Im Rahmen der Coaching-Marktanalyse 2022 (Rauen et al., 2022) wurden erneut valide Daten zum Coaching-Markt erhoben. Der vollständige Ergebnisbericht steht ab sofort allen Interessierten zur freien Verfügung und kann auf der Homepage der RAUEN GROUP kostenlos sowie ohne jede Zugangsbeschränkung heruntergeladen werden.
Welche Coaching-Varianten werden in welchem Umfang praktiziert? Welche Themen und Anliegen sind derzeit besonders häufig Gegenstand des Coachings? Welche Marketinginstrumente verwenden Coaches und wie erfolgreich sind sie damit? Der Ergebnisbericht liefert Antworten auf diese und weitere Fragen.
Die Entwicklung der Coaching-Honorare und die Einkommen der Coaches wurden ebenfalls in den Blick genommen. Der folgende Beitrag arbeitet die zentralen Ergebnisse dieses Teilaspekts der Analyse auf. Um die Kernpunkte vorwegzunehmen: Die Honorarsätze und Einkommen sind, nachdem dies bereits im Rahmen der Vorjahresanalyse (Rauen, 2021) der Fall war, im Schnitt nochmals gesunken. Allerdings ist anzumerken, dass nicht alle Coaches in gleichem Maße von dem Abwärtstrend betroffen sind. Dies hängt stark davon ab, zu welchem „Coach-Typ“ die betreffende Person zählt. Die gute Nachricht kann hingegen in dem Umstand gesehen werden, dass der durchschnittliche Coaching-Anteil am gesamten Bruttojahreseinkommen der Anbieter erneut gestiegen ist.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie hatten Coaches bereits ein deutliches Absinken ihrer Bruttojahreseinkommen zu beklagen. Lag der Gesamtdurchschnitt des Einkommens 2020 noch bei 105.261 Euro (Rauen, 2020), so fiel er im Jahr 2021 um 15,47 Prozent auf 89.045 Euro (Rauen, 2021). Anhand der Coaching-Marktanalyse 2022 sollte in Erfahrung gebracht werden, ob sich die negative Entwicklung fortsetzen oder sich eine Erholung der Situation einstellen würde. Festgestellt wurde letztlich ein weiteres Absinken der Einkommen, die nun im Schnitt bei 84.568 Euro liegen. Dies entspricht einem Rückgang von 5,03 Prozent gegenüber dem 2021 ermittelten Wert. Möchte man es zuversichtlich formulieren, könnte man resümieren, dass sich die Einkommen nicht mehr im „freien Fall“ befinden. Schließlich gestaltet sich der erneute Rückgang deutlich weniger drastisch als jener, der von 2020 auf 2021 stattfand. Von einem fortgesetzten Abwärtstrend, wenn auch in abgeschwächter Form, kann dennoch gesprochen werden (siehe Abb.).
Ein negativer Trend ist auch mit Blick auf das durchschnittliche Honorar pro Stunde nicht zu übersehen: Nachdem es 2020 noch bei 177,60 Euro lag, sank es bereits 2021 auf 174,83 Euro. 2022 fiel das durchschnittliche Honorar nochmals auf nunmehr 164,65 Euro pro Stunde, was einer Reduktion von 5,83 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Die dargestellten Durchschnittwerte lassen erkennbar werden, dass sich die wirtschaftliche Situation vieler Coaches weiter verschlechtert hat. Jedoch ist an dieser Stelle zu bedenken, dass es sich um Werte handelt, die sich auf die Gesamtheit der Coaches beziehen. Nimmt man eine Differenzierung nach „Coach-Typen“ vor, wird klar, dass nicht alle Coaches gleichermaßen vom Abwärtstrend betroffen sind. Einige Coaches verzeichnen sogar eine positive Einkommensentwicklung, während andere besonders starke Einbußen hinzunehmen haben. Illustriert sei dies anhand der folgenden Beispiele (eine vollständige Aufschlüsselung für alle „Coach-Typen“ liefert die Tabelle):
Die stärkste negative Entwicklung verzeichnet die Gruppe der teilweise angestellten, teilweise selbständigen Coaches. Ihr Einkommen sank auf 66.032 Euro (2021: 87.484 Euro; 2020: 86.240 Euro). Dies entspricht einem Rückgang von 24,52 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch deutlicher sank das durchschnittliche Stundenhonorar in dieser Gruppe. Es fiel um 33,71 Prozent auf 103,88 Euro (2021: 156,70 Euro; 2020: 140,76 Euro). Das ist erstaunlich, da Coaches dieser Gruppe noch 2021 aufgrund gestiegener Einkommen und Honorare als „Krisengewinner“ bezeichnet werden konnten (Rauen, 2021).
Obwohl die Datenbasis dieser Gruppe gering ausfällt, die Ergebnisse also vorsichtig zu interpretieren sind, kann die Entwicklung selbständiger Coaches mit freien Mitarbeitern hingegen als positiv bezeichnet werden: Sie konnten ihr Jahreseinkommen mit 138.500 Euro (2021: 120.588 Euro; keine Daten aus 2020 verfügbar) signifikant ausbauen. Damit sind sie die Spitzenverdiener unter den Coaches. Hinsichtlich der Entwicklung ihres Stundenhonorars stechen sie jedoch nicht positiv heraus. Dieses verringerte sich um 12,14 Prozent und liegt nun bei 209,29 Euro (2021: 238,21 Euro). Hiermit bewegt sich ihr Honorar allerdings noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt aller Coaches.
Bemerkenswert ist darüber hinaus die Entwicklung der Coaches, die Mitglied in einem Coaching-Verband sind. War auch ihr Bruttojahreseinkommen von 2020 auf 2021 deutlich gefallen, haben sie es nun geschafft, diese negative Entwicklung ein gutes Stück weit zu egalisieren. So stieg das durchschnittliche Honorar in dieser Gruppe auf 100.758 Euro. Sie nähern sich damit wieder dem 2020 gemessenen Wert von an 110.377 Euro an (2021: 91.996 Euro) und können der Branche damit ein mutmachendes Signal senden.
Coach-Typ | Bruttojahreseinkommen insgesamt [in €] | Coaching-Anteil am Bruttojahreseinkommen [in %] | Honorar pro Zeitstunde: netto [in €] |
---|---|---|---|
Selbständig mit eigenen fest angestellten Mitarbeitern* | 132.818 2021: 162.111* 2020: 176.564 | 37,22 2021: 32,65* 2020: 33,19 | 256,67 2021: 224,41* 2020: 240,07 |
Selbständig mit freien Mitarbeitern | 138.500 2021: 120.588** | 50,75 2021: 45,24** | 209,29 2021: 238,21** |
Solo-Selbständig/ Freiberufler insgesamt | 77.218 2021: 79.259 2020: 98.768 | 47,91 2021: 42,47 2020: 29,27 | 163,48 2021: 169,52 2020: 176,72 |
Solo-Selbständig/ Freiberufler, 100 % berufstätig | 93.426 2021: 88.767 2020: 120.960 | 48,79 2021: 39,94 2020: 41,62 | 172,98 2021: 186,20 2020: 184,27 |
Solo-Selbständig/ Freiberufler, <50 % berufstätig | 44.436 2021: 49.090 2020: 48.333 | 44,18 2021: 42,05 2020: 39,88 | 139,26 2021: 149,57 2020: 162,66 |
Teilweise angestellt, teilweise selbständig | 66.032 2021: 87.484 2020: 86.240 | 26,85 2021: 27,80 2020: 27,27 | 103,88 2021: 156,70 2020: 140,76 |
Angestellter in einem Beratungs-/Coaching-Unternehmen* | 53.580 2021: 61.685* 2020: 69.750 | 68,45 2021: 78,75* 2020: 37,82 | 129,00 2021: 115,00* 2020: 124,83 |
Coach mit >15 Jahren Coaching-Erfahrung | 102.847 2021: 104.623 2020: 136.282 | 46,05 2021: 40,07 2020: 41,79 | 193,59 2021: 198,72 2020: 214,53 |
Coach mit ≤5 Jahren Coaching-Erfahrung | 66.441 2021: 72.656 2020: 74.394 | 35,28 2021: 36,64 2020: 29,57 | 130,30 2021: 142,47 2020: 134,49 |
Coach in einem Coaching-Verband | 100.758 2021: 91.996 2020: 110.377 | 41,39 2021: 37,53 2020: 37,91 | 180,25 2021: 181,58 2020: 184,34 |
Coaches ohne Verbandsmitgliedschaft | 78.197 2021: 85.664 2020: 98.694 | 46,25 2021: 42,40 2020: 36,47 | 152,18 2021: 165,85 2020: 167,05 |
Frauen | 77.200 2021: 83.354 2020: 97.600 | 46,76 2021: 41,86 2020: 39,91 | 156,89 2021: 175,22 2020: 169,95 |
Männer | 97.181 2021: 98.718 2020: 116.088 | 38,19 2021: 34,85 2020: 33,70 | 184,51 2021: 175,51 2020: 189,67 |
Gesamtdurchschnitt | 84.568 2021: 89.045 2020: 105.261 | 43,77 2021: 39,28 2020: 37,20 | 164,65 2021: 174,83 2020: 177,60 |
Tabelle: Einkommen und Honorar in Abhängigkeit vom Coach-Typ
*Geringe Fallzahl, Daten sind nur Tendenzaussage **Keine Vergleichsdaten aus 2020 verfügbar
2020=RAUEN Coaching-Marktanalyse 2020 (Rauen, 2020); 2021=RAUEN Coaching-Marktanalyse 2021 (Rauen, 2021)
Hier können Sie die Tabelle als PDF downloaden.
Während das Durchschnittseinkommen und der durchschnittliche Stundensatz fallen, steigt der durchschnittliche Coaching-Anteil am Bruttojahreseinkommen signifikant. Nachdem er bereits 2021 auf 39,28 Prozent (2020: 37,20 Prozent) angewachsen war, beträgt er nun 43,77 Prozent. Diese Entwicklung trifft nicht nur auf die Gesamtheit der Coaches, sondern auch auf die überwiegende Mehrheit der einzelnen „Coach-Typen“ zu (siehe Tabelle).
Ein Grund für den wachsenden Anteil des Coachings am Gesamteinkommen der Anbieter könnte darin liegen, dass sich Coaching im Vergleich zu anderen von den Befragten angebotenen Dienstleistungen einfacher im Online-Setting umsetzen lässt (siehe auch Rauen, 2021), das mit der Pandemie und den damit verbundenen Präsenz-Hemmnissen erheblich an Relevanz gewonnen hat. Tatsächlich konnte das Online-Coaching via Videokonferenz-Systeme 2022 zu einem weiteren Sprung ansetzen. Im Mix der praktizierten Coaching-Formate macht es nun 45 Prozent aus (2021: 37,11 Prozent; 2020: 7,70 Prozent) und übertrumpft damit derzeit das Präsenz-Coaching (persönliches Gespräch), das auf 44,01 Prozent fiel. Mit dem aktuellen „Online-Boom“ könnten auch die gesunkenen Honoraren in Verbindung gebracht werden, denn aufgrund wegfallender Fahrt- und Raumkosten kann das Online-Coaching potenziell günstiger angeboten werden als viele Präsenz-Coachings (siehe auch Geißler, 2020). Ob dies auch wirklich der Fall ist, kann jedoch nicht beantwortet werden.
Wenngleich die durchschnittlichen Stundenhonorare und Einkommen der Coaches nochmals gefallen sind, kann mit vorsichtiger Zuversicht in die Zukunft geblickt werden. Der extreme Absturz der Bruttojahreseinkommen, der von 2020 auf 2021 stattfand, hat sich in dieser Ausprägung nicht fortgesetzt. Wie die Tabelle zeigt, gab es in bestimmten Untergruppen sogar positive Entwicklungen. Auch eine relative Stabilisierung der durchgeführten Coaching-Fälle pro Jahr – in etwa auf dem Niveau des Vorjahres – kann als positives Zeichen gewertet werden.
Zu bedenken ist zudem, dass auch während des Erhebungszeitraumes zur Coaching-Marktanalyse 2022 durchaus noch Präsenz-Hemmnisse bestanden. Wie sich die Einkommens- und Honorarentwicklung „nach Corona“ gestalten wird, werden daher erst die zukünftigen Erhebungen zeigen.
Aus Branchensicht ist der weiter wachsende Anteil des Coachings am Gesamteinkommen der Befragten positiv zu bewerten. Die Dienstleistung Coaching scheint sich – trotz der auch hier zweifelsohne harten pandemiebedingten Einbußen – noch als vergleichsweise „krisenfest“ zu erweisen, da sich viele Coachings auch im Online-Setting umsetzen lassen. Bereits im Rahmen der Marktanalyse 2021 wurde gefolgert, dass der Absturz der Gesamteinkommen zu nicht unwesentlichen Anteilen aus Einbußen im Bereich anderer von den Befragten angebotener Leistungen resultiert (Rauen, 2021). Dieser Eindruck besteht auch 2022 fort.