Günther Mohr

Resilienzcoaching für Menschen und Systeme.

Rezension von Dr. Friederike Höher

3 Min.

In seinem Buch "Resilienzcoaching für Menschen und Systeme" fasst Günther Mohr in einer für Coaching relevanten Weise individuelle und systemische Resilienz in einem Band zusammen. Resilienz umfasst für ihn das Überwinden von traumatischen Ereignissen sowie die Fähigkeit, mit widrigen Umständen umzugehen, ohne dass daraus depressive oder gewalttätige Reaktionen entstehen. Eine wohltuende Position in der Diskussion zum Thema Resilienz ist Mohrs Kritik am individualisierten Resilienzverständnis. Resilienzanforderungen an Menschen dürfen kein Ersatz für staatlichen Schutz und Vorsorge sein.

Der Autor wählt einen ungewöhnlichen Ansatz, indem er seine persönlichen Erlebnisse in einem Krisengebiet (Palästina/Israel) mit den Ergebnissen der Resilienzforschung in Zusammenhang bringt. Das Leben in einem solchen Spannungsgebiet fordere den Menschen ständig Resilienz ab. Mohr folgt der Philosophie des Zen-Meisters Bernard Glassman, nach der die Konfrontation mit schwierigen Orten und das Sich-Hineinbegeben in solche "Felder", verbunden mit Meditation, zu persönlicher Entwicklung führt. Insofern stellt er auch seine persönlichen Meditationserfahrungen dar. Die zentrale Aussage des Buches lautet: "Resilienz lernt man nicht im Wellness-Hotel." (S. 20)

Die Resilienzfaktoren werden in einem Quadrat anschaulich vier Dimensionen zugeordnet: externe und interne Ressourcen sowie Sinn und Körper-Geist-Beziehung. Das "Resilienzquadrat" bietet eine einfache Orientierung und eine gute Ergänzung zu anderen Modellen wie den bekannten "Sieben Säulen der Resilienz". Indem den vier Resilienzdimensionen Übungshinweise aus der Achtsamkeitspraxis oder Reflexionsfragen zugeordnet sind, entfaltet es einen hohen praktischen Nutzen.  

Die folgenden "Sieben praktischen Schritte zur Resilienz" erläutern dem Leser den weiteren Weg zur Resilienzentwicklung:
  1. Das Leben erkennen
  2. Meditation
  3. Emotionsregulation und Embodiment
  4. Resilienz durch Leben in einem Spannungsgebiet
  5. Gefühle ausfühlen, Skriptarbeit
  6. Muster läutern
  7. Dranbleiben

Nach Mohr erfordert Resilienz einen "Bewusstseinsbildungprozess". Genau in diesem ganzheitlichen, entwicklungsgerichteten Ansatz liege der Unterschied zum "Trainieren von Resilienz" oder zur Resilienz als Wellnessprogramm. Im Zusammenhang mit Emotionsregulation greift er verschiedene psychologische Ansätze auf, u.a. Introvision und Klopftechnik. Transaktionsanalytische Konzepte wie Skript und Antreiberdynamiken liefern den Hintergrund für die Arbeit mit Emotionen, dem "Gefühle Ausfühlen" und dem Läutern von Mustern.

Im Folgenden übertragt der Autor sein "7-Schritte-Programm" für Resilienz auf den Organisationskontext:
  1. Entscheidung für Resilienz als Organisationsziel
  2. Die eigene Situation in der Tiefe betrachten
  3. Erlebte und potenzielle Risikosituationen
  4. Das Fundament der eigenen Organisation betrachten
  5. Angemessene Problemlösungsformen aneignen
  6. Eigene organisationale Muster verändern
  7. Dranbleiben

Besonders interessant für die Erfassung der Resilienz einer Organisation erscheinen die zehn Dynamiken der Systemischen Organisationsanalyse: Aufmerksamkeit, Rollen, Beziehungen, Kommunikation, Problemlösen, Erfolg, Gleichgewicht, Rekursivität, innere und äußere Systempulsation. Hilfreich wären hier zur Veranschaulichung noch Fallbeispiele gewesen. Mohrs Systemische Organisationsanalyse dient als Anregung, um die eigene Position zu Erfolg, Zufriedenheit und Kultur zu überprüfen.

Fazit: Günther Mohr stellt die komplexe Thematik der individuellen und unternehmerischen Resilienz kompakt, fundiert und fokussiert dar. Durch die Verknüpfung mit persönlichen Erfahrungen ist ihm dies auf einzigartige und sehr lesenswerte Weise gelungen. An einigen Stellen wird durch die verwendete Terminologie einschlägiges Fachwissen vorausgesetzt. Das Buch ist jedem zu empfehlen, der sich mit Resilienz in Leben und Arbeit beschäftigen möchte, und bietet auch Coaches eine bereichernde, interessante Lektüre.

Dr. Friederike Höher

www.friederike-hoeher.de
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