Manuela Fischer

Erfolgreiches Coaching für das Personalwesen. Coaching und seine Erfolgsfaktoren in Führung, Kommunikation und Verhalten mit Instrumenten, Methoden ... Fallbeispielen und Mustergesprächen (mit CD-ROM). Zürich: Praxium.

Rezension von Prof. Dr. Klaus Stulle

4 Min.

Die Beschäftigung mit dem hier besprochenen Buch beginnt mit einem Missverständnis: Der Buchtitel "Erfolgreiches Coaching für das Personalwesen" mag entweder Hilfestellung für das Coachen von (leidgeprüften) Personalern verheißen. Oder er kann (vielbeschäftigten und universell geforderten) HR-Business-Partnern dabei helfen, in ihrer beruflichen Rolle als Coach für das Management tätig zu werden. Doch schon nach der Lektüre des Vorworts muss sich der Rezensent von beiden, recht spezifischen Fragestellungen verabschieden und erfährt: "Es ist die Aufgabe und das Ziel von Autorin und Verlag, Coaching zu Ihrem Wohle und dem ihrer Mitarbeitenden nutz- und anwendbar zu machen." Damit richtet sich das Buch namentlich an die breite Masse an Führungskräften und keineswegs an die enger gefasste Gruppe von Personal-Experten.
Nun gibt es schon viele allgemeine Bücher zum Thema Coaching, aber auch sehr viele Führungskräfte, die möglicherweise noch nie mit Literatur zu diesem Thema in Berührung gekommen sind. Und diese Zielgruppe mag dann mit diesem Werk als "Erstkontakt" tatsächlich eine Menge Lernstoff zum Thema vermittelt bekommen, was Experten des Themas schon weitestgehend vertraut sein dürfte: Das Buch beginnt mit diversen Vorschlägen zu einer passenden Definition von Coaching, wobei gerade vielbeschäftigte Führungskräfte solchen eher semantischen Fragen vermutlich aus dem Weg gehen werden. Dafür wird das zentrale und überaus wichtige Thema, inwieweit eine Führungskraft in dieser Rolle gleichzeitig auch als Coach tätig sein sollte, zunächst nur auf einer Seite behandelt. Hierzu finden sich nur vergleichsweise "platte" Aussagen wie: "Trotz der weit verbreiteten Ansicht, dass jede Führungskraft ein guter Coach sein muss, praktizieren Führungskräfte diese Stil am seltensten. […] Doch wenn Führungskräfte diesen Stil ignorieren, verzichten sie damit auf ein äußerst wirkungsvolles Werkzeug." Dabei muss die Frage, inwieweit die disziplinarische Führungskraft tatsächlich gleichzeitig als Coach wirksam sein sollte, als deutlich facettenreicher als hier darstellt betrachtet werden. Sie stellt auch eine unverzichtbare Grundlage für dieses Buch, seine Zielgruppe und seine Anwendungsmöglichkeiten dar, doch werden diese Aspekte zu Beginn nur in Ansätzen thematisiert.
Es folgen eine umfassende (und zutreffende) Beschreibung von Coaching anhand von Aspekten wie "Grundpfeiler einer erfolgreichen Coaching-Philosophie" oder "Die Rolle des Coaches" - und wie er/sie nicht sein sollte sowie Kernaussagen zum Systemischen Coaching. Ab Seite 40 wird unter der Überschrift "Integration von Coaching im Unternehmen" noch einmal die Frage von Coaching als Führungsinstrument thematisiert. Aber der Text beschränkt sich letztlich auf eine Darstellung dieses Spannungsfelds, ohne dass der Zielgruppe "Manager" ausreichend klar gemacht wird, wie sie denn ihr neu erworbenes Coaching-Wissen im Arbeitsalltag zur Anwendung bringen können.
In der Folge werden weitere Grundlagen des Coachings wie "Erstgespräch" und "Zielklärung" referiert, bevor dann in sehr komprimierter Weise ausgewählte Kommunikationstools beschrieben werden: Jeweils auf nur zirka einer Drittelseite zu Überschriften wie "Reflecting Team", "Provokationen", "NLP" und "Mediation" wirkt das bei einem Gesamtumfang von knapp 300 Seiten schon reichlich "gestaucht". Außerdem findet sich in dieser Darstellung neben den Themen "Supervision", "Mindmapping" auch "Outplacement" und "Skalenfragen", eine reichlich gemischte Zusammenstellung in einem "Atemzug". Danach werden Feedback-Regeln, passende Coaching-Fragen sowie das "GROW-Modell" nach John Whitmore erläutert.
Der nächste große Abschnitt steht unter der Überschrift "Anwendungsbereiche in der Betriebspraxis" und erläutert auf 66 Seiten die Möglichkeiten von Coaching u.a. beim Change Management, bei Konflikten, Zielvereinbarungen und Sinnkrisen. Den Abschluss machen Fallbeispiele und - vermutliche fiktive - Mustergespräche zwischen Mitarbeitern und Klienten.
Letztlich erhält der Leser für immerhin knapp 40 Euro ein eher allgemeines Buch über Coaching. Wenn er oder sie zuvor noch kein Buch über Coaching hatte, ist dies sicher ein lobenswerter Schritt und eine empfehlenswerte Investition. Denn schließlich werden im Text einige wertvolle Grundlagen dieser bewährten Kommunikationstechnik und Interventionsmethode vorgestellt. Doch sobald sich das Buch der zahlreichen Konkurrenz weiterer Veröffentlichungen zu diesem Thema stellen muss, hat es einen schweren Stand. Dies beginnt mit einer unglücklichen oder besser gesagt misslungenen Positionierung des Werks (Zielgruppe Personalwesen, Führungskräfte oder Experten?). Die darin enthaltene Darstellung des Themas ist zwar zutreffend, aber an vielen Stellen eher abstrakt-neutral und ohne besondere Begeisterungsfähigkeit (sprich: "Herzblut") geraten. Auch die vermeintlichen Praxisdialoge wirken eher aufgesetzt und laden dabei nur wenig zum Hineindenken oder "Schmökern" ein. Ebenso wenig werden die potenziellen Möglichkeit der beigelegten - unbeschrifteten - CD-ROM genutzt: Diese enthält als WORD-Dokument von nur 31 Seiten die auch schon im Buch vorhandenen Tabellen und außerdem noch den elektronischen Verlagskatalog. Aber gesonderte Querverweise im Text auf diese CD oder gar eine interaktive Verwendung im Sinne eines "Blended Learnings" sind nicht vorhanden. Insgesamt dürfte dem Buch auch unter diesem Gesichtspunkt der Weg zu einer breiten Leserschaft nicht leicht fallen…

Prof. Dr. Klaus Stulle

Corporate Human Resources, Bayer AG, Leverkusen

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