QRC in der Krise?

01.12.2009

Vorstandsrücktritte, außerordentliche Mitgliederversammlung, Irritationen über Ausbildungszertifizierung.

Der Ende 2004 von Dr. Björn Migge gegründete „Qualitätsring Coaching“ (QRC) steckt anscheinend in einer Krise. Nachdem sich Dr. Migge Mitte letzten Jahres aus der Leitung zurückgezogen hatte, leitet seit Oktober 2008 ein Vorstandsgremium den Verband. Im Frühjahr 2009 wurde der QRC beim Amtsgericht München eingetragen. Doch inzwischen sind vier von fünf QRC-Vorständen zurückgetreten.

Jörg Schiebel hält als QRC-Vorstand noch die Stellung. Und er hat nun zur außerordentlichen Mitgliederversammlung des Verbands am 5. Dezember 2009 nach Hannover eingeladen. Diese soll nun Klarheit schaffen.

Auf Nachfrage von Coaching-Report erklären zwei zurückgetretene Vorstände, aus privaten Gründen vom Amt Abschied genommen haben: „Ich bin ja gar nicht mehr in der Branche tätig“, kommentiert Stefan Lorenz, warum er seit Anfang August diesen Jahres kein QRC-Funktionär mehr sein wollte. „Mir wurde das Ehrenamt als Einzelunternehmer einfach zu viel“, sekundiert Peter Bierbrauer. Er sei schon vor circa sechs Monaten vom Amt zurückgetreten.

Vorstandssprecherin Dr. Angela Witt-Bartsch und Vorstandsmitglied Petra Feil haben am 21. Oktober 2009 „nach reiflicher Überlegung und Bewertung der Fakten Jörg Schiebel, als stellvertretenden Vorstandssprecher und Mitglied des Vorstandes des Qualitätsring Coaching und Beratung e.V. ihr Misstrauen ausgesprochen.“ Als Grund dafür geben beide die Nichteinhaltung von Terminen, die Jörg Schiebel selbst gesetzt habe, an sowie die Nichteinhaltung von gemeinsam getroffenen Vorstandsentscheidungen und die mangelnde konstruktive Mitarbeit bei Verbandsthemen.

„Eine weitere vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit im Rahmen des Vorstandes war damit nicht mehr gewährleistet“, kommunizierten beide am 28. Oktober 2009 an die Mitglieder. „Wir haben ihn deshalb aufgefordert, sein Amt nieder zu legen.“ Doch in der Vorstandssitzung am 23. Oktober 2009 habe Herr Schiebel seinen Rücktritt abgelehnt. Es sei eine nächste Vorstandssitzung für den 6. November 2009 vereinbart worden. Dort sollten unter anderem drei zusätzliche Themen geklärt werden, so Frau Dr. Witt-Bartsch und Frau Feil:

  • Information der Mitglieder über den Rücktritt der Beiratsmitglieder Dr. Björn Migge, Dr. Markus Weingärtner und Katrin Gronau sowie Rückgabe der Ehrenmitgliedschaft durch Dr. Björn Migge.
  • Aktivitäten von Dr. Björn Migge bezüglich des Aufbaus eines Weiterbildungsnetzwerkes Dr. Migge Seminare auf Basis der Liste der Peergroupleiter des QRC.
  • Angebot einer zertifizierten Ausbildung (QRC) durch Jörg Schiebel, wofür kein Zertifizierungsantrag beim QRC e.V. vorliegt.

Zu diesem Termin kam es dann nicht mehr. „Am 26. 10. 2009 um 18:22 Uhr erhielten wir von Jörg Schiebel eine Email mit der Aufforderung zurückzutreten, mit dem Hinweis, dass, wenn wir in den nächsten 48 Stunden nicht darauf eingehen: ‘werde ich (Jörg Schiebel) weitere Schritte einleiten‘“. Dr. Angela Witt-Bartsch und Petra Feil traten daraufhin zurück und empfahlen den Mitgliedern eine Vorstandsneuwahl: „Unter diesen Bedingungen, den unhaltbaren Anschuldigungen und die bewusste Verdrehung von Tatsachen ist eine weitere vertrauensvolle und wertschätzende Zusammenarbeit im Vorstand nicht mehr möglich.“

Zu den Hintergründen der Auseinandersetzung befragt, verwies Dr. Migge gegenüber Coaching-Report auf einen Konflikt, weil angeblich eine Zertifizierung einer Coaching-Ausbildung der Haufe Akademie durch Dr. Witt-Bartsch veranlasst worden sein soll: „Befremdlich ist es auch, dass die Zertifizierung von dem Vorstandsmitglied initiiert worden ist, das in der besagten Ausbildung selbst Ausbildungsleiterin ist. Das geschah – wie ich aus dem Vorstand verbindlich hörte – gegen den ausdrücklichen Protest und Einwand eines anderen Vorstandes, welches dieses Vorgehen inakzeptabel fand. Mir selbst war auch bisher garnicht bekannt, dass es im QRC Zertifizierungsregelungen für Coach-Ausbildungen gibt.“

Derartige Regeln werden anscheinend noch in einer Zertifizierungskommission des QRC beraten. „Als wir im Frühjahr 2009 den Verband beim Amtsgericht haben eintragen lassen, haben wir alle vorher kommunizierten Qualitätsversprechungen wieder auf Null gestellt,“ erläutert Schiebel. Es sollte ein neues, auf klar definierten Kriterien beruhendes Prozedere etabliert werden. „Auf welcher Basis und durch welche Personen die Haufe-Ausbildung zertifiziert wurde, kann ich nicht beantworten. Ein Prüfungsantrag an die Arbeitsgruppe ist mir nicht bekannt“, äußert sich Horst Lempart gegenüber Coaching-Report. Lempart gehört der Arbeitsgruppe „Zertifizierung & CCE-Punktevergabe“ innerhalb des QRC an, die sich mit der Überarbeitung der Zertifizierungsrichtlinie beschäftigt.

Frau Dr. Witt-Bartsch erklärte: „Eine Prüfung des Antrages durch mich, kam für mich zu keinem Zeitpunkt in Frage. Aus diesem Grunde wurde der Antrag der Haufe-Akademie Isabel Hammermann-Merker, Petra Feil und Jörg Schiebel zur Prüfung übergeben.“ Die Aufgabe der Arbeitsgruppe sei nur die Überarbeitung der Zertifizierungsrichtlinie, sie habe bisher nicht die Aufgabe gehabt, Prüfungen oder Zertifizierungen von Anträgen durchzuführen.

Die Haufe Akademie zeigt sich von den Turbulenzen beim QRC überrascht. Die „Ausbildung zum Zertifizierten Coach“ wurde bei der Haufe Akademie seit fast einem Jahr vorbereitet. Eine Hochschule hatte bereits zugesagt, als Zertifizierungspartner zur Verfügung zu stehen. Vor allem wegen der fachlichen Nähe zum Coaching entschied sich die Haufe Akademie letztlich aber dafür, mit einem Coaching-Verband zwecks Zertifizierung zusammen zu arbeiten. „Wir wollen mit einem Dachverband zusammenarbeiten, der die Ausbildungsabsolventen nach bestandener Prüfung zertifiziert,“ sagt Rainer Kasemir, der zuständige Produktmanager bei der Haufe Akademie. Die Wahl sei dabei auf den QRC gefallen, weil er unter anderem einer der mitgliederstärksten Dachverbände in Deutschland sei. Aktuell gehören dem QRC circa 180 Mitglieder an.

„Bei der Auswahl unserer Ausbildungstrainer war die fachliche Qualifikation entscheidend,“ so Kasemir. Das Trainerteam der Coaching-Ausbildung der Haufe Akademie bestehe aus drei erfahrenen Trainern, mit denen die Haufe Akademie schon seit langem zusammenarbeite. Eine davon sei Frau Dr. Witt-Bartsch. Da diese auch als Vorstand im QRC aktiv sei, habe die Haufe Akademie von Anfang an Wert darauf gelegt, das Prozedere offiziell und transparent zu gestalten: „Den entsprechenden Antrag reichten wir im September 2009 bei der QRC-Geschäftsstelle ein,“ so Kasemir.

Im internen Diskussionsforum des QRC schlagen die Wellen inzwischen hoch. Vereinsgründer Dr. Migge äußert sich entsetzt: „Ich distanziere mich von dieser Zertifizierungspraxis.“ Er fordert vom QRC, dass er die im April 2008 von den Coaching-Roundtable-Verbänden als Minimal-Kriterien für jede Coach-Ausbildung formulierten Kriterien überbietet. Den Vorwurf, er baue ein Weiterbildungsnetzwerk auf Basis der Liste der Peergroupleiter des QRC auf, weist er zurück: „Das bundesweite Peergroupsystem habe ich seit 2004 aufgebaut, nicht der QRC e.V.. (…) Es ist so, dass einige Personen, mit denen ich schon seit 2004 zusammen arbeite, auch weiterhin mit mir zusammen arbeiten – völlig unabhängig vom QRC. Das hat nichts miteinander zu tun.“ Dr. Migge kündigt inzwischen sogar seinen Austritt aus dem QRC an. Weitere Mitglieder sollen anscheinend ähnliches vorhaben.

Doch Dr. Björn Migge und Jörg Schiebel hatten wohl auch Arbeitskontakte, so dass der Eindruck entstehen konnte, sie kooperieren: In Schiebels Veranstaltung an der VHS Minden (Start 25.09.2009) wird auf Schiebels eigener Homepage Dr. Migge als Gasttrainer genannt. Davon distanziert sich Dr. Migge jedoch: „Jörg Schiebel hatte meinen Namen, als er seine Coach-Ausbildung 2007 erstmals anbot, auf seine Homepage gesetzt. Ich sollte eventuell einmal einen halben Tag vorbeikommen. (...) Ich war aber nie Gasttrainer in der Ausbildung von Jörg Schiebel (...). Ich hatte Jörg Schiebel auch gebeten, den irreführenden Hinweis auch von seiner Website zu löschen.“ Die Ankündigung einer Coaching-Ausbildung Schiebels an der VHS Freiburg ziert die Überschrift: „Ausbildung nach Standarts(QRC)“ [sic!].

Für die Mitgliederversammlung in Hannover gibt es also eine Menge Diskussionsmaterial. Diakon Schiebel, der traurig, aber gefasst wirkt: „Ich bin nur Vorstand. Der Verein muss sich jetzt entscheiden. Die Mitglieder sind alles erwachsene Menschen.“ (tw)

Weitere Informationen:
https://qrc-verband.de/

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