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Nando Belardi

Supervision und Coaching. Grundlagen, Techniken, Perspektiven.

Rezension von Dr. Michael Loebbert

3 Min.

Nando Belardi ist emeritierter Professor für Sozialpädagogik der Universität Chemnitz und Dozent im Masterstudiengang „Supervision, Coaching und Organisationsberatung“ der Hochschule Kempten. Die ersten vier Auflagen seines Buches „Supervision – Grundlagen, Techniken, Perspektiven“ gehören seit 2002 zum Kanon der deutschsprachigen Literatur über Supervision. Für die vorliegende fünfte Auflage wurde der Text völlig überarbeitet und um das Thema „Coaching“ ergänzt.

Als Ausgangspunkt seines kleinen Buches konstatiert der Autor einen „Strukturwandel“ von beruflicher Arbeit. Die Zunahme ihres „Reflexionscharakters“ ist Beschreibung und zugleich Herausforderung, sich in der modernen Arbeitswelt zu orientieren. Das ist der Bezugspunkt seines Verständnisses von Coaching und Supervision als „Reflexion der Berufsarbeit“ und auch ihrer Unterscheidung: Supervision als spezifische Unterstützung von Helfern, Coaching als Unterstützung von Menschen mit Leitungs-, Management- und Fachaufgaben.

Die folgenden Ausführungen zur Herkunft, Entwicklung und einigen zentralen Konzepten von Supervision für helfende Berufe geben den Lesenden einen prägnanten Überblick. Wie Supervision und Coaching in ihrer Unterscheidung unterschiedlicher Klientengruppen ergänzend eingesetzt werden können, beschreibt Belardi am Beispiel der Fraport AG (S. 41). Im nächsten Kapitel über Coaching beklagt der Autor eine „Entgrenzung“ des Coaching-Begriffs (S. 53) und eine gewisse Kommerzialisierung der Praxis; „Allerwelts-Coaching“, Scharlatanerie, Kettenbriefsysteme, Coaching-Schwemme werden als Gefahren aufgelistet. Auch in seiner Darstellung der deutschsprachigen fachlichen und wissenschaftlichen Diskussion über Coaching ist eine gewisse Skepsis wahrnehmbar. Ein Bezug auf pragmatische und handlungswissenschaftliche Referenzen (Leistung, Erfolg, Selbststeuerung) der Entwicklung und Konzeptbildung von Coaching wird nicht hergestellt. Die überwiegend englischsprachige Coaching-Literatur wird nicht einbezogen.

Der Schwierigkeit, Coaching und Supervision systematisch miteinander in Beziehung zu setzen, antwortet Belardi mit einer persönlichen (rhetorischen) Setzung: Er vertritt einen „breiten Begriff von Supervision“ (S. 59), der Coaching in Bezug auf die Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis miteinbezieht. Gemeinsam ist, so behauptet der Autor, als Tertium Comparationis „der übergeordnete Gesichtspunkt der Erweiterung von Kompetenzen“. Es geht (a) um „personale Entfaltung“ als Erweiterung des Wissens über sich selbst und die eigene Wirkung auf andere, (b) um „Beziehungs- und Arbeitsgestaltung“, (c) um „strukturelle Entfaltung“ in beruflichen Systemen und (d) um „methodische und instrumentelle Entfaltung“ sozialer und instrumenteller Fertigkeiten im beruflichen Kontext. Darin setzt Belardi Coaching und Supervision zu unterschiedlichen Aufgaben in Beziehung. Unter Zwischenüberschriften wie Beratung, Psychotherapie, Mentoring, Counselling, Personalentwicklung usw. werden stichwortartig Bezüge zu Coaching und Supervision hergestellt. Die letzten Kapitel zum Prozess (Kapitel 6), zu möglichen Settings (Kapitel 7), zur Wirksamkeit (Kapitel 8) und zu Theorien und Methoden (Kapitel 9) von Supervision und Coaching bieten eine kurze Zusammenfassung weiterer zentraler Konzepte.

Fazit: Auch wenn die überwiegend englischsprachige Fachdiskussion zum Coaching nicht einbezogen ist, wird eine prägnante Zusammenfassung zentraler Konzepte vorgelegt. Die mit dem neuen Titel hervorgerufene Erwartung einer Klärung des Verhältnisses von Supervision und Coaching gelingt allenfalls rhetorisch.

Dr. Michael Loebbert

Programmleiter Coaching Studies FHNW – Fachhochschule Nordwestschweiz
www.coaching-studies.ch