Der Schweizerische Coaching-Markt 2010 aus der Sicht von Coaches

13.11.2011

2. Marktumfrage des Departements Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Nach dem Auftakt in 2009 (wir berichteten) wurde die Umfrage von Dr. Christine Seiger und Prof. Hansjörg Künzli von der Deutschschweiz auf die gesamte Schweiz erweitert und in drei Sprachen durchgeführt. Dadurch wuchs die Stichprobe: Gegenüber 92 im letzten Jahr konnten die Forscher nun die Antworten von 207 Coaches (davon 58 % Frauen) auswerten.

Coaches wurden zum Coaching-Markt in der Schweiz befragt, dabei wurden die meisten Fragen der letzten Studie übernommen, um Veränderungen nachzuzeichnen. Schwerpunkt der aktuellen Untersuchung war die Frage, ob Coaching aus der Sicht von Coaches auch Risiken und unerwünschte Wirkungen haben kann. Die Befragung wurde im Februar 2011 online durchgeführt. Die 38 Fragen bezogen sich auf das Jahr 2010.

Ein durchschnittlicher Coach ist 49 Jahre alt und blickt (bei großer Streuung) auf rund acht Jahre Berufserfahrung als Coach zurück. Die meisten Befragten wohnen im Kanton Zürich. Coaching ist für Coaches – das zeigten auch schon andere Befragungen – eine Nebentätigkeit: Der durchschnittliche Anteil von Coaching an der Gesamttätigkeit liegt bei 30 Prozent. Die befragten Coaches begleiteten 2010 durchschnittlich zwölf (abgeschlossene) Einzel-Coaching-Prozesse. Daneben sind die meisten Befragten (Mehrfachnennung) in Training und Weiterbildung (57,3 %), Teamentwicklung (49,4 %) und Organisationsberatung (41,5 %) tätig. Psychotherapie ist unter den teilnehmenden Coachs kaum verbreitet. Unter „sonstigen Tätigkeiten“ wurden beispielsweise Führung und Qualitätsmanagement genannt.

Die befragten Coachs sind hoch qualifiziert: 83,4 Prozent weisen einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss auf. Nur 4,1 Prozent verfügt nicht über eine spezifische Coaching-Ausbildung. Und nach der Basisausbildung zum Coach haben 73,3 Prozent der Befragten eine weitere Coaching-relevante Weiterbildung absolviert. 74,6 Prozent der Befragten wünschen sich (sehr) einen Titelschutz.

Das Angebot der Coaches variiert erheblich und scheint immer flexibler zu werden. 70 Prozent coachen Menschen im Berufskontext (Führungskräfte, Projektleitung etc.), 36 Prozent bieten Life-Coaching an, elf Prozent Gesundheits-Coaching und 18 Prozent nannten weitere Arten von Coaching, zum Beispiel Strategieentwicklung oder Workshop-Moderationen. 37,6 Prozent der Befragten sind auf bestimmte Anlässe, Themen oder Personengruppen spezialisiert. Die Klienten sind nahezu gleich oft männlich oder weiblich und kommen aus den unterschiedlichsten Branchen sowie Führungs-und Funktionsebenen.

Fast alle befragten Coaches (90,9 %) bieten Einzel-Coachings an, die Hälfte davon (51,8 %) mit mindestens 80 Prozent fast ausschließlich. 63,4 Prozent der Befragten coachen auch Gruppen. Doch bei lediglich 1,2 Prozent macht das mehr als 80 Prozent der Coaching-Aufträge aus. Neben „klassischem“ Face-to-face-Coaching ist (bei Mehrfachnennung) Telefon-Coaching weit verbreitet (49,4 %). Auch Online-Coaching wird angeboten (15,2 %). Als weitere Settings wurden beispielsweise Outdoor-Coaching oder – am häufigsten – Coaching über Skype genannt, wobei dieses auch als eine Mischung aus Online- und Telefon-Coaching betrachtet werden kann. Bei den Methoden überwiegt nach wie vor die systemische und lösungsorientierte Ausrichtung.

Ein durchschnittliches Coaching dauert acht Sitzungen à 82 Minuten und kostet 203 CHF pro Stunde (164 Euro), insgesamt also 2.219 CHF oder 1.792 Euro. Bei zwölf Coaching-Prozessen verdienten die Coaches also durchschnittlich rund 26.628 CHF oder 21.504 Euro im Jahr 2010 mit Coaching.

Im Coaching werden mögliche Risiken und unerwünschte Wirkungen bislang von der Wissenschaft vernachlässigt, so die Forscher. In einer offenen Frage wollten sie wissen, was Coaches unter einem „Misserfolg“ im Coaching verstehen. Die Antworten lassen sich grob in sieben Kategorien einteilen:

  • Keine Zielerreichung (die mit Abstand am häufigsten genannte Antwort: 36 %)
  • Abbruch des Coachings
  • Misserfolg gibt es nicht oder er ist eine Lernchance
  • Coaching-Kompetenz unzureichend
  • Beziehungsaufbau nicht möglich
  • Coach und Klient haben andere Vorstellungen vom Coaching-Prozess
  • Systembedingte Grenzen

Die Forscher wollten außerdem wissen, ob die Coaches es für möglich halten, dass Coaching unerwünschte Wirkungen haben kann. 59,8 Prozent halten dies für möglich. Unter den Beispielen wurde am häufigsten (10 %) eine problematische Beziehung zwischen Coach und Klient genannt. Daneben halten es acht Prozent für möglich, dass Coaching als falsche Maßnahme angewendet wird, während 7,6 Prozent annehmen, dass Neuerkenntnisse der Klient(inn)en durch das Coaching entweder zu Schwierigkeiten im sozialen Umfeld oder einer beruflichen Neuorientierung führen oder weitere oder größere Probleme auslösen können. Die Hälfte (52,4 %) hat noch keine „Nebenwirkungen“ beobachtet.

Wie schätzen die befragten Coachs die Entwicklung des Coaching-Markts ein? Im Jahr 2010 verzeichneten lediglich 15,9 Prozent einen Nachfrageeinbruch, 40,9 Prozent der Coaches gleich viele Sitzungen wie im Jahr zuvor, 43,2 Prozent berichten sogar einen Nachfragezuwachs. Für die Zukunft rechnen 47,4 Prozent mit einer erhöhten Nachfrage, während nur 3,8 Prozent annehmen, dass die Nachfrage sinken wird (gleichbleibend: 48,9 %). Coaching scheint also weiter zu boomen.

Die Studie wurde außerdem von der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), dem Berufsverband für Supervision, Organisationsberatung und Coaching (BSO) sowie den Schweizer Sektionen des European Mentoring and Coaching Council (EMCC) und der International Coach Federation (ICF) unterstützt. Sie soll weiterhin regelmäßig durchgeführt werden, um Entwicklungen zu beobachten. (tw)

Weitere Informationen:
www.psychologie.zhaw.ch
www.pd.zhaw.ch/hop/544183222.pdf
www.coaching-report.de/news.php?id=838

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