Gerechtigkeit ist das entscheidende ?Bindemittel? in Organisationen

27.06.2008

Was hält die Unternehmenswelt im Innersten zusammen? Ein Schwerpunktheft der Fachzeitschrift „Wirtschaftspsychologie“ (2/08) widmet sich einem wichtigen Thema.

Wie relevant das Gerechtigkeitsgefühl bei der Beurteilung ökonomischer Aktivitäten ist, zeigte der kollektive Aufschrei in Deutschland zu Beginn des Jahres angesichts des Stellenabbaus von Nokia bei der gleichzeitigen Bekanntgabe einer bemerkenswerten Gewinnerhöhung (nach Steuern) um 67 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro. Der deutsche Bundesfinanzminister Peer Steinbrück brandmarkte die Entscheidung Nokias, das Bochumer Werk mit 2.300 Mitarbeitern zu schließen. Verschiedene Ministerien beschlossen, die Verträge ihrer Nokia-Handys nicht mehr weiter zu verlängern.

Gerechtigkeit ist das „Bindemittel“, ohne das Organisationen kaum funktionsfähig wären. Arbeitsbeziehungen, so zeigt die Wirtschaftspsychologie auf, sind weit mehr als kühl kalkulierte Transaktionen, in denen Geld gegen Arbeit getauscht wird:

  • Unternehmen haben ein großes Interesse an Mitarbeitern, die loyal und ihrem Arbeitgeber verbunden sind, denn sie zeigen bessere Leistungen, sind seltener krank und werden mit geringerer Wahrscheinlichkeit (innerlich oder tatsächlich) kündigen.
  • Mitarbeiter wollen im Gegenzug von ihrem Unternehmen respektiert und anerkannt, sprich fair behandelt werden.

Während die Gerechtigkeitsforschung im englischsprachigen Raum bereits seit den 70er und 80er Jahren integraler Bestandteil organisationspsychologischer Forschung ist, gibt es bisher eine vergleichsweise gering etablierte Tradition organisationaler Gerechtigkeitsforschung im deutschsprachigen Raum.

Die Zeitschrift GEO widmete dem Thema Gerechtigkeit im Jahr 2007 ein Themenheft und kam in einer repräsentativen Umfrage zu dem Ergebnis, dass kaum ein Thema die Menschen in Deutschland mehr bewege als die Frage „Was ist gerecht?“ Allerdings fielen die Ergebnisse ziemlich widersprüchlich, bizarr und paradox aus: Während gut 90 Prozent der Befragten es gerecht fanden, dass Menschen, die hart arbeiten, mehr verdienen als andere, findet ein Viertel: „Die gerechteste Art, Einkommen und Vermögen zu verteilen, wäre, allen gleiche Anteile zu geben“.

Hier kommt das Sonderheft der wirtschaftspsychologischen Experten mit seinen zehn Beiträgen zur organisationalen Gerechtigkeitsforschung gerade recht. Die Wissenschaftler schlagen zunächst eine Schneise in die Paradoxie und unterscheiden drei kardinale Dimensionen organisationaler Gerechtigkeit:

  • Distributive Gerechtigkeit – Die Angemessenheit der Ergebnisse: Experimentelle Untersuchungen zeigten, dass Menschen zufriedener sind, wenn Ergebnisse fair verteilt werden. Das hat vor allem Auswirkungen auf die Zufriedenheit mit den direkten Ergebnissen, etwa Gehalt oder Beförderungsstufe.
  • Prozedurale Gerechtigkeit – Die Angemessenheit des Verfahrens: Auch negative Ergebnisse können durch faire Verfahrensweisen (konsistent, vorurteilsfrei, ethisch und genau) akzeptiert werden. Verfahrensgerechtigkeit beeinflusst im Arbeitskontext insbesondere Faktoren wie Commitment und Vertrauen gegenüber den Vorgesetzten.
  • Interaktionale Gerechtigkeit – Die Angemessenheit der Behandlung durch Autoritäten. Werden relevante Informationen weitergegeben? Und ist das Verhalten der Führungskräfte höflich und respektvoll?

Metaanalysen zeigen übereinstimmend die großen Auswirkungen organisationaler Gerechtigkeit auf entscheidende Parameter des Handelns von Mitarbeitern. Es zeigt sich, dass ein fairer Umgang sich sowohl auf die allgemeine Einschätzung der Organisation auswirkt als auch ganz konkrete Arbeitseinstellungen und Verhaltensweisen beeinflusst. Alle drei Gerechtigkeitsformen wirken sich positiv auf Kündigungsabsichten und Krankmeldungen aus.

Das Sonderheft nimmt verschiedene Phasen der Karriere wie Bewerbung, Verhalten in Organisationen und Post Citizenship Behavior in den Blick und beleuchtet so aus der Sicht der organisationalen Gerechtigkeitsforschung unterschiedliche Konsequenzen wie die Unternehmensattraktivität oder emotionale Arbeitsqualität. (tw)

Weitere Informationen:
www.geo.de

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