Selbstständige sind anders

02.05.2011

Repräsentative Studie zur Persönlichkeit des Unternehmers.

In hoch entwickelten Wirtschaften wie den USA, Schweden oder Deutschland sind nur zehn Prozent der Arbeitenden selbstständig. Nur eine von hundert Erwerbspersonen wagt jedes Jahr den Schritt in die Selbstständigkeit. Braucht unsere Wirtschaft nicht mehr von ihnen? Sind sie nicht der Motor für wirtschaftliches Wachstum? Woran liegt die geringe Quote, am Umfeld oder an den Personen?

Bisherige Studien haben gezeigt, dass Selbstständige sich in Bezug auf Alter, Bildung, Berufserfahrung und elterliche Prägung von anderen Erwerbstätigen unterscheiden. Welche Persönlichkeitsfaktoren spielen aber eine Rolle, ob einer zum Entrepreneur wird und auch erfolgreich im Markt bleibt? Allgemein unterstellt man Unternehmern gerne, besessen zu sein von ihrer Geschäftsidee, Schwierigkeiten und Rückschläge sollen sie leicht wegstecken und eher dazu neigen, riskante Entscheidungen zu treffen als der Durchschnittsmensch. Aber auch Selbstüberschätzung und Geldgier wird bei ihnen gerne vermutet.

Die Forscher Dr. Marco Caliendo (IZA Bonn), Prof. Dr. Frank M. Fossen (DIW Berlin) und Prof. Dr. Alexander Kritikos (DIW Berlin und Universität of Potsdam) nutzten die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Dies ist eine seit 1984 jährlich durchgeführte repräsentative Befragung von zurzeit über 20.000 Menschen in Deutschland für ihre Untersuchung.

Methodisch nutzten die Forscher das sogenannte Fünf-Faktoren-Modell (FFM) der Persönlichkeitspsychologie (emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit). Als weitere selbstständigkeitsrelevante Eigenschaften untersuchten sie den Grad der Risikobereitschaft, die Bereitschaft, anderen zu vertrauen, die Fähigkeiten, Geduld aufzubringen oder impulsive Entscheidungen zu treffen sowie die Stärke der internalen und der externalen Kontrollüberzeugung.

Die Ergebnisse sind deutlich und repräsentativ: Selbstständige unterscheiden sich in vielen Eigenschaften von abhängig Beschäftigten, so die Forscher. Sie sind (im Durchschnitt und bezogen auf die Standardabweichung)

  • offener für Neues – um etwa 36 Prozent;
  • extrovertierter – um etwa 21 Prozent und
  • risikofreudiger – um etwa 40 Prozent – als die Angestellten.
  • Auch eine klare Neigung zu internaler im Gegensatz zu externaler Kontrollüberzeugung ist bei den Selbstständigen zu beobachten.

Offenheit für Erfahrungen hilft, neue Ideen oder innovative Produkte oder Prozesse umzusetzen. Extraversion vereinfacht den Umgang mit den Kunden, Lieferanten, den möglichen Kapitalgebern, Partnern und Angestellten. Ein hoher Wert in internaler Kontrollüberzeugung ermöglicht es den Selbstständigen, ihre unternehmerischen Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen und damit gewissermaßen entscheidungsfähig zu sein. Risikobereitschaft, in Kombination mit emotionaler Stabilität, hilft, in unsicheren Entscheidungssituationen Entscheidungen zu treffen und durchzuhalten.

All zu platt darf man sich die Zusammenhänge allerdings nicht vorstellen: Auch wenn Selbstständige insgesamt risikobereiter sind als andere Erwerbspersonen, so ist der Zusammenhang komplizierter: Sehr risikoscheue oder sehr risikofreudige Selbstständige geben ihre Selbstständigkeit eher wieder auf. Eine mittlere Risikoeinstellung als Unternehmer hingegen ist förderlich.

Die entsprechend niedrigeren Werte im Faktor Verträglichkeit dürften die Selbstständigen übrigens besser in die Lage versetzen, Verhandlungen zum eigenen Vorteil zu führen. Andere Merkmale wie Geduld und Impulsivität zeigen sich dagegen als weniger wichtig für die Selbstständigkeit.

„Wir gehen davon aus, dass es mehr Menschen gibt, die sich für die Selbstständigkeit eignen. Viele Menschen sind sich wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass sie über ein Persönlichkeitsprofil verfügen, welches sie auch zu einem Selbstständigen machen könnte“, äußert sich Professor Dr. Alexander Kritikos gegenüber der DIW-Wochenschau. Eine Analyse des Persönlichkeitsprofils mit entsprechendem Feedback über die gefundenen Stärken und Schwächen und ein darauf abgestimmtes Coaching kann die Erfolgschancen von Existenzgründungen im Vergleich zu einer standardisierten Beratung signifikant verbessern, resümieren die Autoren. (tw)

Weitere Informationen:
www.ftp.iza.org/dp5566.pdf

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