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Wilhelm Backhausen, Jean-Paul Thommen

Irrgarten des Managements. Ein systemischer Reisebegleiter zu einem Management 2. Ordnung.

Rezension von Thomas Webers

5 Min.

Darüber, was denn systemisches Management sei, werden heute von Beratern, Trainern und Coachs eine Menge Plattheiten, Halbwahrheiten und leider auch genügend Dummheiten verbreitet, wie beispielsweise diese, dass alles miteinander vernetzt sei und deshalb auch alles mit allem zusammenhänge. Wie gut, dass dieses Buch - wie wenige andere - mit solchem Quatsch aufräumt! Die beiden Autoren sind renommierte Experten, die beide an der European Business School (EBS) unterrichten, und sich u.a. schon mit einem hervorragenden Buch zum Coaching hervor getan haben.
Und schon im Vorwort wird die Latte für den folgenden Diskurs anspruchsvoll und provokant hoch gelegt: Management erscheint den Autoren als unprofessionelle Professionalität. Manager griffen in ihrer Not, den Alltag meistern zu müssen, nach jedem Strohhalm, jeder Heilslehre - doch letztlich wurstelten sie sich nur durch. Das ist - keine Frage - suboptimal. Und deshalb gibt es dieses Buch. Es verspricht in zwei Teilen und insgesamt zehn Kapiteln Hilfestellung im "Irrgarten des Managements".
Teil I beschreibt die Ausgangslage, in der sich der Leser vorfindet, nämlich: Am Rande des Chaos. Erzogen wurden Manager dazu, Unternehmen wie Maschinen zu lenken und ihnen heroisch wie der Kapitän auf seiner Brücke vorzustehen. Doch bei Licht betrachtet merken Manager schnell, jedenfalls diejenigen, die dem allseits grassierenden Größenwahn noch nicht erlegen sind, dass Management so trivial nicht funktioniert. Doch wie soll man in komplexen und damit tendenziell unvorhersehbaren Zusammenhängen zu Erkenntnissen kommen, die man zu zielorientiertem Handeln nutzen kann?
Die Antwort darauf lautet, durch einen Paradigmenwechsel. Dazu muss zunächst das alte Paradigma analysiert und verstanden werden, von welchen Annahmen es ausgeht und warum es nicht funktioniert. So wird auch deutlich, welche unglückliche Rolle Führung zugewiesen wurde: Nämlich mittels "Psychologie" (Motivation) das Nichtfunktionieren des Maschinenmodells abzupuffern. Doch Organisationen bestehen nicht aus "Rädchen", sondern sind Spielregeln, mit denen Mitspieler koordiniert werden. Und diese Mitspieler sind Menschen, die ihren eigenen Kopf haben, eigene Motive, Emotionen, Bedürfnisse und Ziele - und die sich an anderen orientieren. Menschliche Systeme, seien es Personen oder Organisationen, sind nur als komplexe, lernende und damit im Prinzip unvorhersehbare Systeme angemessen zu beschreiben: Es könnte eben auch immer anders sein oder kommen.
Diese Ambivalenz ist nun nicht nur negativ im Sinne von Kontingenz: Es hängt eben nicht alles mit allem zusammen, immer wieder wird gewählt und entschieden, bezieht man sich auf die eigene Geschichte, auf den Kontext und begibt man sich in Abhängigkeiten. Diese Ambivalenz ist andererseits auch positiv im Sinne von Emergenz: Komplexe Systeme haben eben auch die Fähigkeit, durch das Zusammenspiel von aufeinander bezogenen Komponenten etwas entstehen zu lassen, das mehr ist als die Summe dieser Teile. Ein System zeigt Eigenschaften, die von den Verknüpfungen untereinander bestimmt werden. Dadurch, dass eben nicht alles mit allem zusammenhängt, wenn es dies auch könnte, so ermöglicht erst die Kontingenz Emergenz. Durch die Begrenzung, durch die Ausschließung von allem, was nicht zum System zählt, können durch neue Verknüpfungen neue Möglichkeiten entstehen.
Teil II widmet sich daher der Erschaffung von Welten in einem Dreischritt: Beschreibung von Unterschiedenem, Erklärung durch Verknüpfung, Bewertung und Auswahl gemäß Interessen und Absichten. Im systemischen Denken wird Welt als ein Netz von Rückkopplungen konstruiert. Und das zeigt nun auch wieder, dass nicht alles anders, also ambivalent sein muss. Wir teilen beispielsweise eine gemeinsame Sozialisation und eine Unternehmenskultur, wir sind immer schon zugehörig zu einer Kommunikations- und Kooperationsgemeinschaft. Die anderen sind weder ein triviales noch ein unberechenbares System. Das Interesse an Kooperation dient der Koevolution und damit dem "Joint Venture". Und deshalb ist permanente Adaption aller notwendig: Selbstorganisation. Die Kooperation, die sich so entwickelt, ist das Spiel aller Spiele. Und in diesem Spiel kann man nur gewinnen, wenn man es schafft, die Aufmerksamkeit anderer - und damit ihr Mitspielen - zu gewinnen.
Eingerahmt von einem Einleitungs- und einem Schlusskapitel, versehen mit einem Literatur- und einem Stichwortverzeichnis, kommt dieses Buch als eine runde Sache daher. Stringent und logisch wird das Thema abgeleitet - ohne dass man bei den Vätern der Systemtheorie, bei Luhmann, Bateson, von Foerster etc. nachschauen müsste. - Immer wieder mischt sich zudem die "Stimme eines Lesers" ein. Es handelt sich hierbei um den befreundeten Journalisten Rainer Daxelt, der sich in Textkästen so seine Gedanken zum Buch macht und damit eine weitere Reflexionsebene eröffnet. Jedes Kapitel wird mit einer Bleistiftzeichnung der Künstlerin Gabriele Menzer eröffnet, von der auch die Covergestaltung stammt.

Dieses Buch sei allen Beratern, Trainer und Coachs - aber eben auch den Managern empfohlen, die sich eine solide Basis für ein systemisches Verständnis erarbeiten wollen. Gespannt darf man auf den zweiten Band der Autoren sein, die ihr Konzept dann auf die Themen Organisation und Führung anwenden wollen.