„Ein Vorgesetzter muss heute eher ein Coach sein“

22.02.2013

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten zu arbeitsbedingten Stresskrankheiten und Personalausfällen führte die Online-Redaktion der Tagesschau ein Interview mit dem Industrie- und Techniksoziologen Prof. Dr. Günter Voß (Technische Universität Chemnitz). Dieser stellt das Problem in einen engen Zusammenhang mit der aktuellen Führungskultur in Deutschland.

Stress im Beruf verbunden mit psychischen Folgen bis hin zu Burn-out ist derzeit ein viel betrachtetes Thema in den Medien. Auslöser und mitverantwortlich für die breite Berichterstattung ist u.a. der kürzlich veröffentlichte „Stressreport 2012“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Darin heißt es, dass vergleichend zum Stressreport 2006 keine Entwarnung geben kann, „denn die Anforderungen aus Arbeitsinhalt und -organisation befinden sich z.T. auf hohem Niveau.“

Vor diesem Hintergrund führte tagesschau.de Ende Januar 2013 ein Interview mit dem Soziologen Prof. Dr. Günter Voß, Soziologe an der Technischen Universität Chemnitz, der das Problem in einen engen Zusammenhang mit falscher Führungsarbeit stellt. Voß meint, dass die Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten hin zu einer Intensivierung von Arbeitsinhalten bei gleichzeitiger Kürzung von Arbeitsstellen und -zeitrahmen keine überraschende, sondern geradezu eine „konventionelle Weiterentwicklung“ gewesen sei. Das Problem der daraus resultierenden Mitarbeiterbelastungen liege darin, dass mit diesem Fortschritt fehlerhaft umgegangen werde – vor allem auf den Führungsebenen. Der Arbeitnehmer hat heute prinzipiell mehr Freiräume durch offenere Arbeitsstrukturen, trage demgegenüber aber auch mehr Verantwortung. Wer in diesem veränderten Arbeitsrahmen nicht auch ausreichend Verantwortung gegenüber sich selbst zeigt, kann schnell zu „Selbstausbeutung“ neigen, denn „Vorgesetzte sagen oft nicht mehr: ‘Das war gut, es reicht jetzt, mach Feierabend.‘“, so Voß.

Eine den veränderten Arbeitsbedingungen angepasste Führungskultur müsse daher Verantwortung gegenüber geführten Mitarbeitern übernehmen und diese vor Überlastungen schützen. „Ein Vorgesetzter muss heute eher ein Coach sein, ein Mentor, vielleicht auch ein Puffer der Mitarbeiter gegenüber Überlastungsdrohungen. Und ich beobachte oft, dass Vorgesetzte diese veränderte Aufgabe nicht wahrnehmen.“, sagt Voß weiter.

Durch die zunehmenden öffentlichen Debatten zu Burn-out und psychisch bedingten Krankheitsfällen sieht der Soziologe aber auch eine steigende Bewusstwerdung des Problems in Betrieben und Unternehmen. Da der Druck auf die Unternehmen und Betriebe immer größer werde, fangen diese an, „zu lernen, dass sie ihre Leute nicht einfach wie Zitronen auspressen können.“ (aw)

Zum tagesschau-Interview mit Prof. Voß:
www.tagesschau.de/inland/interviewvoss100.html

Zum „Stressreport 2012“:
www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.html;jsessionid=9187B5657E0A597A98F52ABE490D7280.1_cid380

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