Problematischer Schlafentzug

24.10.2007

Forscher haben entdeckt, warum Menschen bei Schlafentzug häufig irrational reagieren: Das Gehirn schaltet in eine Art "Notstrom"-Zustand um, in dem nicht mehr das logische Denken dominiert, sondern das Gefühlszentrum.

Für die Studie verzichteten 13 Freiwillige 35 Stunden lang auf Schlaf. Eine Kontrollgruppe von 13 Teilnehmern behielt ihren normalen Schlafrhythmus bei. Dann bekamen alle Probanden 100 Bilder mit Motiven gezeigt, die mit Emotionen von neutral bis extrem belastend verbunden waren. Gleichzeitig bestimmten die Wissenschaftler mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanztomographie (fMRT), welche Hirnregionen der Testteilnehmer aktiv waren.

An zwei wichtigen Punkten unterschieden sich die Reaktionen der müden Probanden von denen der ausgeschlafenen: Nach Schlafentzug provozierten die negativen Bilder in der Amygdala, einem Teil des Gefühlszentrums, eine mehr als 60 Prozent höhere Aktivität als bei der Vergleichsgruppe. Zudem fehlte bei den müden Teilnehmer eine Kopplung zwischen der Amygdala und dem sogenannten präfrontalen Cortex. Dies ist eine Hirnregion, die für logisches Denken und die Bewertung von Gefühlen zuständig ist. Stattdessen schien das Gefühlszentrum bei ihnen mit einem Areal namens Locus coeruleus verbunden zu sein. Es gehört zu den ältesten Teilen des Gehirns und steuert unter anderem den Fluchtreflex bei einer akuten Bedrohung.

Schlafentzug ist bei Managern und Experten ja ein beliebtes Mittel, um den Output zu steigern. Vielleicht aber unter diesen neuen Aspekten ein trügerisches: Er verhindert offensichtlich, dass der präfrontale Cortex - und damit das logische Denken - die sonst übliche Kontrolle über das Gefühlszentrum behält. Ohne diese Steuerung reagiert die Amygdala über. Dies könnte unter anderem die überzogenen Gefühlsausbrüche junger Mütter nach durchwachten Nächten erklären.

Die Ergebnisse lassen aber auch den Schluss zu, dass Schlaf nicht nur für die körperliche, sondern auch für die emotionale Regeneration unverzichtbar ist – wahrscheinlich, weil er die Verbindung zwischen Amygdala und präfrontalem Cortex durch einen Neustart wieder in den Ausgangszustand versetzt. Außerdem legten die Messungen nahe, dass die mit vielen psychischen Krankheiten einhergehende Schlaflosigkeit möglicherweise nicht nur eine Begleiterscheinung ist, sondern Teil des Problems sein könnte, so die Forscher um Seung-Schik Yoo von der Harvard-Universität in Boston. (tw)

Coaching-Newsletter

Sie möchten regelmäßig über Neuigkeiten der Coaching-Branche informiert werden? Dann abonnieren Sie den kostenlosen Coaching-Newsletter, der monatlich über Hintergründe und aktuelle Entwicklungen im Coaching berichtet.

Nach oben