11.08.2007
Die documenta gilt seit ihrer Gründung 1955 als eine der bedeutendsten und weltweit am meisten beachteten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Die Ausstellung, oft als „Museum der 100 Tage“ bezeichnet, findet alle fünf Jahre, in diesem Sommer 2007 zum zwölften Mal statt (16. 6. - 23. 9.).
Die künstlerische Leitung der documenta 12, Roger M. Buergel und Ruth Noack, begreift die Ausstellung nicht nur als Schauraum, sondern vor allem als Medium: als einen Möglichkeitsraum, der offen und gestaltbar ist und den sich Kunst und Publikum miteinander teilen. Dabei sind die Besucher dazu eingeladen, Teil zu haben an der Komposition der Ausstellung, den Verbindungen zwischen den Arbeiten nachzugehen und vor allem selbst neue Beziehungen herzustellen. Die ästhetische Bildung beginnt somit vielleicht weniger mit dem Aneignen von faktischem Wissen als mit dem Einbringen der eigenen emotionalen und intellektuellen Ressourcen, so das Konzept. Möglichkeiten für Coachs also genug, in Resonanz zu treten, Fingerübungen der Wahrnehmung, der Interaktion und der Interpretation anzustellen.
Denn „angesichts der zeitgenössischen Kunst sind wir zunächst alle Idioten,“ so der künstlerische Leiter Roger M. Buergel, seines Zeichens international tätiger Ausstellungsmacher, Kunstkritiker und Kurator. So merkwürdig das aus berufenen Munde klingen mag, vielleicht ist es eine Voraussetzung, um sich auf ästhetische Erfahrung einzulassen, die durchaus Parallelen zum Coaching-Prozess hat. Denn wie im Coaching der Klient mit seinem „Problem“, ist die Bedeutung eines Kunstwerks nicht per se gegeben, sondern muss in einem potenziell unabschließbaren Prozess immer wieder hergestellt werden. Dies hat vielleicht mehr mit Bereitschaft als mit Kennerschaft zu tun hat, so der Ausstellungsmacher.
Um dem Anspruch der documenta gerecht zu werden, wird in Kassel Kunst aus den verschiedenen Weltregionen und aller erdenklicher Medien gezeigt. Dabei ist Konzept, die Werke nicht bezugslos aneinander zu reihen, sondern zueinander ins Verhältnis zu setzen. Wir finden also Storylines aus Fotos in der documenta-Halle in der Karlsaue ebenso wie die Implantierung von Videokunst in die seit Jahren etablierte Dauerausstellung klassischer Kunst im Schloss Wilhelmshöhe.
Um in einen produktiven Austausch mit dem Publikum zu treten, stellt die documenta 12 der Kunst, aber auch ihrem Publikum, Fragen: Ist die Menschheit imstande, über alle Differenzen hinweg, einen gemeinsamen Horizont zu erkennen? Ist die Kunst das Medium dieser Erkenntnis? Was ist zu tun, was haben wir zu lernen, um der Globalisierung seelisch und intellektuell gerecht zu werden? Ist das eine Frage ästhetischer Bildung? Was macht das Leben eigentlich aus, wenn man all das abzieht, was nicht wesentlich zum Leben gehört? Hilft uns die Kunst auf die Sprünge, um zum Wesentlichen zu gelangen? (tw)
Weitere Informationen:
www.documenta12.de