Klischee von berufstätigen Rabeneltern erschüttert

05.11.2007

World Vision-Kinderstudie: Kinder stören sich nicht an berufstätigen Eltern. Nicht die Menge, sondern die Struktur der Zuwendung ist für den Nachwuchs entscheidend.

Auf den ersten Blick könnte es den Anschein haben, dass die Service-Funktion der Familie mit „privater Vollpension“ ursächlich für die vergleichsweise hohe Zufriedenheit der Kinder mit der elterlichen Zuwendung ist. Mit 78 Prozent geben vier von fünf Kindern an, dass entweder beide Elternteile hinreichend (33 Prozent) oder ein Elternteil – in der Regel die Mutter – hinreichend und das andere mal so, mal so Zeit für sie hat (45 Prozent). Neun Prozent berichten, dass nur ein Elternteil genügend, das andere jedoch nicht hinreichend Zeit hat. 13 Prozent klagen hingegen über ein Zuwendungsdefizit der Eltern (kein Elternteil mit hinreichend Zeit).

Im Zusammenhang betrachtet sind es dann aber nicht die Kinder erwerbstätiger Eltern, die mit der Zuwendungszeit besonders unzufrieden sind. Vielmehr beklagen sich darüber mit einem Anteil von 28 Prozent vorrangig die Kinder, deren Eltern arbeitslos sind oder die aus sonstigen Gründen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen sowie zu 35 Prozent die Kinder von erwerbstätigen Alleinerziehenden. In Familien, in denen beide Elternteile vollzeit-erwerbstätig sind, trifft dies nur für 17 Prozent der Kinder zu. In Familien, wo ein Elternteil vollzeit- und das andere teilzeit-erwerbstätig ist, halbiert sich der Anteil der unzufriedenen Kinder noch einmal auf acht Prozent. Erwerbstätigkeit beider Eltern und Zuwendung sind demnach kein Widerspruch. Im Gegenteil: eine geregelte Erwerbsbeteiligung der Eltern stabilisiert die häuslichen Verhältnisse und hilft, die gemeinsam verbrachte Zeit intensiver miteinander zu nutzen.

Während Kinder sich in der Regel in ihren Familien wohl fühlen, stoßen Eltern laut der Studie je nach Schichtzugehörigkeit an Grenzen, ihre Kinder adäquat zu fördern. Es bedürfe daher nicht „Familienzentriertheit“, sondern zusätzlicher Anregungen von außen, um zu verhindern, dass Kinder durch exzessiven Fernsehkonsum in ihren Entwicklungschancen behindert würden. So berichteten 41 Prozent der Kinder aus den untersten Herkunftsschichten, täglich mehr als zwei Stunden vor dem Fernseher zu sitzen. Für Kinder aus gehobenen Schichten treffe dies auf etwa zehn Prozent zu.

Die 1. World Vision Kinderstudie wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Bielefeld und des Forschungsinstituts TNS Infratest Sozialforschung in München erstellt. Klaus Hurrelmann und Sabine Andresen waren für die konzeptionelle Grundlegung und inhaltliche Ausrichtung der Studie verantwortlich. Bei TNS Infratest Sozialforschung lag die Verantwortung für methodisches Design. Die Kinderstudie 2007 stützt sich auf eine repräsentativ zusammengesetzte Stichprobe von 1.592 Kindern im Alter von acht bis elf Jahren aus den alten und neuen Bundesländern. (tw)

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