Die Macht der Stereotype

23.08.2008

Deutscher Sozialpsychologe zeigt: Automatische mentale Assoziationen beeinflussen unsere Entscheidungen, nicht unser Verstand. Menschen hören nur die Argumente, die in ihre Klischeewelt passen.

Es ist nicht die Wahrheit, mit der man Wähler gewinnt. Das behauptet jedenfalls Bertram Gawronski, ein deutscher Sozialpsychologe an der psychologischen Fakultät der University of Western Ontario in Kanada, und projiziert seine jüngsten Forschungsergebnisse auf den aktuellen Wahlkampf in den USA. Das renommierte Fachmagazin „Science“ veröffentlicht aktuell seine Untersuchung (Band 321).

Gemeinsam mit der italienischen Psychologin Silvia Galdi hat Bertram Gawronski sich zu einer Feldstudie nach Vicenza begeben, einer mittelgroßen Stadt in der Nähe Venedigs, die vor allem bekannt ist durch einen riesigen US-Militärstützpunkt. Dieser soll erweitert werden. Darüber tobte Ende letzten Jahres ein erbitterter Streit unter den Bewohnern: Terror-Risiken, Gefahr für die Umwelt, Verlust von Arbeitsplätzen waren die Themen.

Gawronski konzentrierte sich auf die Unentschiedenen unter den Einwohnern und unterzog 129 Bürger einem Test, dem sogenannten impliziten Assoziationstest (IAT). Es ging ihm darum, mehr über die unbewussten Überzeugungen der Menschen in Vicenza zu erfahren. Sie bekamen sie am Computer Bilder vom US-Stützpunkt gezeigt und sollten sie – möglichst schnell und ohne zu überlegen – mit positiven und negativen Worten kategorisieren.

Dahinter steht als Theorie das "Netzwerkmodell des Gedächtnisses": Was schnell reproduziert werden kann, liegt im Gedächtnis nahe beieinander. Gawronski nennt sie automatische Assoziationen. Und sie entschieden später tatsächlich, wie sich die Menschen in der Frage der Erweiterung des US-Stützpunktes positionierten. Das stellten die Forscher später bei zwei Befragungen fest, in denen sich die eigentlich Unentschlossen entscheiden mussten - für oder gegen die Stützpunkterweiterung.

"Mit Inhalten kommt man an Unentschlossene Wähler überhaupt nicht ran", sagt der Psychologe. Wer sie gewinnen will, muss an ihre unbewussten Entscheidungsreflexe appellieren. "Wenn ich mir den Wahlkampf in den USA anschaue, haben das die Parteistrategen schon weitgehend begriffen", zitiert „spiegel-online“ Gawronski.

Für Barack Obama bedeute das nichts Gutes: Der politische Gegner assoziiere Obama mit dem Islam und mit seiner dunklen Hautfarbe und wecke dadurch im Unterbewussten allerhand negative Vorstellungen. "Die Strategie ist subtil und gemein, aber sie funktioniert", sagt der deutsche Exilforscher. Die sinkenden Umfragewerte für Obama erklärt er sich damit, dass mehr und mehr unentschlossene Wähler sich in den letzten Wochen entschieden haben. "Für ihre verborgenen Vorurteile und damit gegen Obama", erklärt Gawronski.

Wer sich selbst einmal bei einem solchen mentalen Fehltritt beobachten will, der kann im Internet den impliziten Assoziationstest machen. (tw)

Weitere Informationen:
www.spiegel.de
www.sciencemag.org

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