Christoph J. Schmidt-Lellek, Ferdinand Buer

Life-Coaching in der Praxis. Wie Coaches umfassend beraten.

Rezension von Anne Haker

4 Min.

In ihrem zweiten gemeinsamen Band zum Thema Life-Coaching ergänzen die Autoren ihren Ansatz eines ganzheitlichen Coachings auf Wunsch vieler Leser hin mit einem facettenreichen Praxisteil. Hierzu konnten sie dreizehn weitere Autoren gewinnen, die ihre Erfahrung mit Life-Coaching-Themen anhand anschaulicher Beispiele mit den Lesern teilen - darunter bekannte Größen wie Dr. Bernd Schmidt oder Dr. Astrid Schreyögg.
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil erklären die beiden Autoren ihren Ansatz nochmals in Kürze, der zweite Teil stellt drei Verfahren vor, bei denen eine ganzheitliche Perspektive im Sinnes des Life-Coachings angewendet wird und im letzten Teil wird aus der Life-Coaching-Praxis berichtet.
Zu Beginn gehen die beiden Herausgeber in einem jeweils eigenen Kapitel auf die beiden Dimensionen des Life-Coachings ein: Die horizontale Dimension, die den Blick auf Lebensspanne und verschiedene Lebensbereiche umfasst und die vertikalen Sinn-Dimension. Der Frage nach dem Sinn des Lebens kommt dabei laut Buer als wichtigem Motivator für oftmals als zunächst mühsam empfundene Veränderungen eine ganz besondere Bedeutung zu. Gleich auf den ersten Seiten wollen die Herausgeber Life-Coaching von einer allgemeinen Lebensberatung abgegrenzt wissen. Wichtig ist, dass eine arbeitsbezogene Frage im Vordergrund steht und das Coachings sich klassisch an Fach- und Führungskräfte richtet.
Den Auftakt zum zweiten Teil des Buches macht Günther Mohr mit einem leicht verständlichen und klar strukturierten Artikel zur Transaktionsanalyse, welche ganz er ganz im Sinne des Life-Coachings als ganzheitliche Herangehensweise schildert. Mohr gelingt es, die wesentlichen Konzepte der Transaktionsanalyse knapp zu erklären, ohne auf Details einzugehen. Hierzu verwendet er auch anschauliche Grafiken, die dem Buch an einigen Stellen sonst fehlen.
Wie bereits Günther Mohr stellt auch Arnulf Greimel in seinem Kapitel zur Themenzentrierten Interaktion heraus, dass dieses Verfahren in seiner korrekten Anwendung bereits eine Form des Life-Coachings ist. Greimel bringt einen Aspekt zur Sprache, der in den Praxisberichten des letzten Teils immer wieder deutlich wird: Die initiale Themenstellung des Klienten ist meist nur das sichtbare Symptom einer dahinter liegenden existenziellen Frage, welche der Life-Coach durch gezielt über den Problemrand hinaus gehende Fragen zu erfassen suchen sollte.
Etwas komplexer wird es bei Johannes Fischers existenziell-phänomenologischem Zugang. Sein Kapitel zu philosophischen Denkanstößen im Life-Coaching bringt anregend-neue Impulse. Doch sind die teilweise sehr komplizierte Ausdrucksweise und nur unzureichend erklärte philosophische Konzepte für Nicht-Philosophen schwer verständlich und verbleiben trotz mehrerer Fallbeispiele stellenweise zu abstrakt.
Die Autoren des folgenden Praxisteils setzen jeweils verschiedene thematische Schwerpunkte vom Gesundheits-Coaching über die Beratung von Doppelkarrierepaaren bis hin zur Spiritualität im Coaching. Dem Leser werden anhand von zahlreichen Fällen, die teilweise sogar als Gesprächsauszüge in wörtlicher Rede wiedergegeben werden, Einblicke in sehr unterschiedliche Herangehensweisen gegeben. Allen gemeinsam ist die Annahme, dass sich hinter dem vordergründigen, berufsbezogenen Problem in der Regel tiefere Fragen verstecken, welche nur befriedigend beantwortet werden können, wenn alle Lebensbereiche des Klienten und auch grundlegende Werte und Sinnfragen einbezogen werden.
Fazit: Das Anliegen des Buches, den Life-Coaching-Ansatz durch einen umfassenden Praxisteil anschaulicher zu machen, ist gelungen. Fraglich bleibt aber, ob Life-Coaching wirklich eine neue Perspektive ist, oder vielmehr die Rückbesinnung auf eine Selbstverständlichkeit, dass im Coaching der Menschen als Ganzes in den Blick zu nehmen ist. Wie sich anhand der Beispiele im dritten Teil des Buches sehen lässt, steht in der Praxis meist ein spezieller Blickwinkel im Vordergrund, sei es die Sensibilität für partnerschaftliche Themen oder einen Fokus auf Familienkonstellationen. Da nicht alle Facetten, die den Klienten als Ganzes ausmachen, in einem Coaching-Prozess Platz finden und - glücklicherweise - für ein konkretes Anliegen auch nicht alle relevant sind, ist der Coach gefragt, eine passende Themen- und Fragenauswahl zu treffen. Hierfür bietet das Buch viele spannende Anregungen und die Möglichkeit, in bisher vielleicht noch unbekannte Gefilde hineinzuschnuppern.

Anne Haker

Nach oben