Studie zum familiären Zusammenhalt

20.08.2007

In kaum einem anderen Land der Welt zählt die Familie so wenig wie in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Studie in 78 Ländern, die am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn erschienen ist.

Demnach sind die familiären Bande lediglich in Litauen noch schwächer als im Land der Dichter und Denker. Die Studie von Alberto Alesina und Paola Giuliano, die beide an der US-Eliteuniversität Harvard forschen, analysiert Umfragedaten des "World Value Surveys" aus 78 Ländern. In dieser Umfrage zu Werten und Normen wird unter anderem danach gefragt, wie groß der Stellenwert der Familie für die Befragten ist, wie groß der Respekt gegenüber den Eltern ist und ob Eltern ihr eigenes Wohlergehen zu Gunsten ihrer Kinder zurückstellen sollten.

Die Forscher berechneten aus den gegebenen Antworten einen Gesamtwert, der Aufschluss über die gesellschaftliche Stellung der Familie im jeweiligen Land gab. Ergebnis: In Litauen, Deutschland und den Niederlanden sind die familiären Bande am schwächsten, dicht gefolgt von den Ländern Skandinaviens. Besonders wichtig ist die Familie dagegen in Afrika, Asien und Südamerika. Die Formel "reiche Länder = schwache Stellung der Familie" greift jedoch zu kurz: Die Vereinigten Staaten belegen ebenso wie Kanada, Irland oder auch Frankreich einen Platz im Mittelfeld.

Der Untersuchung zufolge sind die familiären Bande in ehemals kommunistischen Staaten auch bald zwanzig Jahre nach der "Wende" immer noch schwächer ausgeprägt als im Westen - Folge der Omnipräsenz staatlicher Regelungen. Insofern kann auch von einer erheblichen innerdeutschen Diskrepanz in dieser Hinsicht ausgegangen werden. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Untersuchung: Zuwanderer werden noch lange Zeit von den familienbezogenen Werten und Normen des Herkunftslandes geprägt und passen sich im Durchschnitt erst über Generationen hinweg den Einstellungen in der neuen Heimat an.

Die Forschungsarbeit geht auch der Frage nach, inwieweit der Familie heute noch die Funktion zugeschrieben wird, soziale Absicherung zu gewährleisten. Die Befragten sollten angeben, ob sie bereit wären, für gut funktionierende soziale Sicherungssysteme höhere Steuern zu bezahlen. "In Ländern mit starken familiären Bindungen wird dies häufiger mit nein beantwortet", erläutert Paola Giuliano - vermutlich deshalb, weil hier die Familie als "Versicherung" einspringt, wenn ein Familienmitglied Not leidet. Daher besteht für staatliche Sicherungssysteme eine geringere Notwendigkeit.

Zugleich gehen in diesen Ländern Frauen deutlich seltener einer bezahlten Arbeit nach. Stattdessen arbeiten sie häufiger im Haushalt. Ein Grund dafür ist das traditionellere Rollenverständnis: Befragte aus Nationen, in denen die Familie einen besonders hohen Stellenwert hat, billigten Männern eher als Frauen das Recht zu, einer Arbeit nachzugehen. Außerdem gaben sie öfter zu Protokoll, es gehe zu Lasten der Kinder, wenn deren Mütter arbeiteten. Deutschland fällt in diesem Punkt übrigens aus dem Rahmen: Hierzulande arbeiten vergleichsweise wenige Frauen - weniger sogar als in Kanada oder selbst Uganda, wo die Familienbande viel stärker sind. Das dürfte auch auf die Auswirkungen der deutschen Sozial- und Familienpolitik zurückzuführen sein, argumentieren die Forscher. Ein starker Familienzusammenhalt scheint im Übrigen glücklich zu machen: Wo die Familie eine zentrale Rolle spielt, geben die Bewohner im Schnitt deutlich häufiger an, mit ihrem Leben sehr zufrieden zu sein. (tw)

Coaching-Newsletter

Sie möchten regelmäßig über Neuigkeiten der Coaching-Branche informiert werden? Dann abonnieren Sie den kostenlosen Coaching-Newsletter, der monatlich über Hintergründe und aktuelle Entwicklungen im Coaching berichtet.

Nach oben