier kein Missverständnis entsteht: es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn über das Internet Beratung und Hilfestellung gegeben wird ("Online-Coaching", "Cyber-Coaching", "Tele-Coaching" usw.), solange dies fundiert geschieht. Um ein eigenständiges Coaching handelt es sich dabei jedoch nicht, da eine trägfähige und professionelle Beratungsbeziehung zwischen Coach und Klient i.d.R. nicht gegeben ist.  

Coaching ist eine absichtlich herbeigeführte Beratungsbeziehung, deren Qualität durch Freiwilligkeit, gegenseitige Akzeptanz, Vertrauen und Diskretion zwischen den beteiligen Personen bestimmt wird. Diese tragfähige Beziehung ermöglicht es, Fragen zu klären, die ansonsten unausgesprochen bleiben. Oftmals handelt es sich hierbei um die "wunden Punkte", deren Bearbeitung einem "Gesichtsverlust" gleichkäme. Genau dieser "Gesichtsverlust" wird in einem guten Coaching verhindert. Daher kann an Themen gearbeitet werden, die oft jahrelang bzw. generell vernachlässigt oder verdrängt wurden und großes Optimierungspotenzial enthalten.  

Nun mag man entgegenen, auch beim "Online-Coaching" sei kein Gesichtsverlust zu befürchten, da der Klient ja weitgehend anonym bleiben könne. Dies ist richtig. Und es ist auch genau der Grund, aus dem ein Berater sich kaum in die Anliegen seines Klienten hereinversetzen kann, da die wenigsten tiefergehenden Probleme mit ein paar Absätzen erklärt werden können. Natürlich können in einigen Fällen ein paar Tipps per E-Mail oder über ein Forum dem Ratsuchenden weiterhelfen - um komplexere Probleme wird es dann aber wohl nicht gegangen sein. Dies lässt sich nicht ernsthaft als Coaching bezeichnen.  

Lassen professionelle Coachs also die Online-Welt links liegen? Gewiss nicht. So ist es z.B. im Rahmen eines laufenden Einzel-Coachings möglich, per Mobiltelefon kurzfristig und situationsbezogen aktuelle Anliegen des Gecoachten zu besprechen. Grundlage für eine vertrauensvolle Beratungsbasis bleibt dabei aber das persönliche Kennenlernen bzw. Gespräch. Im Sinne einer fundierten Beratung kann das Online- oder Tele-Coaching den direkten Kontakt nicht vollkommen ersetzen, es als eine sinnvolle Ergänzung zu verstehen ist jedoch allgemein akzeptierte Praxis.  

Fazit

Das Online-Coaching ist nicht als eigenständige Coaching-Variante, sondern als eine Hilfsform des Coachings zu betrachten, die isoliert eingesetzt kein Coaching darstellen oder ersetzen kann. Bei den momentan propagierten "Online-Coachings" handelt es sich daher bestenfalls um die digitale Variante der Leserbriefe. 

Empfehlung

Testen Sie anonym ein kostenloses "Online-Coaching" und bilden Sie sich eine eigene Meinung. Tipps und Anregungen können Sie so sicher erhalten. Komplexe Probleme lassen sich jedoch nicht per E-Mail aufarbeiten. Bevor Sie ein entsprechendes kostenpflichtiges Angebot erwägen, investieren Sie besser in ein gutes Buch.

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