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Elizabeth Florent-Treacy, Manfred F. R. Kets de Vries, Konstantin Korotov, Andreas Bernhardt

Tricky Coaching. Difficult Cases in Leadership Coaching.

Rezension von Dr. Michael Loebbert

3 Min.

Das Herausgeberteam um den INSEAD Professor Manfred Kets de Vries liefert eine Rahmung und Zusammenfassung eines gleichnamigen Kolloquiums von Coaches und HR Professionals im Dezember 2009 in Berlin. Wie mit der Herkunft der Autoren aus der INSEAD Coaching Schmiede zu erwarten, stehen psychodynamische Aspekte des Coachings im Mittelpunkt: "Tricky Coaching", auf Deutsch würde der Rezensent übersetzen "in Beziehungen verstrickt". Es geht um die oft unbewussten seelischen Dynamiken der Beziehungsgestaltung von Coach und Klient, welche wirkungsvolle Coaching-Interventionen befördern und eben auch verhindern können.
Im ersten Teil des Buches liefern die Autoren eine allgemeinere Darstellung der Beziehungsfallen für Executive Coaches vor dem Hintergrund der psychodynamischen Konzepte der "Übertragung" und des "Helfersyndroms". Das Talent von Coaches "Übertragungen" aufzunehmen kann auch zu ihrem Verhängnis werden:

  • Management-Verantwortliche entscheiden sich am Ende ihrer beruflichen Karriere, Executive Coaches zu werden. Coaching ist in bestimmter Sicht der "Trostpreis", wenn es karrieremäßig nicht mehr weitergeht.

  • In der Entscheidung von Menschen Executive Coaching auszuüben, spielen oft unbewusste Wünsche der Teilhabe an Macht, Geld und Status eine Rolle. Das macht sie anfällig für Instrumentalisierungsversuche durch Klienten, die Ihnen das zu versprechen scheinen.

  • Im Kontext von Coaching als helfender Beziehung sind Coaches genau so anfällig für das sogenannte "Helfersyndrom": Identifikation mit dem Klienten, Hilfe zur Aufrechterhaltung von dysfunktionalem Verhalten, Verzweiflung des Helfers, der nicht (mehr) helfen kann.


Der zweite, vier Mal umfangreichere Teil des Buches dokumentiert Fallberichte und Kommentare des Kolloquiums. Mit sonst in Publikationen eher ungewöhnlicher Offenheit berichten die namentlich genannten "Fallbeschreiber", erfahrene und geschätzte Executive Coaches, über ihre Verstrickungen mit Klienten und ihre Versuche, mit oder auch trotz Verstrickung für ihre Klienten nützliche Interventionen anzubieten.


  • Was ist meine Rolle als Coach, wenn mein Auftraggeber mich informell dafür engagiert hat, die Arbeit meines Klienten in seiner Rolle als Führungskraft zu machen?

  • Was kann mein Beitrag als Coach sein, wenn ich in einem Familienunternehmen engagiert bin, dessen Verantwortliche die Aufrechterhaltung dysfunktionaler Familienmuster vor den geschäftlichen Erfolg stellen?

  • Wie unterstütze ich einen Klienten, der offenkundig nicht die notwendigen Fähigkeiten für die Bewältigung seiner Aufgabe mitbringt?

  • Wie kann ich einem Klienten (noch) nützlich sein, wenn ich merke, dass mich seine inneren Konflikte in gewisser Weise "infiziert" haben?

  • Wie bleibe ich als Coach handlungsfähig, wenn das Verhalten meines Klienten für mich ein moralisches Dilemma darstellt?

  • ...


In insgesamt 20 Fällen werden weitere Beispiele der "Trickyness" - Verstrickung von Coaches und Klienten - vorgestellt und diskutiert. Dabei erweisen sich diese Verstrickungen nicht nur als unabweisbar, sondern auch als notwendig für eine wirksame Coaching-Beziehung. Ein weiterer Nebeneffekt des Buches ist die Darstellung der Leistungsfähigkeit psychodynamischer Konzepte für die Steuerung der Beziehungsgestaltung durch den Coach.
Fazit: Ein ausgesprochen mutiges Buch. Pflichtlektüre, von welcher auch erfahrene Executive Coaches für ihre Handlungssteuerung profitieren können.

Dr. Michael Loebbert

Programmleiter Coaching Studies FHNW – Fachhochschule Nordwestschweiz
www.coaching-studies.ch