Stärken stärken und in sich neue Bilder finden

08.11.2010

Ende Oktober fand in Heidelberg der 2. Kongress „Mentale Stärken“ statt.

Bernhard Trenkle, der Leiter des Milton-Erickson-Instituts in Rottweil, brachte nach 2007 zum zweiten Mal rund 50 hochkarätige internationale Experten aus verschiedensten Bereichen zu einem interdisziplinären Kongress zusammen, der über 1.300 Gäste begeisterte. Trainer, Coachs und Therapeuten unterschiedlicher Ausbildung referierten im prächtigen Rahmen der alten Stadthalle Heidelbergs über die Leistungsförderung in Sport, Schule, Rehabilitation, Musik, Politik und in Unternehmen: Jan Blecharz, der den Weltklasse-Skispringer Adam Malyz betreute, Bruno Hambüchen, der Mental-Coach von Fabian Hambüchen, Ortwin Meiss, Mental-Coach für viele Fußball-Bundesligaclubs, Kris Klajs, der Coach von Lech Walensa, Eberhard Hauser, Coach für Entscheidungsträger aus dem Wirtschaftsleben, und andere widmeten sich hauptsächlich einem gemeinsamen Thema: „Stärken stärken“ und „in sich neue Bilder finden“.

Referenten und Tagungsteilnehmer vereinte der Glaube, dass jeder die Ressourcen in sich hat, die er braucht, um seine Probleme zu lösen. Der Besucher lernte auf unterschiedliche Weise, dass er weder das Opfer seiner Vergangenheit noch der scheinbar äußeren Zwängen seiner Gegenwart sein muss, sondern „selbstwirksam“ sein Schicksal autonom gestalten kann. Der Mensch muss nicht seinen eigenen Einbildungen über die Zukunft erliegen, sondern kann sich mit Hilfe professioneller Unterstützung aus scheinbar ausweglosen „Problemtrancen“ befreien.

„Wenn etwas nicht funktioniert, probiere einfach etwas anderes“, so ein gemeinsames Credo der Referenten. Jeder kann seine eigene „Wirklichkeitskonstruktion“ in Frage stellen. So wird der Fokus der Wahrnehmung auf die Stärken gelenkt, dort wo die Ausnahmen vom Problem und die Ressourcen sind, wo man etwas gut macht(e): einfach mehr davon!

So zeigte Ortwin Meiss am Beispiel von Oliver Kahn eindrucksvoll, wie weit so eine Wirklichkeitskonstruktion führen kann. Der anfänglich von Bananenwürfen und Affengeräuschen motivierte Bayern-München-Torwart konnte nach seinem Imagewechsel mit den Umarmungen und dem Beifall seines Publikums gar nicht mehr umgehen und verlor auf diese Weise sogar vorübergehend seine Motivation. Die Gelegenheit für einen guten Mental-Coach zur „Umprogrammierung“.

Sich zu dem „inneren Kritiker einen Gegenspieler zu schaffen“, sich positive Bilder von sich selbst vorzustellen, diese größer werden zu lassen und das „Lachen dazu anzuwärmen“, ist der Beratungsansatz von Bernhard Jacob und Markus Bach in ihrem „Marte-Meo-Coaching“. Mit einer Videokamera fangen sie in Beratungssituationen gelungene Kommunikationssequenzen ein, verstärken in einer detaillierten Interaktionsanalyse positive Beispiele und „schenken“ so mit kraftvollen Bildern und „guten Gesichtern“ ein unterstützendes Update der eigenen Persönlichkeit.

Auch Gunther Schmidt bewies sehr anschaulich, wie nützlich eigene Bilder bei Vorträgen sein können. Der Pionier des hypno-systemischen Beratungsansatzes löste sein Problem, dass er eigentlich vor so vielen Menschen gar nicht reden kann, indem er sich eine Familienfeier vorstellt, auf der er locker und ungezwungen aus seinem Berater- und Therapeutenleben erzählt. Er machte das in seinem Vortrag so humorvoll und geistreich, dass der anwesende Kabarettist Eckart von Hirschhausen bestimmt die ein oder andere Pointe in sein nächstes Programm übernehmen wird. Ja, auch das war auffällig: Auf diesem Kongress wurde sehr viel gelacht. Das schaffte Leichtigkeit und ebenso die demütige Einsicht von Gunther Schmidt, dass man doch immer nur mit „der neugierigen Haltung des Feldforschers im Meer der Ungewissheit surfe“.

Das Lachen als wahrlich mitreißender Beratungsansatz beherrschte auch Ben Furman in Vollendung. Als Moderator einer eigenen Talkshow im finnischen Fernsehen und als einer der Direktoren des Helsinki-Kurzzeittherapie-Instituts konnte er sehr humorvoll mit seinem Ansatz als Unternehmensberater überzeugen. Da Menschen das „blamestorming“ lieben, also eher dazu neigen sich gegenseitig anzuklagen, lädt er zu einem wertschätzenden Umgang mit Kollegen ein. Zuhören können, verstehen und sich entschuldigen lernen, das versöhnt und bringt Konstruktives.

Es gab aber auch Strategie-Beratungstipps auf diesem Kongress. Der Executive-Coach Eberhard Hauser ermutigte zu mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit der Chefetage. Dort fühle man sich gar nicht so mächtig, eher als Gefangene der eigenen Situation. Die Mächtigen lebten in einer sehr begrenzten Welt, hätten wenig Spaß und fühlten sich meist einsam.

Um überhaupt einen Auftrag zu bekommen und dann eine konstruktive Lernatmosphäre herzustellen, dürfe man den Inszenierungen der Macht nicht unterliegen, müsse den Entscheidern auf Augenhöhe begegnen und innerlich unabhängig bleiben. Mächtige seien nur in einem bestimmten Kontext mächtig. Macht sei auch nur – was wieder zu einem der Hauptthemen des Kongresses zurückführt – ein Aushandlungsprozess in einer gemeinsamen Wirklichkeitskonstruktion.

Bei diesen anspruchsvollen „Beschleunigern“ sollte man aber auch keine Zeit vergeuden, mit guter Vorbereitung über das Unternehmen Klartext reden, ihnen neue Anregungen bieten und gleich etwas direkt Verwertbares mitbringen. Entschiedenheit im Auftritt, Klarheit in der Analyse und mindestens eine neue Erkenntnis werden so zu einer unbedingten Voraussetzung eines guten Executive-Coachings.

Coachs, Trainer, Lehrer, Psychotherapeuten, Eltern und Rehabilitationsexperten konnten sich auf diesem Kongress aus über 80 Veranstaltungen viele Anregungen für ihren Alltag und ihre berufliche Praxis mitnehmen. Jeder wird nun auf seine Weise seinen „Lösungsraum“ suchen und nach Wittgenstein den jetzt weniger lapidar erscheinenden Satz im Hinterkopf tragen: „Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen“. (Malte Petry)

Weitere Informationen:
www.mentalestaerken.de

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