Konzepte

Bitte tief durchatmen!

Wie Coaches stressbelastete Führungskräfte mit Atemtechniken unterstützen

Führungsarbeit ist stressreich. Wer über längere Zeiträume an die Grenzen seiner Belastbarkeit geht, hat ein erhöhtes Risiko, unter Erschöpfung, Schlafstörungen und anderen negativen Auswirkungen zu leiden. Wie können Coaches ihren Klientinnen und Klienten zu einem besseren Stressmanagement verhelfen? Ergänzend zum Coaching-Prozess können Atemtechniken regulierend eingesetzt bzw. den Gecoachten zur Verfügung gestellt werden, um etwa Entspannung, ein reduziertes Stressempfinden und eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit zu begünstigen.

14 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2024 am 21.02.2024

Führungskräfte – weite Gestaltungsspielräume, starke Belastung  

Die Arbeitswelt bringt für Führungskräfte zahlreiche Herausforderungen mit sich. Viel Gestaltungs-, aber auch Verantwortungsspielraum, Aufgabendichte, Fristen und mitunter Konflikte führen nicht selten zu Stressempfinden und Belastungssituationen. Eine Studie (Lück et al., 2021) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) kommt zu dem Schluss, dass Führungskräfte im Vergleich zu ihren Mitarbeitenden einer höheren Arbeitsintensität ausgesetzt sind und häufiger unter Termin- bzw. Leistungsdruck sowie an der Grenze der Leistungsfähigkeit arbeiten. In der Studie wird zudem darauf verwiesen, dass die Arbeit an der Grenze der Leistungsfähigkeit häufig mit psychosomatischen Beschwerden wie z.B. Kopfschmerzen, Erschöpfung oder Schlafstörungen einhergeht.

Kritisch dabei: Mit kurzzeitigem, situativem Stress können die meisten Menschen gut umgehen. Häufig ist der Stress aber chronisch und das Abschalten fällt zunehmend schwer. Mittel- und langfristig drohen dann ernstzunehmende gesundheitliche Probleme. Unser Atem reagiert ebenfalls auf Stress und Anspannung – er wird schneller, unruhiger und flacher. Nicht umsonst heißt es in solchen Situationen: „Erstmal tief durchatmen.“

Auf einen Blick

  • Eine verlangsamte und vertiefte Atmung kann Führungskräften zu einem besseren Stressmanagement verhelfen.
  • Coaches können ihnen entsprechende Techniken an die Hand geben – z.B. das Box Breathing oder die 4711-Atemtechnik.
  • In Bezug auf den eigentlichen Coaching-Prozess ist dieses Vorgehen stets als flankierendes Angebot zu verstehen. Notwendig ist darüber hinaus z.B. der Blick auf Stress verursachende organisationale Prozesse und Strukturen.

Stressmanagement und Coaching

Stehen beim Coaching von Führungskräften klassischerweise Führungsthemen im Mittelpunkt, gewinnen vor dem aufgezeigten Hintergrund auch andere Bereiche an Bedeutung. So ist der Anlass Stressmanagement laut RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023 (Rauen et al., 2023) der neunthäufigste Beweggrund für ein Coaching. Noch davor – auf Platz 7 – rangiert das Thema Work-Life-Balance. Mit Blick auf eine bestmögliche – mentale und körperliche – Verfassung von Klientinnen und Klienten konstatiert Mikisch (2020, S. 32), dass „körperorientierte Verfahren auch im Coaching-Kontext stärker in den Fokus gestellt werden“ sollten.

Atemtraining – oder als moderne Bezeichnung – „Breathwork“ gewinnt in den letzten Jahren im Kontext der persönlichen Weiterentwicklung an Bedeutung.

Dieses Interesse zeigt sich auch an vermehrten Publikationen, die es teils in die Spiegel-Bestsellerliste schaffen, wie die 2021 erschienene Publikation „Breath – Atem“ von James Nestor. Lesenswert sind beispielsweise auch Veröffentlichungen wie „ATMEN – heilt, entspannt, zentriert“ (2022) von Ralph Skuban, „Erfolgsfaktor Sauerstoff“ (2018) von Patrick McKeown, „Atemtechniken“ (2020) von Yoshio Nakamura und – mit einem etwas anderen Fokus – auch „Die Wim-Hof-Methode“ (2021) von Wim Hof.

Vor dem Hintergrund eines vielversprechenden Wirkungspotenzials hat der Autor dieses Artikels in den letzten Jahren vermehrt Atemtechniken gezielt als flankierende bzw. ergänzende Methoden im Coaching von stark beanspruchten Führungskräften eingesetzt. Die Erfahrungen mit diesen Ansätzen fallen überwiegend positiv aus. Die meisten Klientinnen und Klienten sind offen für Atemtechniken, nur wenige Personen finden dazu keinen Zugang. Besonders attraktiv ist deren schnelle Wirksamkeit. Die Ergebnisse, z.B. in Form von Entspannung oder Aktivierung, sind oftmals unmittelbar spür- und erfahrbar sowie häufig mit einem geeigneten Equipment (z.B. Smart-Watch) auch messbar.

Die Wissenschaft beschäftigt sich ebenfalls mit dem Wirkungsspektrum von Atemtechniken im Kontext des persönlichen Stress- und Anforderungsmanagements. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Belastungssituation von Führungskräften sind die Ergebnisse sehr interessant und vielversprechend (s.u.). Nachfolgend werden Hintergründe und Einsatzmöglichkeiten von Atemtechniken im Coaching von Führungskräften genauer erörtert und anhand von zwei Fallbeispielen illustriert.

Wirkungspotenziale von Atemtechniken

Die Wirkungspotenziale von Atemtechniken bieten Ansatzpunkte im Rahmen des Stressmanagements. Sie sind eng mit dem autonomen Nervensystem verbunden:

Autonomes Nervensystem – Ansatzpunkt für die Stressregulation

Physischer Ausgangspunkt für das Stressempfinden und zugleich Ansatzpunkt für die Stressregulation ist das autonome Nervensystem. Dieses besteht aus zwei antagonistisch und zugleich ergänzend wirkenden Bereichen – dem sympathischen („Sympathikus“) und dem parasympathischen („Parasympathikus“) Nervensystem. Beide wirken zusammen und steuern verschiedene körperliche Funktionen, einschließlich der Stress- und Entspannungsreaktion (Nestor, 2021; Skuban, 2022). Zum autonomen Nervensystem gehört ferner das im Darmtrakt verortete enterische Nervensystem, das die motorischen und sekretorischen Prozesse steuert (Schemann, ohne Datum). Mit Blick auf das Thema dieses Artikels sind das sympathische und parasympathische Nervensystem besonders bedeutsam.

Sympathikus

Der Sympathikus ist für die sogenannte „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion verantwortlich. Er wirkt aktivierend und leistungssteigernd – beispielsweise in Stress- oder Notsituationen. Ist der Sympathikus aktiv, erfolgt eine Freisetzung von Stresshormonen wie z.B. Adrenalin und Kortisol. Gleichzeitig steigen Herzfrequenz sowie der Blutdruck und die Muskulatur wird besser durchblutet. Kurz gesagt: Unser Kreislauf fährt hoch und schafft die Grundlage für eine Bewältigung der Anforderungssituation. (Nestor, 2021; Skuban, 2022)

Parasympathikus

In die genau entgegengesetzte Richtung agiert der Parasympathikus. Er ist für die sogenannte „Ruhen-und-Verdauen“-Reaktion verantwortlich und fördert Entspannung und Regeneration. Der aktivierte Parasympathikus senkt die Herzfrequenz und den Blutdruck, erhöht die Verdauungsfunktionen und fördert die Entspannung der Muskulatur. Kurzum: Der Körper wird in den Regenerations- und Ruhemodus versetzt. (ebd.)

Aktivierung und Entspannung gezielt anregen

Mit Blick auf das individuelle Stressmanagement ist es besonders interessant, dass Atemtechniken gezielt eingesetzt werden können, um den Parasympathikus oder den Sympathikus anzuregen. Vereinfacht gesagt, unterscheiden wir dabei zwischen einer langsamen und einer schnellen Atmung (Brule, 2018).

Verlangsamte Atmung: Langsames und tiefes Atmen – idealerweise durch die Nase – aktiviert den Parasympathikus und fördert die Entspannungsreaktion. Dieser Effekt kann noch verstärkt werden, besonders wenn die Ausatmung gegenüber der Einatmung verlängert wird (z.B. vier Sekunden einatmen, sechs bis acht Sekunden ausatmen). Ein über einen Zeitraum von mehreren Minuten bewusst derart gestaltetes Atemmuster kann situativ Stress abbauen und zur sofortigen Entspannung beitragen.

Beschleunigte Atmung: In die entgegengesetzte Richtung wirkt ein schnelles und intensives Atemmuster. Dieses ist mit einer Anregung des Sympathikus assoziiert und kann durch die resultierenden Effekte den Körper auf herausfordernde Situationen vorbereiten, bei denen eine verstärkte Aktivierung erforderlich ist. Dies kann nützlich sein, wenn schnelle Energie oder erhöhte Reaktionsfähigkeit notwendig sind.

Stressregulation
©Blueastro/Shutterstock.com

Wissenschaftliche Studien

Der Einsatz von Atemtechniken zur zielgerichteten Beeinflussung des autonomen Nervensystems steht auch zunehmend im Fokus wissenschaftlicher Forschung. Mit Blick auf die Thematik dieses Artikels sind die Ergebnisse sehr interessant, aber aufgrund der Studienhintergründe gewiss nicht 1:1 auf die Ausgangslage übertragbar. Hier wären weitere Studien zur Anwendung von Atemtechniken im Coaching (von Führungskräften) wünschenswert. Einen ersten vielversprechenden Ansatzpunkt bieten die Untersuchungen dennoch.

So konnten Zaccaro et al. (2018) in einer systematischen Übersichtsarbeit zeigen, dass sich eine bewusste Verlangsamung der Atmung auf weniger als zehn Atemzüge pro Minute zu einem erhöhten Wohlbefinden, Entspannung, Vitalität und einer Verringerung negativer Gefühle wie Angst und Ärger führen kann. Auch körperliche, stress- bzw. entspannungsassoziierte Parameter wie die Herzratenvariabilität veränderten sich positiv. Bei der Übersichtsarbeit wurde ein Pool von 2.461 Studien betrachtet, von denen 15 die Einschlusskriterien für eine genauere Betrachtung im Rahmen des Reviews erfüllten.

Magnon et al. konstatierten 2021 positive Auswirkungen einer tiefen und verlangsamten Atemtechnik auf eine parasympathische – und somit entspannungsfördernde – Aktivierung sowie auf das individuelle Stressempfinden. 

Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 47 Personen betrachtet; davon nicht näher kategorisierte 22 ältere und 25 jüngere Erwachsene. Die Forschenden machten die Teilnehmenden jeweils in Einzelsitzungen per Video mit einer vertieften und verlangsamten Atmung vertraut. Dabei war die Dauer des Einatmens und des Ausatmens zunächst gleich (vier Sekunden), in der Folge wurde die Ausatmung gegenüber der Einatmung schrittweise verlängert (vier Sekunden ein und sechs Sekunden aus). Die gesamte Intervention dauerte fünf Minuten. Die jeweiligen stressrelevanten Parameter wurden anhand unterschiedlicher Tests erfasst.

Ma et al. arbeiteten 2017 in ihrer Studie heraus, dass eine tiefe Bauch-/Zwerchfellatmung den Stressmarker Kortisol signifikant senken und sich gleichzeitig positiv auf die Aufmerksamkeit und den Affekt auswirken kann. Für die Untersuchung auf Basis eines randomisierten Kontrollgruppendesigns wurden 40 Teilnehmende rekrutiert, die jeweils zur Hälfte in eine Versuchs- und eine Kontrollgruppe aufgeteilt wurden. Die Intervention bestand aus 20 Atemsessions und zielte auf eine verlangsamte und vertiefte Atmung. Alle Teilnehmenden absolvierten Prä- und Posttests zu Aufmerksamkeits- und Affektmarkern. Außerdem wurde in beiden Gruppen die Kortisolkonzentration im Speichel vor und nach dem Test bestimmt.

Fallbeispiele

Was bedeuten die bisher aufgezeigten Hintergründe nun für die Coaching-Praxis? Die Vermittlung von Atemtechniken im Coaching kann eine ausgezeichnete Möglichkeit darstellen, um Klientinnen und Klienten zu ermächtigen, ihr Stressmanagement mit schnell wirksamen und einfach zu praktizierenden Methoden signifikant zu verbessern.

Im Sinne eines möglichst tragfähigen Interventionsansatzes bietet es sich an, dabei einige Aspekte besonders zu beachten: So sollten Atemtechniken immer als ergänzende bzw. flankierende Interventionen im Kontext eines möglichst differenzierten Vorgehens eingesetzt werden. Neben kognitiven Ansätzen wie z.B. der Reflexion von Abgrenzungsstrategien ist es beim Thema Stressmanagement essenziell wichtig, auch immer die Organisationsstruktur und Arbeitsprozesse zu betrachten. Ausschließlich beim Individuum anzusetzen, greift in den meisten Fällen zu kurz. Außerdem kommt es bei der Anwendung von Atemtechniken – wie generell im Coaching – auch immer stark auf die individuelle Passung der Techniken an. Manche Klientinnen und Klienten können sie als äußerst beruhigend empfinden, während andere möglicherweise Schwierigkeiten haben, sich auf die jeweilige Technik einzulassen. Regelmäßige Rückkopplungsprozesse mit den Gecoachten können die individuelle Anpassung fördern. Im Folgenden wird anhand von zwei Fallbeispielen der mögliche Einsatz von Atemtechniken im Coaching von Führungskräften skizziert.

Technik 1: Entspannte Fokussierung durch Box Breathing

Box Breathing ist eine verhältnismäßig bekannte Atemtechnik, die in unterschiedlichen Kontexten zur Stressbewältigung und zur Steigerung der mentalen Kontrolle in Anforderungssituationen praktiziert wird. Beim Box Breathing wird die Atmung in vier gleich lange Phasen unterteilt:  Einatmen, Atem anhalten, Ausatmen und erneut Atem anhalten, jeweils für eine bestimmte Dauer (zumeist vier bis sechs Sekunden). Grafisch dargestellt erzeugt dies eine quadratische Musterform, daher der Name Box Breathing.

Beispiel: Herr D. arbeitet als Abteilungsleiter in einem mittelständischen Unternehmen. Er ist oft mit hohem Arbeitsdruck, vielen Fristen und anspruchsvollen Aufgaben konfrontiert. In der Zeit vor dem Coaching bemerkt er vermehrt Anzeichen von Stress – darunter Unruhe, Konzentrationsprobleme und Reizbarkeit. Herr D. sucht nach Möglichkeiten, sein persönliches Stressmanagement zu verbessern, um gelassener mit den täglichen Herausforderungen umgehen zu können und sich innerlich ausgeglichener zu fühlen.

Im Coaching werden zunächst die Grundlagen von Box Breathing gemeinsam besprochen und die Methode praktisch angewandt. Aufgrund der direkt wahrnehmbaren positiven Auswirkungen auf sein Empfinden beschließt Herr D., Box Breathing versuchsweise in seinen Arbeitsalltag zu integrieren. Er nutzt kurze Pausen während des Arbeitstages, um sich zurückzuziehen und die Technik nach folgendem Muster anzuwenden:

  • Einatmen: Herr D. atmet tief durch die Nase in den Bauch ein und zählt dabei langsam in Gedanken bis vier.
  • Atem anhalten: Er hält den Atem an und zählt dabei langsam bis vier.
  • Ausatmen: Herr D. atmet langsam und gleichmäßig durch die Nase aus, während er bis vier zählt.
  • Atem anhalten: Er hält erneut den Atem an und zählt langsam bis vier.

Herr D. wiederholt diesen Ablauf täglich mehrfach für drei bis fünf Minuten. In einem Folgetermin berichtet er von seinen Erfahrungen mit der Methode. Neben einer schnellen Entspannung und einem reduzierten Stressempfinden nennt er eine gesteigerte Konzentrationsfähigkeit und eine verbesserte emotionale Regulation als weitere Vorzüge.

Technik 2: Stressbewältigung mit der 4711-Atemtechnik

Analog zu der oben dargestellten beruhigenden Wirkung einer verlangsamten Atmung zielt die 4711-Atemtechnik auf eine verlängerte Ausatmung ab. Im Gegensatz zum Box Breathing und anderen Atemtechniken, die das kurzzeitige Anhalten des Atems betonen, wird bei dieser Methode kontinuierlich ein- und ausgeatmet. Die Ausatmungsphase sollte dabei stets länger sein als die Einatmungsphase. Während Atempausen den Körper stimulieren und beispielsweise die Konzentrationsfähigkeit steigern können, zielt die 4711-Technik darauf ab, eine deutliche Beruhigung zu erreichen. Die Zahl „4711“ steht für eine Einatmung von vier Sekunden Dauer, gefolgt von einer Ausatmung von sieben Sekunden und einer Anwendungszeit von elf Minuten.

Beispiel: Frau K. ist eine vielbeschäftigte Teamleiterin und Mutter von zwei kleinen Kindern, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann betreut. Sie jongliert ihre Arbeit, die Bedürfnisse ihrer Kinder und andere Verpflichtungen. In letzter Zeit fühlt sie sich häufig gestresst und überfordert.

Wie auch mit Herrn D. wurden im Coaching mit Frau K. zunächst die Hintergründe der Atemtechnik vermittelt. Frau K. ist ebenfalls offen für die Integration der Atemtechnik in ihren Alltag, findet das notwendige Zeitfenster von elf Minuten aber zu lang und nicht spontan realisierbar. Coach und Klientin beschließen daraufhin, die Übung versuchsweise auf fünf Minuten mit folgendem Muster zu verkürzen.

  • Einatmen: Frau K. atmet tief durch die Nase in den Bauch ein und zählt dabei langsam bis vier.
  • Ausatmen: Frau K. atmet langsam durch die Nase aus und zählt dabei langsam bis sieben.

In den Folgeterminen berichtet Frau K., dass es ihr an den meisten – aber nicht allen – Tagen gelinge, die Technik anzuwenden, manchmal sei „einfach zu viel los“. Dennoch bemerkt sie häufig schon während der Anwendung eine wohltuende Entspannung und eine Verminderung des Stressgefühls. Durch die Konzentration auf die Atmung gelinge es ihr außerdem, ihren Geist zu beruhigen und negative Gedankenspiralen zu unterbrechen.

Ausblick

Die Wirkmöglichkeiten von Atemtechniken im Coaching sind vielversprechend. Klientinnen und Klienten können dadurch aktiv und häufig schnell wirksam auf ihr Stressempfinden Einfluss nehmen sowie gezielt Entspannung und Wohlbefinden fördern. Im Sinne eines persönlichen Empowerments sind dabei die recht einfache Integration in den Alltag und die schnell wahrnehmbaren positiven Auswirkungen besonders interessant. Die oben erwähnten wissenschaftlichen Studien deuten ebenfalls vielfältige Potenziale an, wenn auch mit der aufgezeigten Einschränkung hinsichtlich der Übertragbarkeit. Insgesamt erscheint eine verlangsamte und vertiefte Atmung – idealerweise mit einer verlängerten Ausatmung – dabei besonders förderlich.

Liegt darin die Lösung aller Probleme? Gewiss nicht! Denn wie bereits dargelegt, sind Atemtechniken kein Allheilmittel gegen Stress und Belastung. Die Anwendung sollte daher immer nur im Kontext eines differenzierten Interventionsangebots vermittelt werden. Neben der Fokussierung auf das Individuum ist dabei insbesondere der Blick auf dysfunktionale organisationale Strukturen und Prozesse angezeigt. Außerdem: Nicht alle Klientinnen und Klienten profitieren gleichermaßen von Atemtechniken, daher ist eine individuelle Anpassung auf Basis regelmäßiger Rückkopplungsprozesse essenziell für möglichst nachhaltige Erfolge. Trotz der zumeist positiven Auswirkungen ist es denkbar, dass sich einige Personen bei der bewussten Kontrolle der Atmung unwohl fühlen könnten und dabei z.B. Unruhe empfinden.

Darüber hinaus ist Breathwork kein Ersatz für professionelle medizinische oder psychologische Hilfe. Hier sollten Coaches – wie auch bei vielen anderen Anlässen – eine klare Grenze ziehen und bei Bedarf an andere Expertinnen und Experten weitervermitteln. Insbesondere Personen mit ernsthaften Gesundheitsproblemen wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten Atemübungen nur nach einer Konsultation mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin durchführen.

Wenn Coaches diese Grenzen sauber ziehen, winken vielfältige Potenziale. In der direkten Zusammenarbeit mit gestressten Klientinnen und Klienten könnte dann folgender Impuls bereits zu einer spürbaren Verbesserung führen: „Bitte einmal tief durchatmen!“

Literatur

Brule, D. (2018). Just Breathe: Mastering Breathwork. New York: Enliven Books.

Lück, M.; Möller, H. & Thomson, B. (2021). Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Führungskräften. BAuA. Abgerufen am 13.07.2023: www.baua.de

Magnon, V.; Dutheil, F. & Vallet, G. T. (2021). Benefits from one session of deep and slow breathing on vagal tone and anxiety in young and older adults. Scientific Reports. Abgerufen am 13.07.2023: www.researchgate.net

Ma, X.; Yue, Z. Q.; Gong Z. Q. & Zhang, H. (2017). The Effect of Diaphragmatic Breathing on Attention, Negative Affect and Stress in Healthy Adults. Frontiers in Psychology. Abgerufen am 13.07.2023: www.researchgate.net

Mikisch, T. (2020). Körperwahrnehmung im Coaching. Coaching-Magazin, 13(3), S. 32–36.

Nestor, J. (2021). Breath – Atem. München: Piper.

Rauen, C. et al. (2023). RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023. Abgerufen am 09.10.2023: www.rauen.de/cma

Schemann, M. (o.D.). Das enterische Nervensystem. Spektrum der Wissenschaft. Abgerufen am 12.10.2023: www.spektrum.de

Skuban, R. (2022). ATMEN – heilt, entspannt, zentriert. München: O.W. Barth.

Zaccaro, A.; Piarulli, A.; Laurino, M. et al. (2018). How Breath-Control Can Change Your Life. Frontiers in Human Neuroscience. Abgerufen am 13.07.2023: www.frontiersin.org

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