Wie passen Arbeit und Leben zusammen?

17.08.2011

Interdisziplinäres Forschungsprojekt zum Thema „Work-Life-Balance“.

„Die Frage, wie man ‚gut‘ arbeiten und dabei auch noch ‚gut‘ leben kann, ist aktueller denn je und sie stellt sich nicht mehr ‚nur‘ erwerbstätigen Frauen, sondern auch vielen Männern.“ In dem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt „Lanceo – balanceorientierte Leistungspolitik“ untersucht ein interdisziplinäres Forschungsteam, wie betriebliche Anforderungen und die Ressourcen und Bedürfnisse der individuellen Beschäftigten besser miteinander in Einklang gebracht werden können. „Lanceo“ hat nun eine erste Trendanalyse auf der Basis einer Online-Befragung von Beschäftigten („Balance-Check“) und qualitativer Interviews mit Experten („Trend-Scout“) vorgelegt.

Das Verhältnis von Erwerbsarbeit und Privatleben wird von den befragten Berufstätigen („Balance-Check“) nicht nur als konfliktreich, sondern auch als bereichernd erleben. Die Bereicherungen werden insgesamt sogar stärker wahrgenommen als die Konflikte. Während sich Arbeit und Privatleben gegenseitig gleich stark bereichern, werden negative Auswirkungen insbesondere von der Erwerbsarbeit auf das Privatleben wahrgenommen. Ein genauerer Blick auf die negativen Auswirkungen der Erwerbsarbeit auf das Privatleben zeigt, dass es sich dabei keinesfalls nur um zeitbasierte Konflikte handelt. Es sind oft beanspruchungsbasierte Konflikte (z.B. Erschöpfung).

Galt lange Zeit die Vereinbarkeitsproblematik von Erwerbsarbeit und Privatleben vor allem als Problem erwerbstätiger Mütter – resultierend aus der Mehrfachbelastung von Beruf, Familie und Haushalt – finden die Forscher heute keine Signifikanz mehr für persönliche Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Kinder. Ein Zusammenhang zeigt sich allerdings zu den Arbeitsbedingungen – konkret der Häufigkeit von ungeplanten Arbeitsunterbrechungen: Je weniger planbar die Arbeit ist, desto weniger stabil ist auch das Verhältnis von Erwerbsarbeit und Privatleben. Und das hat Auswirkungen: Je höher das Maß an Konflikten ist, desto geringer wird die Lebenszufriedenheit und desto weniger werden Beschäftigte den Erwartungen in Arbeits- und Privatleben gerecht – und umgekehrt.

Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftigten nehmen nach einvernehmlicher Meinung der betrieblichen Experten („Trend-Scout“) ständig zu. Unstrittig ist in deren Augen auch, dass die Work-Life-Balance der Beschäftigten zunehmend zum Problem wird: für diese selbst, aber auch für die Unternehmen. Doch den Zusammenhang zwischen betrieblicher Leistungspolitik einerseits und der Work-Life-Balance der Beschäftigten andererseits sehen sie nicht. Die Spielräume zur Gestaltung der betrieblichen Leistungspolitik werden eh als nicht besonders groß eingeschätzt.

Klassische Instrumentarien zur Begrenzung des Leistungsdrucks (z.B. Arbeitszeitpolitik) laufen inzwischen offenbar ins Leere. Die Beschäftigten werden stattdessen zum Selbstmanagement systematischer Überlastung gezwungen; und so oft mit dem Problem alleine gelassen. Zugleich versucht man in manchen Branchen, und in manchen auch schon länger, dieses „Selbstmanagement“ mittels leistungs- und/oder erfolgsorientierten Entgeltsystemen zu forcieren. Doch inzwischen treten die Folgeprobleme solcher (neuer) Leistungspolitik deutlich hervor: Nicht nur gesundheitliche (insbesondere psychische) Belastungen und Demotivation, sondern auch Fehlsteuerungen des Verhaltens von Beschäftigten finden sich offenbar nicht selten. Einige Unternehmen rudern daher schon wieder zurück – ohne dass man eine eindeutige Alternative zur Problemlösung anbieten könnte.

In der klassischen Wahrnehmung hatten nicht die Betriebe ein Problem mit der Work-Life-Balance, sondern die Beschäftigten. Die dreht sich jetzt um 180 Grad, denn bei dünner Personaldecke und geringen zeitlichen Spielräumen wird es dort schnell „eng“. Zudem droht schon unmittelbar der „demografische Faktor“. In der Konkurrenz um gesuchte Arbeitskräfte (Stichwort: Fachkräftemangel) sehen die Unternehmen inzwischen Maßnahmen zur Work-Life-Balance als wichtiges Marketingargument. Die Forscher halten sich mit einer Wertung zurück, doch wird deutlich, dass der Verweis auf Betriebskindergärten und familienfreundliche Arbeitszeiten beim Thema Work-Life-Balance heute schon nur noch Makulatur ist. Die Unternehmen und die Gesellschaft werden schnell und radikal umdenken müssen. (tw)

Weitere Informationen:
www.lanceo.de/files/lanceo_brosch__re_lay_v3_downloadversion.pdf

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