Forderung einer neuen Kultur des Scheiterns?

10.08.2007

Die "15 Thesen für die Wirtschaft von morgen", die die Foresight-Company Z_punkt im Juni veröffentlicht hat, wurden nun von deren Newsletter-Lesern bewertet. Damit kommt ein Tabuthema auf die Tagesordnung, das jüngst auch von Wirtschaftspsychologen erforscht wurde.

Welche lieb gewonnenen Wahrheiten müssen wir in Frage stellen, welche Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft müssen wir in ein neues Licht rücken, wenn wir über Zukunftsfähigkeit und Innovationschancen für den Standort Deutschland sprechen? Die Kommentare und Einschätzungen zu den Thesen des "Rethinking Business Survey" sind teils zustimmend, teils konträr. Z_punkt gibt damit nicht nur ein vorbildliches Beispiel in Sachen Diskussionskultur, sondern stellt die Validität der eigenen Thesen mit dieser Quasi-Delphi-Methode auch auf breitere Füße - was der Allgemeinheit zu Gute kommt.

Die Forderung einer neuen Kultur des Scheiterns (These 15) findet mit 80,7 Prozent die größte Zustimmung des Publikums: Dies ist ein Plädoyer für Innovation als Lernprozess, der Misserfolg nicht nur einkalkuliert, sondern auch als wesentlichen Fortschrittsfaktor begreift, so Z_punkt. Damit gerät ein kapitales wirtschaftliches Tabuthema auf die Tagesordnung.

Eine Projektgruppe von Wirtschaftspsychologiestudenten an der Europa Fachhochschule Fresenius in Köln hat jüngst die Einstellungen der Bevölkerung zum Thema „Insolvenz“ untersucht. Dabei wurde die Vermutung bestätigt, dass Insolvenz weiterhin stark negativ bewertet wird (zu 90 Prozent spontane negative Assoziationen). Zugleich ist das Wissen der Befragten zum Thema marginal. Insolvenz wird Thema, wenn es die Medien aufgreifen. Und diese berichten fast ausschließlich über die „dicken Dinger“ (Holzmann etc.). Zudem personalisieren sie das Thema in Richtung versagende Manager auf der einen sowie von Arbeitslosigkeit bedrohte Mitarbeiter auf der anderen Seite. Dass Insolvenz auch eine Chance darstellt, dass Pleitiers wertvolle Erfahrungen gesammelt haben, die sie für neue Aufgaben oder Neugründungen prädestiniert, gehört offensichtlich nicht zu den kulturellen Wertvorstellungen hierzulande; lediglich 22 Prozent der Befragten sind hier optimistisch.

Nachdenklich stimmen zudem Befunde zum Thema „soziale Unterstützung“ Insolventer: 58 Prozent sind eher skeptisch, ob Freunde oder Verwandte dem betroffenen Pleitier im Fall des Falles finanzielle Unterstützung anbieten. Und lediglich 33 Prozent sind der Meinung, das Thema würde im privaten Umfeld eher nicht verschwiegen oder ignoriert. Wer - aus welchen Gründen auch immer, ob hausgemacht oder nicht - in Deutschland pleite geht, wird also offensichtlich stigmatisiert und alleine gelassen. - Das Plädoyer für „Innovation als Lernprozess, der Misserfolg nicht nur einkalkuliert, sondern auch als wesentlichen Fortschrittsfaktor begreift“, von dem der "Rethinking Business Survey" spricht, scheint also bitter nötig zu sein.

Zurück zum Survey - Ebenfalls die Zustimmung der Befragten fanden zwei weitere Thesen: Das Bekenntnis zu Kooperationen und Wertschöpfungsnetzen als Schlüsselfaktoren einer offenen und innovativen Wirtschaft (77,4 Prozent) sowie die Meinung, dass ein zukunftsfähiges Unternehmen seine Kunden als anspruchsvolle Partner wahrnimmt und mit ihnen vertrauensvoll kommuniziert und interagiert (71 Prozent).

Skeptisch reagiert das Publikum allerdings auf die These, dass das Paradigma der Informationsgesellschaft verblasse und von der Bionic Society - dem Lernen von der Natur - abgelöst werde. Das glaubt nur eine Minderheit (7,4 Prozent) der Befragten. Auch dass die Polarisierung der Gesellschaft die Suche nach einem neuen sozialen Konsens voran treibt, bei dem die "neue Mitte" Akteur des Wandels wird, hält lediglich die Hälfte der Befragten für zutreffend (54,8 Prozent). (tw)

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