11.04.2008
Deutsche Unternehmen erkennen zunehmend die Bedeutung des demographischen Wandels. Im Vergleich der fünf größten Länder Europas ist in keinem Land das Bewusstsein dafür so ausgeprägt wie in Deutschland. 70 Prozent der Unternehmen sehen darin eine der größten Herausforderungen der Zukunft, vergleichbar mit Globalisierung und technischem Fortschritt. Der Bewusstseinswandel führt zu ersten Maßnahmen: im letzten Jahr haben mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen (53 Prozent) die Altersstruktur ihrer Belegschaften analysiert – Voraussetzung dafür, sich auf ältere Arbeitnehmer vorzubereiten – verglichen mit gut einem Drittel (38 Prozent) in 2006. Für 2008 planen zudem 15 Prozent der deutschen Großunternehmen mehr Arbeitnehmer über 50 einzustellen als noch 2007. Das ist das Ergebnis der Demographischen Fitness-Umfrage des Adecco Instituts unter 502 Firmen, der größten Umfrage zum demographischen Wandel bei deutschen Unternehmen.
Die Erhebung, die nach 2006 jetzt zum zweiten Mal gemacht wurde, zeigt allerdings auch, dass es noch viel zu tun gibt: Auf einer Skala von 100 bis 400 Punkten, auf die Vorbereitung der deutschen Unternehmen auf den demografischen Wandel gemessen wird, erreichen deutsche Firmen im Schnitt 186 Punkte, also weniger als die Hälfte der möglichen Punktzahl. Deutschland konnte sich damit aber im Jahres-Vergleich mit den fünf größten Ländern Europas (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien) am deutlichsten verbessern und belegt mit Großbritannien nun Platz 1 (Platz 4 in 2006). Mit diesem vom Adecco Institut entwickelten Demographischen Fitness-Index (DFX) können Unternehmen feststellen, ob sie fit sind für den demographischen Wandel und seine Konsequenzen, und sich europaweit vergleichen.
Der demographische Fitness-Index prüft Unternehmen auf fünf Gebieten, die maßgeblich beeinflussen, inwieweit ein Unternehmen in der Lage ist, dem demographischen Wandel erfolgreich zu begegnen. Diese fünf Gebiete sind:
Zur Berechnung des DFX werden die Antworten der befragten Firmen auf einer Skala von 100 bis 400 Punkten bewertet. Aus der Summe dieser Werte werden die Länderindices berechnet.
Das Altern der deutschen Erwerbsbevölkerung ist eine unumkehrbare Tatsache: In weniger als 10 Jahren werden 60 Prozent der Deutschen älter als 40 sein, ein Rekordwert innerhalb der EU, den sonst nur noch Italien erreicht (10 Prozent über dem EU-Durchschnitt). Die Zahl der 50 bis 65-Jährigen wird um 16 Prozent steigern und die Zahl der 20 bis 40-Jährigen um rund 10 Prozent sinken. Bis 2050 wird sich der Anteil der Menschen über 65 verdoppelt haben und 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen.
Das gestiegene Bewusstsein für die demographischen Veränderungen in Deutschland zeigt sich in der steigenden Zahl von Unternehmen, die die Altersstruktur ihrer Belegschaften analysieren. 54 Prozent der deutschen Unternehmen haben 2007 diese Analysen gemacht, verglichen mit 38 Prozent im Jahr zuvor. Am stärksten hat der Mittelstand aufgeholt (51 Prozent in 2007). Deutsche Unternehmen erreichen hier im Fünf-Länder-Vergleich die besten Werte.
Allerdings hat dieser verbesserte Kenntnisstand über die Altersstruktur noch nicht dazu geführt, dass der Personalbedarf längerfristig geplant wird. Für deutsche Unternehmen ist Personalplanung eine eher kurzfristige Angelegenheit: im Schnitt planen deutsche Unternehmen ihre Stellenbesetzung 1,3 Jahre im Voraus, für Fach- und Führungskräfte liegt der Wert bei 1,8 Jahren.
Eines der erfreulichsten Umfrageergebnisse von 2007 ist, dass mehr und mehr Großunternehmen in Deutschland bereit sind, ältere Mitarbeiter einzustellen: 15 Prozent planen, 2008 mehr Mitarbeiter über 50 einzustellen als noch 2007. Der Anteil der Unternehmen, die weniger ältere Mitarbeiter einstellen wollen, ist von 32 auf 21 Prozent gesunken.
Eine weitere deutliche Veränderung ist die gestiegene Bedeutung, die deutsche Unternehmen der Schulbildung und Aus- und Weiterbildung beimessen. 75 Prozent (69 Prozent im Schnitt der fünf Länder) aller Unternehmen halten eine Verbesserung der Schulbildung für den besten Weg, dem Fachkräftemangel zu begegnen. 66 Prozent (59 Prozent) sagen, dass der Übergang von der Schule ins Berufsleben besser werden muss, damit Unternehmen ihren Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften decken können. 74 Prozent (52 Prozent) wollen dafür spezialisierte „Transition Manager“ einsetzen, die den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern.
“Unsere zweite Umfrage zeigt, dass eine erste Trendwende eingesetzt hat. Der Demographische Fitness-Index liefert dazu einen Bewertungsmaßstab. Mit dem DFX wollen wir Unternehmen ermutigen, ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit für den immer härter werdenden weltweiten Konkurrenzkampf durch ein vorausschauendes Personalmanagement zu stärken“, so Wolfgang Clement, Vorsitzender des Adecco Instituts und ehemaliger deutscher Wirtschafts- und Arbeitsminister. (tw)